Für die Verwaltung im Freudenstädter Rathaus ein vorbildlicher Schritt, für manchen Stadtrat aber sehr bedenklich: Am Beitritt zum Freudenstädter Handels- und Gewerbeverein schieden sich bei der jüngsten Gemeinderatssitzung die Geister. Foto: Archiv

Einzelhandel soll aktiv mitgestaltet werden. Beitritt löst heftige Debatte im Gemeinderat aus. 

Freudenstadt - Es war nur eine kleine Notiz am Ende der Tagesordnung: Die Stadt wollte Mitglied im Handels- und Gewerbeverein Freudenstadt werden. Doch bevor der Beschluss gefällt wurde, sorgte der Antrag im Gemeinderat für die Debatte des Abends und einen spürbar irritierten Oberbürgermeister. Wirtschaftsförderer Ralf Heinzelmann hatte die Idee zum Beitritt vorgebracht, damit die Verwaltung künftig als vollwertiges Mitglied direkt an den Entscheidungen teilhaben kann. Bislang wurde die Stadt Freudenstadt im HGV zwar wie ein Mitglied behandelt, faktisch hatte sie jedoch keinen Anspruch, sich direkt einzubringen. Der Ausschuss für Verwaltung, Tourismus und Soziales hatte bereits sein Plazet gegeben, nachdem das Amtsgericht eine solche Verbindung für unbedenklich erklärt hatte.

In Nachforschungen hatte sich überdies herausgestellt, dass eine HGV-Mitgliedschaft der Stadtverwaltung in verschiedenen Kommunen praktiziert wird. Auch in Freudenstadt könnten Entwicklungen laut Heinzelmann und OB Julian Osswald so intensiver begleitet und die Landschaft des Einzelhandels aktiv mitgestaltet werden. Zudem begrüßt die Verwaltung die standortsichernde Arbeit des HGV, die im Einklang mit den Bemühungen der Wirtschaftsförderung steht, und sah eine Mitgliedschaft als vorbildliches Signal.

Im Gremium jedoch wurde das Zeichen anders interpretiert. Walter Trefz (Bürgeraktion) formulierte seine Bedenken als Erster und ging für seine Argumentation zurück in die Zeiten der französischen Revolution. Aus dieser sei die Etablierung der Gewaltenteilung und des Gleichheitsgrundsatzes hervorgegangen, und jene sah Trefz in Gefahr. Wenn man einem Verein beitrete, sollte man dies auch bei anderen tun. Wo sich in der Mitgestaltung der innerstädtischen Handelsstruktur ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung ergibt, vermochte Oberbürgermeister Julian Osswald jedoch nicht nachzuvollziehen: "Ich weiß nicht, welche Gewalt der HGV ausübt." Und in der städtischen Vereinslandschaft nehme der HGV eine Sonderstellung ein, da es viele Berührungspunkte zwischen Wirtschaft, Tourismus und Einzelhandel gebe. "Mit einer Mitgliedschaft wäre für uns eine ganz andere Einbindung möglich."

Trefz’ Fraktionskollegin Elisabeth Gebele teilte jedoch dessen Bedenken: "Ich möchte als Stadträtin einen ungefilterten Zugang zum HGV." Wenn man den Kontakt intensivieren wolle, so Gebele, sei ein Kooperationsvertrag sinnvoll. "Dann wären wir Partner auf selber Augenhöhe." Auch andere Räte gingen zunächst vorsichtig mit dem Vorschlag um. Eberhard Haug (SPD) bat Oberbürgermeister Julian Osswald zu schildern, was denn im Falle eines Interessenskonflikts zwischen HGV und Stadt geschehen würde. Auch im HGV werde stets in Abstimmungsverfahren entschieden, bei denen die Stadt ihre Position vertreten würde, erklärte Osswald. "Da sehe ich kein Problem."

Elmar Haug (SPD) versuchte sich in Mediation und bat, das Thema nochmals in den Ausschuss zu nehmen: "Ich bin sicher, wir finden eine gute Lösung." Doch Osswald wollte keine weitere Beratungen, die in seinen Augen nur ein unglückliches Bild vor HGV und Öffentlichkeit abgeben würden. Er wollte eine Entscheidung. Als jedoch Martin Franz (Bürgeraktion) ankündigte, seine Vereine dann für eine Mitgliedschaftsforderung zu mobilisieren und es als "Armutszeugnis" bezeichnete, wenn eine Kommunikation mit dem HGV nur über eine Mitgliedschaft der Stadt gesichert werden könnte, klappte Osswald entnervt seine Unterlagenmappe zu: "Ich ziehe den Antrag zurück." Dem stellten sich jedoch die Freien Wähler und die CDU in den Weg. Wolfgang Tzschupke und Andreas Bombel stellten den Antrag auf Abstimmung. In einem Kurzplädoyer sprach sich Bombel (CDU) für eine Mitgliedschaft aus: "Die Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen, durch eine solche Einbindung entstehen Ideen." Schützendeckung erhielt er von Friedrich Volpp (FWV), der die Debatte als "blamabel" beschrieb und darauf hinwies, dass die Verwaltung diese Entscheidung rechtlich sogar im Alleingang hätte treffen können. "Ich lass’ mich doch nicht hinterher dafür abwatschen", erwiderte Julian Osswald mit einer vielsagenden Geste ins Gremium. Kerstin Forster (FWV) gab schließlich ein klärendes Wort in Sachen Gewaltenteilung und Gleichstellungsgrundsatz, die in der vorliegenden Situation fehlinterpretiert seien. "Die Bürgeraktion sollte sich auch gut überlegen, welches Zeichen wir an den HGV geben", schloss Forster. Dieses Zeichen war schließlich doch noch positiv. Zwar musste nach der heftigen Debatte erst abgestimmt werden, ob denn nun abgestimmt werden sollte. Zu guter Letzt wurde die Mitgliedschaft der Stadt im HVG jedoch mehrheitlich beschlossen.