Die Nachbildung des Forschungsreaktors mit 800 Uranwürfeln bildet das Zentrum des Atomkeller-Museums. Foto: Ludewig

In Haigerloch wurde 1945 ein Stück deutscher Atomforschungsgeschichte geschrieben. Forscher arbeiteten mit einfachsten Mitteln an der Kernspaltung.

Haigerloch - Was passierte in dem Keller des Schwanen genau? Wir geben einen Überblick über interessante Fakten und Fragen zum Haigerlocher Atomkeller.

Warum gibt es in Haigerloch ein Museum zur Atomforschung?

Immer wieder kamen interessierte Fachleute nach Haigerloch und wollten wissen, was die deutschen Kernforscher zu Ende des Zweiten Weltkrieges dort gemacht haben. Sie fanden aber nichts als einen alten Bretterverschlag vor. Also entstand die Idee, im Felsenkeller unter der Schlosskirche – wo der Kernforschungsreaktor des deutschen Uranprojektes gestanden hatte – ein Museum einzurichten. Die Stadt kaufte vom Wirt des "Schwanen" den alten Keller, in dem einst Bier zur Kühlung gelagert wurde. So wurde er zum Teil deutscher Geschichte.

Von der Idee zur Realisierung

Der damalige Haigerlocher Bürgermeister Roland Trojan nahm Kontakt auf mit dem Atomphysiker Karl Wirtz, der 1938 Teilnehmer am deutschen Uranforschungsprojekt beteiligt war und nach dem Zweiten Weltkrieg das Kernforschungszentrum in Karlsruhe mitbegründete. Wirtz lieferte die historischen Details und Dokumente und war maßgeblich an der Gestaltung der ersten Schautafeln für das neue Atomkeller-Museum beteiligt. Am 16. Mai 1980 wurde das Museum schließlich eröffnet.

Wo hat man die ganzen Ausstellungsgegenstände herbekommen?

Kernstück und augenfälligstes Ausstellungsstück ist natürlich der Nachbau des eigentlichen Reaktors mit seinen an Ketten aufgehängten 800 Uranwürfel (übrigens keine echten). Aber das Museum hat noch einige Highlights mehr zu bieten. So übernahm 1983 Egidius Fechter die Betreuung des Museums. Er fuhr gleich ins Deutsche Museum nach München und baute anhand von Skizzen und Fotos den Experimentiertisch von Otto Hahn nach. Interessant für Kinder: An einem Strahlentisch lassen sich mit einem Geigerzähler die Radioaktivität schwach strahlender Gegenstände messen. Auch das Modell eines modernen Atommeilers kann man sich ansehen.

Das besondere Fundstück

In einem Behälter mit einer 1,5 Zentimeter dicken Plexiglasscheibe befindet sich tatsächlich einer der Original-Uranwürfel, die 1945 verwendet worden sind. Ein damals an den Forschungsversuchen beteiligter Wissenschaftler hat den Würfel nach Freiburg an die Landesanstalt für Umweltschutz (LfU) mitgenommen, wo er quasi in einer Schublade schlummerte. Jetzt ist der Würfel eine Dauerleihgabe im Haigerlocher Museum. Egidius Fechter schätzt übrigens, dass noch zwei oder drei Stück der Original-Würfel existieren.

Für wen lohnt sich ein Besuch im Atomkellermuseum?

Eigentlich für alle, man muss kein Experte in Sachen Atomforschung sein, denn hier wird ein Stück deutscher Forschungsgeschichte spannend und verständlich erzählt. Tatsächlich wird das Museum von Schulklassen genauso besucht wie von Nobelpreisträgern. So machte zum Beispiel der Physiker Klaus-Olaf von Klitzing 1994 bei einer Tagung von Nobelpreisträgern in Lindau am Bodensee einen Abstecher nach Haigerloch. Immer wieder kommen auch Filmteams aus England oder Japan in die Felsenstadt, um sich auf die Spuren der Atomforschung zu begeben. Zuletzt war Spiegel TV zu Dreharbeiten im Atomkeller. Die große Zeitung "New York Times" hat 1985 einen Artikel mit dem Titel "A Small Town With a Footnote To history" über die Atomforschung in Haigerloch verfasst. Die Allianz-Filmfirma hat im Auftrag des WDR und unter der Regie von Frank Beyer 1990/91 die spannende Geschichte der deutschen Atomforschung in einem zweiteiligen Fernsehfilm aufgearbeitet, dessen Titel "Ende der Unschuld" ist

Der große Irrtum

Gerne wird kolportiert, dass in Haigerloch am Bau der deutschen Atombombe gearbeitet wurde. Diese Behauptung weist Egidius Fechter ins Reich der Märchen. Es sei darum gegangen, zu zeigen, dass eine Kettenreaktion im Kernreaktor funktioniert. Von den technischen Kapazitäten her wären die Deutschen gar nicht in der Lage gewesen, eine Bombe zu bauen. Fechter: "Die Amerikaner waren 1942 bereits weiter als die Deutschen 1945."

