Am 16. Mai 1980 wurde das Atomkeller-Museum in Haigerloch eröffnet. Kernstück der Ausstellung ist der Nachbau des damaligen Forschungsreaktors mit seinen an Ketten hängenden Uranwürfeln. Foto: Stadtverwaltung Haigerloch

Seit mehr als 40 Jahren bietet das Atomkeller-Museum in Haigerloch Einblicke in ein spannendes Kapitel deutscher Geschichte. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den alten Bierkeller im Felsen, auf dem Schloss Haigerloch erbaut wurde.

Am 16. Mai 1980, also vor fast 42 Jahren, trafen sich ehemalige Kernforscher, darunter Carl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz zu einer Feierstunde im ehemaligen Bierkeller des Haigerlocher Schwanenwirts. Dort, in der einstigen Forschungsstätte des Kaiser-Wilhelm-Institutes, wurde an diesem Tag das Haigerlocher Atomkeller-Museum eröffnet. Der letzte deutsche Kernreaktor während des Zweiten Weltkrieges stand von Februar bis April 1945 in Haigerloch. Das ist mittlerweile weit über Deutschland hinaus bekannt.

Atomkeller-Museum Haigerloch: So fing alles an

Wie kam es dazu, dass im ehemaligen Felsenlaboratorium ein Museum beheimatet ist? Über den kleinen Versuchsreaktor in Haigerloch wussten zunächst nur Fachleute Bescheid. In den 70er Jahren kamen aber immer wieder Leute nach Haigerloch und wollten den Ort besichtigen, an dem der Reaktor gestanden hatte. Außer einem Holzverschlag vor dem Keller konnten die Besucher aber weiter nichts finden.

Da sich Anfragen zu den Versuchen auch im Rathaus häuften, versuchte der damalige Haigerlocher Bürgermeister Roland Trojan zu den ehemaligen Kernforschern Kontakt aufzunehmen. Schließlich war es Professor Karl Wirtz vom früheren Kernforschungszentrum Karlsruhe, der sich als kompetenter Berater zur Verfügung stellte.

Wirtz lieferte die historischen Details und Dokumente und war maßgeblich an der Gestaltung der ersten Schautafeln für das neue Atomkeller-Museum beteiligt. Die Stadt kaufte vom Schwanenwirt den Keller, in dem der Reaktor 1945 betrieben wurde.

Atomkeller-Museum: Eröffnungsfeier auch mit vielen Demonstranten

Unter Anwesenheit vieler Kernforscher und ehemaligen Mitarbeiter des Uranprojektes von 1945 wurde schließlich im Mai 1980 das Atomkeller-Museum eröffnet. Der frühere Leiter des Uranprojektes, der Nobelpreisträger Werner Heisenberg, war 1976 gestorben. Zur Eröffnung sollte Heisenbergs Frau Elisabeth kommen. Diese sagte ihren Besuch jedoch aus Angst vor Protesten ab. Und damit hatte sie nicht ganz Unrecht. Unter die damaligen Gäste der Eröffnungsfeier hatten sich auch Demonstranten gemischt, die mit ihren handgemachten Transparenten sofort als solche zu identifizieren waren. Gastgeber Bürgermeister Trojan reagierte spontan und lud diese zur Eröffnungsfeier ein.

Der Atomkeller in Haigerloch wurde schnell zum Besuchermagnet und hatte in den Anfangsjahren jährlich etwa 20.000 Besucher. Auch die ehemaligen Kernforscher trafen sich immer wieder auf Schloss Haigerloch, besuchten das Museum und sprachen über ihre damalige Zeit.

Werbeschub durch TV-Film "Ende der Unschuld"

1983 übernahm Egidius Fechter (Buch: "Humbug in der Höhlenforschungsstelle") als Physiker die fachliche Betreuung des Museums und bot für Besuchergruppen Führungen an. Nachdem Fechter 1989 Leiter des städtischen Kultur- und Verkehrsamtes wurde, konnte er sich jetzt hauptamtlich um das Museum kümmern. Aufgrund der guten Kontakte zum Deutschen Museum in München organisierte er in den folgenden Jahren zahlreiche Sonderausstellungen.

Einen großen Werbeschub gab es für das Atomkeller-Museum durch einen Film, der Anfang der 90er Jahre auch in Haigerloch gedreht wurde. "Ende der Unschuld" ist ein zweiteiliger Fernsehfilm, der die Atomforschung im Zweiten Weltkrieg beleuchtet. Beeindruckend war es, wie im Film der letzte Haigerlocher Reaktorversuch nochmals nachgestellt wurde.

