Das ehemalige „Knorr’sche Haus“ am Haiterbacher Marktplatz wird in diesen Tagen von der Abbruchfirma Renz abgerissen – von oben nach unten, vorwiegend in Handarbeit. Bis zur Entwicklung anderer Pläne, wird es an dieser Stelle zunächst Stellplätze geben.
Schon durch seinen Standort Ecke Hauptstraße/Städlesberg und seine unmittelbare Nähe zum Rathaus ist das „Knorr’sche Haus“ seit langer Zeit ein ortsprägendes Gebäude. Auf vielen alten und neuen Fotos von Festlichkeiten und Veranstaltungen auf dem Marktplatz oder auch auf Postkarten ist das mehrere Stockwerke hoch gebaute, weiße Eckhaus zumindest im Hintergrund zu sehen. Während sich in den oberen Stockwerken immer Wohnräume befanden, unterlag das Erdgeschoss im Laufe der Geschichte ganz verschiedenen Nutzungen.
Verschiedene Nutzungen
So ist in der „Geschichte der Stadt Haiterbach“ nachzulesen, dass von 1913 bis 1931 im Erdgeschoss des Gebäudes die Postagentur des Küfers Georg Helber untergebracht war. Die Postagentur war Haltepunkt der Kraftpostlinie Herrenberg-Nagold-Haiterbach. Nach 1931 zog die Agentur ins Gasthaus Lamm um.
Nach Angriff gerettet
Als am 16. April 1945 drei Angriffswellen alliierter Flugzeuge über Haiterbacher hinwegfegten, das Städtchen mit Bordwaffen und Brandbomben bombardierten, wurden sechs Häuser teilweise, 47 vollständig zerstört. Dem Erdboden gleich gemacht war vor allem der Bereich Städtles-/Eschenberg mit der Oberen, Mittleren und Unteren Gasse – damals Reichgasse. Von den vier direkt unter der Reichgasse an der Hauptstraße gelegenen Häusern, konnte die Feuerwehr einzig das Haus des Küblers Philipp Knorr löschen.
Die ersten Waschmaschinen
In den 1950er-Jahren kamen in Deutschland die ersten Waschmaschinen auf den Markt. Die kosteten zu der Zeit noch ein Vermögen. Alfred Knorr, der Sohn von Philipp Knorr, hatte zusammen mit seiner Frau Rosa eine „Geschäftsidee“ – kaufte drei dieser vollautomatischen Maschinen, um den Bürgern eine Waschservice gegen Geld anzubieten.
Noch gab es zwar die beiden Waschhäuser der Stadt, eines in der Poststraße und eines bei der „Wedde“. Dort musste aber selber noch „von Hand“ gewaschen werden. So war dieser neue Service der Knorrs eine willkommene Erleichterung.
Das Angebot sprach sich schnell herum, auch in der nahe liegenden Umgebung, wie sich Gertrud Wackenhut, geborene Knorr und Tochter der beiden, erinnert: „Mein Vater hatte damals auch einen Hol- und Bringservice. Er holte Schmutzwäsche bei Leuten auch in Salzstetten, Oberschwandorf oder sogar Egenhausen ab und brachte dann die saubere, aber noch nasse Wäsche wieder zurück. Die Ortsansässigen holten ihre Wäsche meist selber ab, hängten sie auf den beiden zu der Zeit noch bestehenden öffentlichen „Aufhängplätzen“ oder – wer Platz hatte – auch zuhause auf.
Das Badehaus
Doch damit nicht genug. Die Familie Knorr bot zu der Zeit in ihrem Haus in der Nagolder Straße 1, auch noch die Möglichkeit eines Wannen- oder Duschbades an. Für das nötige Heißwasser habe ihr Vater schon früh morgens den großen Holz-/Kohle-Ofen im Heizraum befeuert.
Gertrud Wackenhut erinnert sich an den großen Baderaum, der in vier Kabinen unterteilt, jede Kabine mit einer Tür versehen und abschließbar gewesen sei. Davor habe es einen Wartebereich mit Sitzmöglichkeit gegeben. Auch das „Badehaus“ sei einige Jahre gut angenommen worden, vor allem von Familien, die keine eigene Waschküche besaßen. Handtuch und Seife mussten selber mitgebracht werden. „Meine Aufgabe war es damals als Jugendliche, nach jedem „Badegast“ die Wanne mit „Ata“ wieder ganz sauber zu putzen – undenkbar heute mit einem Scheuermittel zu schrubben“, erzählt Wackenhut. „Besonders freitags und samstags war natürlich viel los, unter der Woche war es ruhiger.“
Pläne der Stadt Haiterbach
Die Knorr’schen Nachkommen verkauften das Haus vor circa 20 Jahren an eine Stuttgarter Immobilienfirma. Heute gehört es der Stadt Haiterbach, die den Abriss in Auftrag gegebenen hat – und dafür sogar Mittel aus Entwicklungsprogramm ländlicher Raum erhält. Laut Thomas Burkhardt vom städtischen Bauamt gibt es maximal 23 400 Euro bei 58 600 Euro Abrisskosten.
Dabei ist noch keine bedeutende Entwicklung in Aussicht, wie Bauamtsleiter Werner Braun erklärt. Denn dafür müsste mehr Fläche frei werden. Für die angrenzenden Häuser sei – gemessen am Zustand – die Zeit aber noch nicht gekommen. Als Zwischenlösung werde es so zunächst Stellplätze geben. „Stellplätze kann man ja nicht zu viele haben“, weiß Braun.
Das Gebäude wird von oben nach unten abgetragen. Das Meiste geschieht davon in Handarbeit. Beim Einsatz von schwerem Gerät wäre die Gefahr offenbar zu groß. Schließlich liegt das Haus direkt an der Hauptverkehrsader von Haiterbach mit reichlich Durchgangsverkehr.