Der Pariser Politologe Henri Ménudier bei seinem Vortrag in Freudenstadt. Foto: Schwarz

Der Pariser Politologe Henri Ménudier widmete sich im Rahmen des Festakts zum 60-jährigen Bestehen der Partnerschaft zwischen Freudenstadt und Courbevoie in seinem zweisprachig gehaltenen Vortrag den "deutsch-französischen Beziehungen als Motor Europas".

Freudenstadt - Er warf dabei zunächst einen Blick auf die Geschichte und die "katastrophalen Beziehungen" der beiden Länder nach dem ersten Weltkrieg. Aus den "Erzfeinden" damals seien zwischenzeitlich "Erzfreunde" geworden. "Doch wie haben wir das geschafft?"

Bereits in der Weimarer Republik habe es Versuche gegeben, dieses Verhältnis zu verbessern, aber ohne Erfolg. Damals hätten nur Elitegruppen mitgemacht und der Faschismus habe all den Anstrengungen in der Folge sowieso ein Ende gesetzt. Die Annäherungsversuche nach dem zweiten Weltkrieg seien erfolgreicher gewesen.

Erster deutsch-französischer Verein in Offenburg

Nach 1945 habe der Hass erst noch dominiert. In Frankreich sei vereinzelt sogar der Wunsch laut geworden, die Deutschen umzusiedeln – möglichst gleich nach Madagaskar. Trotzdem habe es auf beiden Seiten auch immer Menschen gegeben, die eine Annäherung forciert hatten. Eine große Rolle dabei hätten die bereits 1946 begonnenen deutsch-französischen Jugendtreffen gespielt. In Offenburg habe sich damals sogar der erste deutsch-französische Verein gegründet. Darüber hinaus wurden zwei länderübergreifende Zeitschriften ins Leben gerufen. Und ein deutsch-französisches Jugendwerk per Vertrag zwischen Adenauer und De Gaulle im Jahr 1963.

Neben der Jugend hätten auch Politiker und Regierungen eine große Rolle bei der Annäherung gespielt, durch Gründung verschiedener internationaler Organisationen, zum Beispiel.

Als dritte wichtige Gruppe beim Zusammenwachsen benannte Ménudier die Bürgermeister. Erste Treffen zwischen ihnen habe es 1948 und 1949 bereits in der Schweiz gegeben, danach im Jahr 1950 in Stuttgart, wo die "Internationale Union der Bürgermeister" gegründet wurde. In diesem Jahr wurden auch die Grundlagen für die erst Partnerschaft gelegt.

Schuman-Plan geht in die Geschichte ein

Die Vertragsunterzeichnung fand allerdings erst Jahre später statt. Im französischen Gremium gab es offenbar noch Widerstände. Der Gründer dieser Partnerschaft war ein französischer Widerstandskämpfer, der das KZ überlebt habe. Viele, die im Dritten Reich sehr gelitten haben, hätten sich damals besonders stark für die Versöhnung stark gemacht. Auch weil sie gemerkt hätten, dass nicht jeder Deutsche automatisch ein Nazi sei.

Entscheidend in der Historie sei die Rede des damaligen französischen Außenministers Robert Schuman am 9. Mai 1950 gewesen. Schuman habe klar zum Ausdruck gebracht, dass es zwischen Frankreich und Deutschland nie mehr Krieg geben dürfe. Der Schuman-Plan und die darin geforderte Zusammenlegung der deutschen und französischen Stahl-und Kohleproduktion ging in die Geschichte ein und verhinderte schon materiell und logistisch die Vorbereitung weiterer Kriege zwischen beiden Ländern. Italien und die Beneluxstaaten folgten dem Beispiel und schlossen sich an.

Heute gibt es 2.400 Städtepartnerschaften

De Gaulle habe sich immer für ein Europa der Nationen – aber nicht für die Supernationalität der europäischen Organisationen – stark gemacht. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt habe er Konrad Adenauer eingeladen, um die Beziehungen zu Deutschland zu vertiefen. Adenauers Misstrauen gegenüber De Gaulle hatte sich nach diesem Treffen gelöst. In Reims wurde der Freundschaftsvertrag im Juli 1962 dokumentiert. De Gaulle habe die deutschen Herzen bei seinem Deutschlandbesuch im September gewonnen, indem er deutsch gesprochen und mehrfach das "große deutsche Volk" erwähnt habe. Im Januar 1963 folgte der deutsch-französische Vertrag, der eine permanente Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen geregelt habe.

Ménudier erinnerte abschließend daran, dass es im Jahr 1962 insgesamt 120 Städtepartnerschaften gegeben hatte, heute sind es 2.400. Sie sorgten dafür, dass Menschen sich besser kennenlernen und verstehen. Zudem seien sie längst zu einem "Motor der deutsch-französischen Beziehungen" geworden. Mehr denn je brauche es heute aufgrund der ganzen Herausforderungen auch die enge deutsch-französische Zusammenarbeit.