Gustav Klimt, Attersee, 1900 (Abbildung: Ausschnitt) Foto: Museum Leopold, Wien

Das Wiener Museum Leopold beschäftigt sich mit der Biografie des Malers Gustav Klimt.

Wien - So unprätentiös sich Klimt hier gibt, so intensiv trifft den Betrachter der Blick des Künstlers, aus seinen dunklen Augen lodert das Feuer eines Genies, jenes Großmeisters des Wiener Jugendstils, der im Zentrum der letzten Hochblüte der abendländischen Kultur kurz vor den Katastrophen des 20. Jahrhunderts stand. Gustav Klimt war ein Malerstar seiner Epoche, ein großer Magier und Erneuerer der Kunst im Wien des Fin de Siècle, ein Revolutionär der Form, der sich virtuos der Mittel der Ästhetik bediente, ein überragender Gestalter des Ornaments, der sich nie in der Beliebigkeit des rein Dekorativen verlor. Und bis in unsere Tage hat Klimt nichts von seiner Popularität eingebüßt, ganz im Gegenteil, in diesem Jahr, in dem sich sein Geburtstag zum einhundertfünfzigsten Mal jährt, kann man ihm in Wien schlechterdings nicht entkommen. Die Museen der Stadt, von der Albertina bis zum Museum für Volkskunde und vom Belvedere bis zum Österreichischen Theatermuseum, widmen Klimt nicht weniger als zehn Ausstellungen, in denen aus den reichen, hier üppig vorhandenen Beständen seiner Kunst geschöpft wird und die verschiedensten Aspekte seines Lebens und Wirkens beleuchtet werden.

Das Museum Leopold beschäftigt sich unter dem Ausstellungstitel „Klimt persönlich“ mit der Biografie und den Wechselwirkungen zwischen dem Menschen und seiner Kunst. Vor allem das hartnäckige Klischee, Gustav Klimt habe schriftlich nichts Nennenswertes hinterlassen und sei zur künstlerischen Selbstreflexion nicht in der Lage gewesen, widerlegt die Schau in beeindruckender Weise. Es ist vor allem das Konvolut von 400 Briefen und Postkarten, die Klimt an seine Lebensgefährtin Emilie Flöge und seine Geliebte Mizzi Zimmermann geschrieben hat. Wie ein roter Faden ziehen sich die zahlreichen Mitteilungen des Künstlers durch die Säle der Ausstellung. Allein die Lektüre dieser zumeist kurzen Texte, die Klimt von seinen Reisen aus ganz Europa, aber auch innerhalb Wiens – oft mittels Rohrpost, der SMS dieser Epoche – mehrfach täglich versandte, lohnt den Besuch der Schau und lässt eine vielgestaltige, durchaus kommunikative, originelle und spontane Person von seinen Erlebnissen, Wünschen und Ängsten erzählen. Durch diese schriftlichen Zeugnisse werden wichtige Gesichtspunkte seines Werks und seiner Persönlichkeit erklärt, die bisher durch Anekdoten und Mythen verstellt waren. Sein lebenslanges Schwanken zwischen großem Selbstbewusstsein und tiefer Scheu vor Öffentlichkeit und dem Lärm des Kunstbetriebs fasst Klimt in wenigen Sätzen beredt zusammen, wenn er schreibt: „Malen und Zeichnen kann ich. Das glaube ich selbst und auch einige Leute sagen, dass sie das glauben. Aber ich bin nicht sicher, ob es wahr ist.“ Dabei maß er offenbar seiner eigenen Person wenig Bedeutung zu, denn er war der Meinung, „. . . an mir ist weiter nichts besonderes zu sehen“, wer über ihn etwas erfahren wolle, solle seine Bilder anschauen. Konsequenterweise kam es Klimt deshalb auch nicht in den Sinn, sich selbst zu porträtieren. Doch auch den lebensvollen Genussmenschen Klimt kann man hier erleben, einen Mann, der sich an kulinarischen altösterreichischen Delikatessen ergötzt: „Mittags starkes Krennfleischessen – Apfel und Krautstrudel – Abends wahrscheinlich Bratwürste – morgen Blut und Leberwürste – etc. – irrsinnig“ schreibt er enthusiastisch 1915 aus Mähren an Emilie Flöge.