Und was ist das Besondere am Atomkellermuseum?

Es gibt ganz wenige Technik-Museen in Deutschland, die dort eingerichtet sind, wo sich die Geschichte auch tatsächlich ereignet hat. Egidius Fechter: "Im Atomkeller kann man deshalb nicht nur physikalisch-technische Inhalte erleben, sondern auch die Atmosphäre spüren, unter welch primitiven Bedingungen die Leute damals gearbeitete haben. Und die Besucher sehen, wie hier eine weltverändernde Entwicklung begonnen hat."

Und was ist jetzt mit »Trinity«?

Ganz einfach: Trinity ist das englische Wort für Dreifaltigkeit und die Dreifaltigkeitskirche – besser bekannt als Schlosskirche – steht auf dem Felsen über dem Atomkellermuseum. Trinity steht aber auch für die erste Kernwaffenexplosion in der Geschichte. Die Testwaffe, eine Plutonium-Implosionsbombe, wurde am 16. Juli 1945 auf einem 30 Meter hohen stählernen Turm im US-Bundesstaat New Mexico gezündet.

Wie alles begann

Der Chemiker Otto Hahn und sein Assistent Fritz Straßmann hatten bereits 1938 entdeckt, dass sich Urankerne durch den Beschuss mit Neutronen spalten lassen. Dabei wurde festgestellt, dass bei diesem Prozess hohe Mengen an Energie freiwerden.

Fast gleichzeitig mit dem Zweiten Weltkrieg begangenen Forschungsarbeiten zur militärischen oder zivilen Nutzung dieser Energie. Forscher wie Carl Friedrich von Weizsäcker und Werner Heisenberg arbeiteten an der Entwicklung eines Kernreaktors. Das deutsche Uranprojekt wurde am Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Physik in Berlin-Dahlem aufgezogen.

Und wer steckt hinter »Alsos«?

Weil es dort mit zunehmender Kriegsdauer und wegen der Angriffe der alliierten Luftwaffe jedoch immer gefährlicher wurde, verlegte man das KWI für Physik ins hohenzollerische Hechingen und den Forschungsreaktor Anfang 1945 ins unscheinbare und vor Fliegerangriffen gut geschützte Haigerloch im Eyachtal. Dort wurde in der Versuchsreihe B8 tatsächliche eine Kettenreaktion durch Neutronenbeschuss von Uranwürfeln in schwerem Wasser in Gang gebracht.

Die US-amerikanische Spezialeinheit "Alsos" fand die Anlage am 23. April 1945 und demontierte sie am folgenden Tag. Die beteiligten Wissenschaftler wurden gefangen genommen und auf dem englischen Landsitz Farm Hall zu Verhören interniert, die verwendeten Materialien wurden in die Vereinigten Staaten ausgeflogen.

Weitere Informationen:

Das Haigerlocher Atomkellermuseum ist im März, April, Oktober und November nur an Samstagen, Sonn- und Feiertagen geöffnet. Vom 1. Mai bis Ende September dann auch an den Wochentagen.

Die Öffnungszeiten:

Montags, dienstags, mittwochs, donnerstags und freitags jeweils von 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr. Samstags, sonn- und feiertags durchgängig von 10 bis 17 Uhr.

Die Eintrittspreise:

Erwachsene 4 Euro; Schüler und Gruppen ab zehn Personen 3 Euro; Museumsführung pro Gruppe 50 Euro. Fremdsprachige Führungen und Führungen außerhalb der Öffnungszeiten sind für einen Aufpreis von je 20 Euro pro Gruppe buchbar.

Hinweise:

Eine Toilette für Menschen mit Behinderung ist vorhanden, ebenso ein rollstuhlgerechter Zugang. Parkplätze gibt es direkt vor dem Atomkeller in der Pfluggasse oder nur ein paar Meter weiter in der Spitalgasse.