Am Mittwochmorgen verbietet das Innenministerium die rechtsextremistische Vereinigung „Die Artgemeinschaft“. Die Polizei nimmt anschließend Durchsuchungen vor – auch in Künzelsau.
Mit einem Großeinsatz hat die Polizei in Künzelsau (Hohenlohekreis) das Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung „Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ durchgesetzt. Am frühen Mittwochmorgen drangen Spezialeinsatzkommandos (SEK) in mehrere Gebäude der Vereinigung im Ortsteil Hesselbronn ein, wie ein Sprecher des Landeskriminalamts vor Ort sagte.
Durchsucht worden seien mehrere Wohngebäude, eine Scheune und ein Flurstück. Ziel sei das „Einfrieren von Vereinsvermögen“ gewesen. Zudem sei es um die Sicherstellung potenzieller Beweismittel wie etwa Orden, Fahnen und Büsten, die dem Nationalsozialismus zugeordnet werden, gegangen. Festnahmen habe es zunächst keine gegeben.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei am Mittwochmorgen 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern und Räume des Vereins in zwölf Bundesländern. Das Verbot gegen die Vereinigung, die dem Milieu der völkischen Siedler zugerechnet wird, sei mehr als ein Jahr vorbereitet worden. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen.
„Sektenartig“ und „zutiefst rassistisch“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beschrieb „Die Artgemeinschaft“ als „sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung“. Die Ministerin begründete ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl. Sie sagte: „Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen.
Die Razzia in Künzelsau war im Zusammenhang mit dem Verbot die einzige in Baden Württemberg, wie der Sprecher des Landeskriminalamts weiter sagte. Im Einsatz seien mehr Polizisten gewesen als der Ortsteil Hesselbronn Einwohner hat - gemeldet seien dort rund 100 Menschen.
Laut Bundesinnenministerium umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten sogenannte „Gefährtschaften“, „Gilden“, „Freundeskreise“ und ein Verein namens „Familienwerk“. Durchsucht wurde den Angaben zufolge in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Mehrere Verbote in wenigen Wochen
In der vergangenen Woche hatte Faeser die elitäre Neonazi-Gruppierung „Hammerskins Deutschland“ verboten. Vor allem durch die „manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder“ und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die „Artgemeinschaft“ nicht weniger gefährlich als die „Hammerskins“, sagte die Ministerin.
Zur Begründung des Verbots führte ihr Ministerium aus, die Siedlerbewegung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen „Art“, was mit dem nationalsozialistischen Begriff der „Rasse“ gleichzusetzen sein.
Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der „Erhalt der Deutschen“. „Deutschsein“ werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen „Blut-und-Boden“-Ideologie definiert.