Fury in the Slaughterhouse auf der Bühne: Christof Stein-Schneider (links) und Kai Wingenfelder mit Christian Decker (rechts) Foto: imago/Future Image/Christoph Speidel

Kai Wingenfelder (63) und Christof Stein-Schneider (61) erklären, warum das Comeback ihrer Popband Fury in the Slaughterhouse so gut läuft.

Hits wie „Radio Orchid“ und „Won’t Forget These Days“ der 1986 gegründeten Band Fury In The Slaughterhouse gehörten zum Soundtrack der Wendezeit. 2008 trennte das Sextett sich im Streit, 2017 kehrte es zurück mit dem Album „Now“ (2021). Im Juli 2023 folgte „Hope“. Der Albumtitel ist auch das Motto der Tour, im Rahmen derer die Band nun auf dem Killesberg spielt.

Herr Wingenfelder, in „Always Now“ singen Sie: „Die guten alten Zeiten sind immer genau jetzt.“ Keine Lust auf Vergangenheitsverklärung?

Wingenfelder: Nein, echt nicht. Gestern ist gestern. Das Leben passiert heute. Wir sollten nicht dort hängenbleiben, was früher einmal war, sondern das Leben hier und jetzt wertschätzen und so gut es geht auskosten.

Fans spielen Ihre 90er-Hits besonders häufig auf Klassentreffen und ähnlich nostalgischen Veranstaltungen...

Wingenfelder: Das ist richtig. Für nicht wenige Menschen war und ist unsere Musik ein Soundtrack fürs Leben.

Ihre Band ist in einem zweiten Frühling – haben die zehn Jahre Pause gutgetan?

Stein-Schneider: Oft weiß man die Dinge erst zu schätzen, wenn man sie mal nicht mehr gehabt hat. So war es auch bei uns.

Wingenfelder: Wir sind zu alt, um zu streiten. Die Lässigkeit des Alters gibt es wirklich. Wir wissen heute besser, wann es sich nicht lohnt, sich aufzuregen, nämlich in den allermeisten Situationen. Seitdem gehen wir sehr viel respektvoller miteinander um.

Sie haben seinerzeit in den USA gespielt – würde sie das nochmal reizen?

Wingenfelder: Wie sagen die Amerikaner so schön: Been there, done that. Wenn uns jetzt jemand nach Japan oder Mexiko oder so einladen würde und sagt „Ihr könnte eine Woche bleiben“, dann würden wir uns das überlegen, aber im Grunde finden wir eine Aktion wie unsere Kampagne „Hoffnung verändert alles“ deutlich spannender.

Unter diesem Motto präsentieren sich bei Ihren Konzerten NGOs, Vereine und Hilfsorganisationen. Manche sind sehr bekannt, andere weniger.

Wingenfelder: „Sea Shepherd“ oder den Verein „Dunkelziffer“ kennt jeder. Aber nicht weniger am Herzen liegen uns Organisationen wie der Verein „AMSOB“, der brustamputierte Frauen unterstützt oder der „Freibad Clenze e.V.“ im Wendland, der sich um eine wichtige Begegnungsstätte von Jung und Alt im ländlichen Raum verdient macht.

Ist Anfang 60 eher jung oder eher alt?

Stein-Schneider: Alt!

Wingenfelder: Jung! Heute ist es normal, dass sich auch Leute in unserem Alter oder sogar noch älter auf die Bühne stellen und benehmen wie die Kinder (lacht).

Man hört „Hope“ nicht an, dass seit „Time To Wonder“ 30 Jahre vergangen sind.

Stein-Schneider: Bei den ersten Festivalkonzerten sind die Leute mitgegangen, obwohl sie die Lieder noch gar nicht kannten, weil sie eben noch nicht veröffentlicht waren. Ab dem dritten Refrain sangen alle mit.

Das Album heißt „Hope“, Songs trage n Titel wie „Don’t Give Up“, „Better Times Will Come“ und „Why Worry“...

Stein-Schneider: Ein bisschen ist das auch eine Folge der Seuchenzeit. Wir dachten darüber nach, worin die Systemrelevanz von Kunst und Kultur besteht. Die Antwort ist: Im Hoffnung geben. Wenn wir zusammen singen, dann können wir keine Angst empfinden. Und wenn wir keine Angst haben, dann können wir uns Gedanken über eine bessere Zukunft machen.

Wingenfelder: Ein altes Sprichwort sagt: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder“. Das können wir nur unterstreichen. Wenn die Leute im Konzert mitsingen, sind sie glücklich. Wenn du durch die Nacht gehst und Muffensausen hast, dann singst du irgendwas, und das nimmt dir die Angst. Das wissen schon kleine Kinder.

Stein-Schneider: Wenn wir zusammen Musik machen, fangen unsere Gehirne an, gleich zu schwingen. Es entsteht ein Wir-Gefühl – also genau das, woran es unserer Welt gerade sehr mangelt. Um ein erfülltes Leben zu führen, brauchen wir einander.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Stein-Schneider: Menschen, die bereit sind, ihre Zeit und ihre Energie einzusetzen für Menschen, die das nötig haben. Menschen, die das Gefühl des „Wir“ verstehen und die nicht im kapitalistischen „Ich, ich, ich“ gefangen sind. Es ist nicht nur wichtig, wie es mir geht. Es ist auch wichtig, wie es den anderen geht. Zum Beispiel sind wir seit Jahren die Schirmherren einer Weihnachtsfeier für Obdachlose in Hannover. Wir helfen mit, die Gänsekeulen zu verteilen.

Von der vielbeschworenen gespaltenen Gesellschaft ist beim Fury-Konzert also nichts zu spüren?

Wingenfelder: Die Sicherheitsleute bei unseren Shows sind nicht dazu da, bei Schlägereien einzuschreiten, sie helfen den Leuten noch ganz klassisch über die Straße.

Konzert: Fury in the Slaughterhouse spielen am 9. 9. auf der Freilichtbühne Killesberg

Fury in the Slaughterhouse

Band
 1986 gründet Kai Wingenfelder mit seinem Bruder Thorsten, Rainer Schumann, Christof Stein-Schneider und Hannes Schäfer in Hannover Fury in the Slaughterhouse. Anders als Bands der ausklingenden Neuen Deutschen Welle setzten sie auf englische Songtexte. Der Bandname soll sich auf die 50er-Jahre-Pferdeserie „Fury“ beziehen.

Karriere
 Die Band verkauft mehr als vier Millionen Alben und feiert 1993 mit „Mono“ und Songs wie „Radio Orchid“ oder „Every Generation Got Its Own Disease“ auch international Erfolge.