„Ein Künstler von unglaublicher Vollendung“

Ausgehend von der Korrespondenz Klimts werden die Abschnitte der Ausstellung von Zitaten des Künstlers übertitelt, dergestalt entsteht ein aufschlussreicher Dialog von Person und Kunst. Diese inhaltlichen und textlichen Aspekte werden durch Gemälde und Zeichnungen Klimts, aber auch durch zahlreiche Objekte, Fotografien und Dokumente zu seinem Leben illustriert. Das Museum Leopold kann dabei auf einen eigenen, bedeutenden Bestand wichtiger Gemälde und Zeichnungen Klimts zurückgreifen, zu sehen ist daraus beispielsweise das großformatige Bild „Tod und Leben“ von 1910/15, in dem Klimt das Ende einer Epoche und seines eigenen Lebens antizipiert, gezeigt werden aber auch selten ausgestellte Leihgaben wie die „Schönbrunner Landschaft“ von 1916. Die enorme Könnerschaft und geniale Innovationskraft Klimts bezeugt sein Gemälde „Am Attersee“ von 1900, in dem die Topografie der Landschaft zur reinen, quasi abstrakten Materialität des Wassers transzendiert wird – was den Kritiker Ludwig Hevesi zu dem Aphorismus veranlasste, das Bild sei ein Rahmen voller Wasser.

Auch wenn die Ausstellung sich vorrangig mit der Biografie auseinandersetzt, werden doch auch ganz wesentliche, teilweise faszinierend neue Aspekte der künstlerischen Entwicklung Klimts dargestellt. So hat er sich nicht nur mit der Kunst Ostasiens intensiv beschäftigt – Klimt besaß eine bedeutende Sammlung vor allem japanischer und chinesischer Kunstgegenstände –, sondern war auch von der Kunst Schwarzafrikas begeistert. Als er sich 1914 in Brüssel aufhielt – er war mit der Ausgestaltung des Palais Stoclet betraut –, besuchte er das Kongo-Museum in Tervuren. Von den dort ausgestellten afrikanischen Skulpturen schrieb er voller Bewunderung: „Das Schöne sind aber die Plastiken dieser Kongoneger! Sie sind herrlich und prachtvoll – man schämt sich – dass die in ihrer Art so viel mehr können als wir.“ Jugendstil und die Kunst Afrikas, diese Verbindung ist ein gänzlich neuer Aspekt, der durch ein Werk Klimts selbst belegt werden könnte, wäre sein Gemälde „Kopf eines Negers“, das 1928 in einer Klimt-Gedächtnisausstellung zu sehen war, nicht verschollen.

Gustav Klimt, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte, war einer der höchstbezahlten Künstler seiner Zeit. Seine Landschaftsbilder verkaufte er für bis zu 6000 Kronen, seine Porträts kosteten gar 12.000 Kronen – ein Volksschullehrer verdiente damals im Jahr 1200 Kronen. Als Klimt im Februar 1918 starb, ging mit ihm eine Epoche zu Ende. Klimt hatte keine Schüler im eigentlichen Sinne, war nicht Professor an der Akademie und hatte auch keine Privatschüler – sein künstlerischer Einfluss war jedoch so intensiv, dass er mit Oskar Kokoschka und Egon Schiele zwei hoch bedeutende Nachfolger hatte. Schieles Nachruf auf Klimt endete mit den Worten: „Ein Künstler von unglaublicher Vollendung. Ein Mensch von seltener Tiefe. Sein Werk ein Heiligtum.“

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