Die Prozession 2019 konnte mit Birken und Fahnen begleitet werden. (Archivfoto) Foto: Hildebrand

An Fronleichnam ist Rottweil in normalen Zeiten ein wenig der Zeitrechnung entrückt. Birken und Fahnen weisen der Prozession den Weg, ehrfürchtig folgen die Gläubigen dem Allerheiligsten in der Monstranz nach. Kanonendonner schneidet hier und da die Luft. Doch auch in diesem Jahr fallen Prozession und Feierlichkeiten aus. Da fehlt etwas.

Rottweil - Für die einen ist es der "Herrgotts-Tag", für die anderen die Sommerfasnet – so unterschiedlich die Begrifflichkeiten, meinen sie doch das selbe: an Fronleichnam putzt sich Rottweil heraus, hängt Fahnen heraus, die sonst gut gehütet im Haus verwart sind, schmückt Blumenkübel und Vorgärtchen. Und: feuert einen Salut. In diesem Jahr fällt Fronleichnam erneut dem Virus zum Opfer. Und so heißt es Präsenzgottesdienst statt Prozession. Doch ein Ersatz ist das freilich nicht.

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Pfarrer Jürgen Rieger vermisst wie viele Beteiligte die Fronleichnamsprozession. "Aber den Corona-Beschränkungen hat sich alles unterzuordnen; das ist nicht nur bürgerliche, sondern auch christliche Pflicht", betont er.

An die Vorbereitungen zu den Fronleichnamsprozessionen erinnert er sich gerne. "In vorigen Jahren war es schön, erleben zu dürfen, wie am Tag vor Fronleichnam die Straßen und Gassen gefegt, Blumenkübel gerichtet, Birken aufgestellt und Fahnen an den Häusern des Prozessionsweges ausgestellt wurden." Der gemeinsame Gottesdienst im Stadtgraben "bei herrlicher Frühlingsluft" habe für ihn etwas Erfrischendes, auch Ungezwungenes.

Die festliche Prozession mit der Stadtkapelle, den farbenfrohen Fahnen und Laternen der Zünfte und das ehrfürchtige Schreiten der Gläubigen in der Prozession rufe ein erhebendes Gefühl hervor, und so mancher Radfahrtourist am Rande der Prozession bekreuzige sich beim Anblick des Allerheiligsten in der Monstranz. "Nicht wir müssen immer zu Gott kommen, Gott kommt auch zu uns – auf unsere Straßen und Plätze, da wo wir wohnen, leben, arbeiten und einkaufen. Und die Stadt ist wie verwandelt", sagt Rieger.

Cecilia Rademacher: "Mich erfüllt die Tradition mit Stolz"

Nach der Prozession geht die Feierlichkeit über in die Zusammenkunft der Zünfte in ihren Lokalen. Rieger erinnert sich: "An meinem ersten Fronleichnamstag 2006 durfte ich erleben, wie die Rottweiler feiern können – zünftig eben". Vielleicht, so Rieger, könne der abermalige coronabedingte Ausfall der Fronleichnamsprozession in diesem Jahr Anlass dafür sein, "uns neu bewusst zu werden, wen und was wir an diesem Tag eigentlich feiern, um den ›Herrgotts-Tag‹ dann hoffentlich 2022 noch bewusster zu begehen".

Familie Rademacher ist regelmäßig Besucher der Fronleichnamsprozession. Cecilia, heute 22, war schon als kleines Mädchen mit Mama und Großeltern im Tross der Gläubigen. Besonders fein gemacht und mit einem Körbchen voll Blüten, reihte sich die Familie stets ein, wie Cecilia erzählt.

Dass Fronleichnam nun zum zweiten Mal nicht in gewohnter, ja auch für die Familie traditioneller Form stattfinden kann, stimme sie schon ein wenig traurig. "Mich erfüllt diese Tradition mit Stolz. Auch, weil ich und die Familie ein Teil davon sein können", sagt Cecilia. Gleiches gelte für den religiösen Charakter des Festes.

Vor allem aber sei die Prozession mit ihren Zünften, den Zunftlaternen und Fahnen und der geschmückten Stadt ein Fest fürs Auge – und fürs Ohr, denn die Salven der Kanonen machten den Festtag stets zu einem ganz besonderen.

Dieses Jahr nun bleiben die Kanonen stumm, die Schützen zuhause. Da hofft man bei der historischen Bürgerwehr aufs nächste Jahr. "Die Fronleichnamsprozession in Rottweil mit ihren Zünften ist eine der schönsten im Ländle, und ich wohne ihr sehr gerne bei", erzählt Margarete Bühner, Oberschützenmeisterin der historischen Bürgerwehr. Für ihre Schützen sei Fronleichnam neben dem Neujahrsschießen einer der Höhepunkte des Jahres. Unter Peter Seemann hatte die Bürgerwehr das alte Brauchtum wieder aufleben lassen. Seither habe das Böllerschießen im Veranstaltungskalender der Bürgerwehr seinen festen Platz.

Margarte Bühner: "Eine der schönsten Prozessionen im Ländle"

"Frühmorgens werden die Böller und die Kanonen am Hochturm hergerichtet und pünktlich zum Beginn der Prozession abgefeuert. Auch an den Stationen, beim Segen und zum feierlichen Einzug in die Kirche wird eine Salve abgegeben", erklärt Bühner den Ablauf. Daneben fehle die Geselligkeit – davor, während und danach, mit einem gemeinsamen Mittagessen und dem Ausklang mit Kaffee und Kuchen im Bürgerwehrhaus. So setzt die Bürgerwehr aufs nächste Jahr und darauf, dass dann an die Tradition und an alten Riten angeknüpft werden kann.