Aufgeräumt ist es in der Praxis von Sonja Unger – in der "inneren WG" des Menschen ist das nicht immer so. Foto: Sum

Meckertante, das kleine Kind und der Schweinehund – sie alle sind im Konzept von Sonja Unger Mitbewohner unserer "inneren WG". Die psychologische Psychotherapeutin hat ein Sachbuch über Depressionen geschrieben.

Schiltach - Seit acht Jahren behandelt Sonja Unger in ihrer Praxis im Dienstleistungszentrum in der Schiltacher Hauptstraße Patienten mit psychischen Erkrankungen. "Mindestens 90 Prozent davon wegen Depressionen", erzählt sie. In der Pandemie sei die Zahl der Erkrankten weiter gestiegen, schildert sie ihre Erfahrungen. Da kommt ihr Buch "Depressionen überwinden mit dem Konzept der inneren WG", das am 8. Juni erscheint, gerade zur rechten Zeit.

Arbeit vor einem Jahr begonnen

Vor etwa einem Jahr hat Unger mit der Arbeit an dem Sachbuch begonnen. Im Februar stand die finale Version. "Es gibt im Bereich der Selbsthilfe viele Bücher von Betroffenen, aber nur sehr wenige von Expertenseite", erklärt die 43-Jährige, was sie zu dem Schritt bewogen hat. Ihr Buch richte sich an Erkrankte ebenso wie an Angehörige und könne "eine erste Anlaufstelle sein", wenn eine Depression im Raum stehe. Ein "Ersatz für eine Psychotherapie ist es nicht", stellt die Expertin klar.

Leser treffen "Mitbewohner"

Unger arbeitet viel mit Bildern, auch in dem Buch. Dort ist die Rede von der "inneren Wohngemeinschaft" und ihren Bewohnern – darunter welche, "die uns sympathisch sind und die die Welt aus einem realistischen Blick betrachten". Und solche, die "überaus pessimistisch, kritisch, fordernd und insgesamt ziemlich unsympathisch" seien. Die Leser treffen unter anderem auf die Meckertante, das kleine Kind, die Antreiberin und die Erwachsene.

Gedankliche und praktische Übungen

Sie alle gelte es kennenzulernen, zu verstehen und dadurch die Frage beantworten zu können: "Wie kann ich mit meinen WG-Mitbewohnern so zusammenleben, dass mich möglichst alle unterstützen?" Das funktioniere zum einen über gedankliche Übungen, sogenannte Imaginationsübungen, zum anderen über praktische Aufgaben. "Menschen mit Depressionen ziehen sich oft zurück. Manche Übungen sollen helfen, diese Hürden zu überwinden – mal wieder jemanden anzurufen oder sich zu verabreden", nennt Unger als Beispiel. Sie habe versucht, die komplexen Zusammenhänge der Krankheit einfach und verständlich zu erklären. Die Psychotherapeutin möchte mit dem Buch "Anregungen für ein vertieftes Verständnis" der inneren Prozesse geben und den Lesern zeigen, wie sie "bewusst in diese Prozesse eingreifen können".

Kindheitstraum erfüllt sich

Gearbeitet hat sie an ihrem Buch vor allem abends und an den Wochenenden. "Es hat total viel Spaß gemacht", ist der Mutter zweier erwachsender Kinder die Energie anzumerken, die sie in ihr Projekt gesteckt hat. "Das war schon als Kind mein Traum", erzählt sie mit einem Lächeln. Schon damals habe sie viel geschrieben, sich Geschichten ausgedacht. Das jetzt ein Sachbuch aus ihrem Berufsleben daraus geworden ist, "macht mich schon stolz".

Schon als junge Erwachsene wollte Sonja Unger, die mit ihrer Familie in Hausach lebt, Psychotherapeutin werden. Menschen kennenzulernen, ihnen Hoffnung mitzugeben und das Gefühl "Ich bin im Grund in Ordnung", das sei es, was ihren Beruf ausmacht, versucht sie ihre Liebe zum Job in Worte zu fassen.

Die Begeisterung für Menschen lässt sie auch in ihre Freizeit einfließen: Mehr als 6200 Follower hat sie auf ihrem Instagram-Kanal psych.sonja.unger, wo sie mit Tipps und Denkanstößen vor allem "gesunden Frauen mehr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl vermitteln" möchte.

Die Krankheit

Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Störungen. Jeder fünfte Deutsche erkrankt statistisch gesehen einmal im Leben an einer Depression; jährlich gibt es laut Zahlen der Stiftung Deutsche Depressionshilfe 5,3 Millionen Betroffene. Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer.

Erkrankte klangen zu Beginn oft über einen allgemeinen Leistungsabfall und diffuse körperliche Beschwerden, über Appetitverlust und Schlafstörungen. Zu den Symptomen zählen aber auch vielfach gedrückte Stimmung, Antriebs- und Hoffnungslosigkeit sowie negative Gedanken. Oft gehen Depressionen mit Suizidgedanken einher.

Die Deutsche Depressionshilfe rät betroffenen in einer akuten Krise, sich an den behandelten Arzt oder Psychotherapeuten, die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter 112 zu wenden. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter 0800/111 0 111 oder 0800/ 111 0 222 erreichbar.