Auch das Auftauchen der amerikanischen Spezialeinheit "Alsos" in Haigerloch im April 1945 fehlte dabei nicht. Allerdings waren es jetzt Mitarbeiter des städtischen Bauhofes und weitere junge Haigerloch, die verkleidet als amerikanische GIs in originalgetreuen Lkws die Oberstadtstraße herunterfuhren. Ein Filmausschnitt ist heute noch im Museum zu sehen.

Historischer Uranwürfel im Atomkeller-Museum zu besichtigen

Weitere Exponate für das Museum stellten Leihgeber zur Verfügung. So übergab im Jahre 2002 die Baden-Württembergische Landesanstalt für Umweltschutz (LfU) in Karlsruhe dem Museum einen historischen Uranwürfel mit den Original-Maßen.

Im Jahre 2013 gab es dann die Möglichkeit mit Hilfe von Mitteln aus dem europäischen LEADER-Förderprogramm das Atomkellermuseum völlig neu zu gestalten. Die Schautafeln wurden von Egidius Fechter neu konzipiert, da seit der Eröffnung des Museums 1980 inzwischen viele weitere Informationen und Fotomaterial freigegeben wurden und auf den neuen Tafeln eingearbeitet werden konnten. Verschiedene Medienstationen zeigen heute auch kleine Videoclips. Zum Beispiel erklärt Otto Hahn in einem kurzen Filmausschnitt seinen Experimentiertisch. Die Neugestaltung des Museums fand sehr großen Anklang. Die Besucherzahlen haben sich in den vergangenen Jahren bei etwa 10.000 Personen pro Jahr stabilisiert, was für ein kleines Museum sehr beachtlich ist.

Wollte Hitler in Haigerloch noch die Atombombe bauen?

Seit Bestehen des Museums steht immer wieder die Frage im Raum, ob Adolf Hitler (oder Wissenschaftler) im Zweiten Weltkrieg in Haigerloch eine Atombombe bauen lassen wollte(n). Oder es Wissenschaftler sogar verhindert haben. In Büchern oder auch Zeitungsartikel wird immer wieder dieser Aspekt thematisiert. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Karlsruhe, Professor Manfred Popp hat eine Analyse aller verfügbaren historischen Dokumente unternommen und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass die deutschen Physiker nicht wussten, wie eine Bombe gebaut werden kann, weil sie nie an einer realistischen Theorie der Atombombe gearbeitet hatten.

Wieso spielt auch Fukushima im Atomkeller-Museum Haigerloch eine Rolle?

Die Darstellung der Geschichte der Kernenergie in Deutschland wird im Atomkeller-Museum auch nach 1945 weitergeführt und endet bisher mit einer Tafel, auf der die drei größten Atomunfälle der Geschichte in Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima dargestellt sind.

Wie hat sich die Atomenergie weiterentwickelt?

Durch die Corona-Krise und vor allem dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist die Energiepolitik verstärkt in den Fokus der Gesellschaft geraten. Die deutsche Abhängigkeit von Öl und Gas sorgt für intensive Diskussionen über Alternativen und neue Ideen. Vielleicht könnte dabei auch eine neue Generation von Kernkraftwerken eine Rolle spielen. So lohnt sich etwa ein Blick auf die Erforschung des Dualfluidreaktors DFR, eine Erfindung von deutschen Kernphysikern am Institut für Festkörperphysik in Berlin.

Atomkeller-Museum Haigerloch: Kontakt und Öffnungszeiten

Mai bis September, Oster- und Herbstferien
Montag - Samstag 10 - 12 und 14 - 17 Uhr,
Sonntag und Feiertag 10 - 17 Uhr

März, April, Oktober, November
Samstag 10 - 12, und 14 - 17 Uhr,
Sonntag und Feiertag 10 - 17 Uhr

Dezember, Januar, Februar geschlossen

Eintritt: Erwachsene 3 €, Schüler und Gruppen ab 10 Personen 2 €

Außerhalb der Öffnungszeiten können Gruppen das Museum für einen Aufpreis von 20 € pro Gruppe besuchen.

Anschrift:
Atomkeller-Museum Haigerloch
Pfluggasse 7
72401 Haigerloch

Telefonnummer: +49 7474.69727
Weitere Infos online unter: www.schloss-haigerloch.de