Das Tübinger Landgericht ist Schauplatz eines Prozesses wegen versuchten Mordes. Foto: M. Bernklau

47-Jähriger wegen versuchten Mordes an getrennt lebender Ehefrau angeklagt. Polizisten der Folter beschuldigt.

Tübingen/Haiterbach - Ein 47-jähriger Serbe steht seit Montag unter dem Vorwurf des versuchten Mordes vor dem Landgericht Tübingen. Er soll vergangene Ostern seiner getrennt lebenden Frau nachts aufgelauert und sie mit einem Messerstich lebensgefährlich verletzt haben.

Fünf Kinder hat das Paar. Die älteste Tochter, 2002 geboren, soll der Mutter zu Hilfe geeilt sein, als der aus dem gemeinsamen Haus ausgezogene Vater sie in der späten Nacht auf Ostermontag mit einem 15 Zentimeter tiefen Messerstich in den Oberbauch lebensgefährlich verletzt hatte. Eine Notoperation im Nagolder Krankenhaus rettete ihr Leben.

Täter war maskiert

Maskiert sei der Mann zunächst gewesen, so die Anklage von Staatsanwalt Lukas Bleier. Er habe sie in der Garage abgepasst, zu der er noch einen Schlüssel hatte, als die damals 39-jährige Frau weit nach Mitternacht von ihrer Arbeit in einem Altensteiger Lokal in das vormalig gemeinsame Haus in Haiterbach zurückkehrte. Streit um das Sorgerecht für die fünf Kinder, zwischen 17 und vier Jahre alt, aber auch Eifersucht sieht der Ankläger als Motiv für die Attacke mit einem großen Küchenmesser.

Sprunghaft, wortreich und über weite Strecken ziemlich wirr schilderte der Angeklagte über eine Dolmetscherin zunächst seine Geschichte und die einer ganz offenbar chaotisch fatalen Lebensbeziehung, die zwischen Serbien, Dresden und Schwaben spielte. Das Paar, so der Angeklagte, habe nach einer Scheidung ein zweites Mal geheiratet. Auch Alkohol spielte offenbar immer wieder eine Rolle bei beiden Eheleuten.

Angeklagter beschuldigt Polizei der Folter

Der Mann will als Gegner der serbischen Milosevic-Regierung als politischer Häftling in seiner Heimat mehrere Gefängnisstrafen verbüßt haben. Als Flüchtling kam er dann nach Dresden, wurde als asylberechtigt anerkannt, arbeitete unter anderem als Fernfahrer und holte wohl seine Frau nach.

Eine gemeinsame Wohnung gab es aber wohl erst mit einem Haus, das der Mann in Haiterbach kaufte und mit viel Eigenarbeit ausbaute. Zwei Jahre lang lebte die Ehefrau zwischendurch wieder mit den fünf Kindern in Serbien. Die wilden Andeutungen des Angeklagten über andere leibliche Väter seiner Kinder ergaben kein nachvollziehbares Bild.

Im Gegenteil. Bei seinen Einlassungen verstieg sich der aufgebrachte Mann sogar zu dem Verdacht, seine Frau habe ihn über längere Zeit schleichend vergiften wollen. Eine angeblich dann noch zu spät operierte Blinddarmentzündung bei ihm sei die lebensbedrohliche Folge gewesen. Neben Ärzten beschuldigte er auch die nach der Tat ermittelnden Polizeibeamten der Folter und der Verschwörung gegen ihn.

Psychiatrischer Gutachter kann nur mit dem Kopf schütteln

Selbst der bestellte psychiatrische Gutachter Peter Winckler schüttelte über manche Absurditäten zwischendurch nur noch den Kopf oder lachte leise gemeinsam mit der Rechtsmedizinerin Iris Schimmel, die sich mit der Stichverletzung zu beschäftigen hatte. Die 15 Zentimeter tiefe Wunde soll das Herz nur um etwas mehr als Haaresbreite verfehlt haben.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski ließ den Angeklagten mit seinen uferlosen Ausführungen – von der Dolmetscherin übersetzt – lange gewähren. Nur selten stellte er Zwischenfragen. Bei der Schilderung des Tatgeschehens allerdings zog er dann eine Grenze: "Sie können das erzählen. Aber wir müssen es Ihnen nicht glauben." Dass der Mann den beinahe tödlichen Stich in den Oberbauch seiner Frau als ein Versehen bei einem gemeinsamen Stolpern vor der Garage deutete kommentierte er achselzuckend: "Das meinen Sie doch nicht im Ernst."

Danach bat der Verteidiger, der seinen Mandanten bis dahin nicht unterbrochen hatte, um eine Sitzungspause, "zur Erholung und zur Beratung". Die ersten Zeugen, Ermittlungsrichter und Polizeibeamte, stützten eindeutig die Version der Anklage. Drei weitere Verhandlungstage sind bis zum Urteilsspruch angesetzt.