Wohin führt der Weg der deutschen Frauen-Nationalmannschaft bei der EM in England? Foto: Eibner/Memmler

Die großen Turniere wie EM oder WM bringen dem Frauenfußball viel Aufmerksamkeit. So sammelt die weibliche deutsche DFB-Auswahl aktuell in England Sympathien. Doch die Bezahlung ist nicht der einzige Unterschied. Noch immer herrschen Klischees vor, die eigentlich gar nicht den Tatsachen entsprechen. Ein Überblick.

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg äußerte sich zur Debatte um die gleiche Bezahlung: "Zur Wahrheit gehört auch, dass die Vermarktungserlöse von Männern und Frauen, aus denen sich auch die Turnierprämien ergeben, extrem weit auseinanderliegen. Das ist leider noch Fakt", sagte die 54-Jährige. So ist der Umsatz durch TV-Rechte, Sponsoring und Tickets bei einer Europameisterschaft der Männer deutlich höher und damit auch die ausgeschütteten Prämien an die Verbände.

Beim Titelgewinn in England gehen jeweils 60.000 Euro an die Spielerinnen. Die deutschen Spieler hätten 2021 jeweils 400.000 Euro für den Titel kassiert. Der Frauenfußball in Deutschland ist aber auf einem guten Weg - wenn es gelingt, Vorurteile abzubauen. 

Erstes Klischee: Der Frauenfußball hat keine Stars

Während bei einer Fußball-EM der Männer die Kinder eifrig Sammelbildchen ihrer Idole ins Panini-Album kleben, geht es da bei den Frauen beschaulicher zu. Doch im deutschen Team gibt es einige Namen, die man - wenn schon nicht vor der EM - nach der EM kennen sollte. Allen voran Guilia Gwinn (FC Bayern München). Sie ist der Instagram-Star im deutschen Team. Dort hat sie über 300.000 Follower.

Oder Merle Frohms, der Stern am deutschen Torhüterinnen-Himmel. Sie hat sich vor allem im Vorrundenspiel gegen Spanien in den Vordergrund gespielt.

Oder die Schwarzwälderin Klara Bühl. Sie ist eines der größten Talente im deutschen Fußball und gewann 2019 die Fritz-Walter-Medaille als beste Nachwuchsspielerin in Gold.

Und vielleicht noch ein Geheimtipp Jule Brand. Die 19-Jährige steht noch nicht in der Startelf, kommt aber regelmäßig von der Bank. Sie ist trickreich, mit ihren großen Schritten auch zügig unterwegs, torgefährlich, sie bringt alles mit, um eine ganz große Spielerin und vielleicht auch einmal zum großen Vorbild zu werden.

Zweites Klischee: Fußball war und ist einfach Männersache

Das ist ein deutsches Vorurteil: In den USA ist das Gegenteil der Fall. Dort ist Fußball ganz klar Frauensport, fast jedes Mädchen spielt von klein auf in einem Verein. Und Profis wie Megan Rapinoe stehen im Rampenlicht, so wie männliche Spieler bei uns. In Deutschland spielen die Mädchen in den jüngeren Altersklassen mit den Jungs und müssen sich genauso wie diese beweisen.

Drittes Klischee: Frauen sind zu zimperlich

Die Mär vom harten Mann steht nicht im Kontrast zur unbeugsamen Frau. Das weibliche Geschlecht kann sogar schmerzresistenter sein. So hat sich die österreichische Nationalspielerin Sarah Zadrazil bei der EM 2017 im ersten Spiel gegen die Schweiz das Syndesmoseband fast durchgerissen. Sie hat dann eine Partie pausiert und die restlichen mit Tape gespielt. Im Anschluss musste sie mehrere Monate zur Reha, doch das war es ihr wert. Generell spielen Frauen einen ehrlichen Fußball. Am Platz gibt es wenig Wehleidigkeit, wenig Drama. "Uns ist es wichtiger, die Freude am Sport zu vermitteln, als zu schauspielern“, so die heute 29-Jährige.

Viertes Klischee: Die Männer sind erfolgreicher

Die Frage, wer bisher erfolgreicher war, ist schwer zu beantworten. Die Männer kamen auf sieben Titel bei großen Turnieren (WM, EM), die Frauen bereits auf zehn. Die Männer wurden doppelt so oft Weltmeister (viermal), wozu sie wiederum auch viel mehr Gelegenheiten (19) als die Frauen (8) hatten, die ihren Titel von 2003 (in den USA) 2007 in China erfolgreich verteidigten.

Acht Europameistertitel gegenüber drei sprechen indes klar für die Frauen, die 75 Prozent der bisherigen zwölf EM-Turniere gewannen. Die Männer gewannen nur 18,75 Prozent aller ihrer EM-Turniere.

Fünftes Klischee: Niemand interessiert sich für Frauenfußball

Das stimmt nicht. Fakt ist, die deutschen Fußballerinnen haben auch bei ihrem zweiten Gruppenspiel bei der Europameisterschaft in England eine starke TV-Quote eingefahren. 8,02 Millionen Menschen sahen in der ARD am Dienstagabend das 2:0 (2:0) gegen Spanien, das der Mannschaft von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg vorzeitig den Gruppensieg und die Qualifikation für das Viertelfinale bescherte. Nach Angaben des Senders vom Mittwoch ergab das einen Marktanteil von sehr starken 34,3 Prozent.

Zum Auftakt hatten beim 4:0 gegen Dänemark 5,95 Millionen Personen zugesehen und im ZDF für einen Marktanteil von 25,9 Prozent gesorgt. Nun steht das Halbfinale gegen Frankreich am Mittwoch (21 Uhr) an. In Sachen TV-Quote könnte dieses Spiel einen neuen Zuschauerrekord bringen.