Christine Fischer mit Erinnerungen an die Freundin aus der Partnerstadt. Foto: Kuhnert Foto: Schwarzwälder-Bote

Deutsch-französische Freundschaft: Christine Fischer und Annie Vauzelle sind Freundinnen seit fast 50 Jahren

Von Hannes Kuhnert Freudenstadt. Das Wochenende in Freudenstadt steht im Zeichen des Partnerschaftsjubiläums "50 Jahre Freudenstadt-Courbevoie". Christine Fischer aus Freudenstadt und Annie Vauzelle aus Courbevoie haben diese Städtepartnerschaft ohne große Worte mit Leben erfüllt. Mit einer Freundschaft über fast 50 Jahre.Annie Vauzelle wird über das Jubiläums-Wochenende in Freudenstadt sein und für fünf Tage bei Familie Fischer wohnen, wie schon so oft in früheren Jahren. Beide waren noch Teenager, gerade mal 15, 16 Jahre alt, als alles begann. Christine Fischer, geborene Rave, aus Freudenstadt und Annie Boutet aus Courbevoie wurden mehr oder weniger zufällig zueinander gelost.

Christine Rave gehörte zu den ersten Schülergenerationen, die Ende der 50er-Jahre den Schüleraustausch zwischen Courbevoie und Freudenstadt mitmachen durften. Bei ihrem zweiten Frankreichbesuch, 1962, traf sie auf Annie Boutet. Damit wurde eine Freundschaft zwischen zwei Mädchen begründet, die halten sollte bis heute, da beide Frauen längst Mütter und drei- beziehungsweise zweifache Großmütter sind.

Christine Rave hatte Glück. Sie besuchte die letzte Klasse des Kepler-Gymnasiums, in der Französisch noch die erste Fremdsprache war, das erleichtert die Unterhaltung mit ihrer Freundin sehr, die ihrerseits recht gut Deutsch spricht. Christine Raves Französisch-Lehrer war damals Karl-Heinz Joggerst, der später viele Jahre lang als Dolmetscher bei offiziellen Besuchen der Partnerstädte fungierte.

Die Fahrten der Austausch-Schüler mit einem vorsintflutlichen Bus waren spannend. In den ersten Jahren fuhren zwar Mädchen und Jungs gemeinsam, hatten aber strikt getrennte Programme. Strikt getrennt? Naja. Christine Fischer: "Einmal trafen wir zwei Jungen in Courbevoie, die wollten mit uns ins Kino. Annie sagte zu mir: ›Das geht nur, wenn Du meine Mutter fragst‹." Christine erinnert sich: "Dann habe ich auf dem ganzen Heimweg den entscheidenden Satz auf Französisch mit allen nur denkbaren Möglichkeitsformen auswendig einstudiert. Und wir durften tatsächlich ins Kino. Es war ein Zorro-Film." Den Satz kann Christine Fischer übrigens noch heute fließend. Tatsächlich mit allen Konjunktiven.

Alte Schwarz-Weiß-Fotos, die Christine Fischer Jahr für Jahr sorgsam in ein Album klebte, zeigen die jungen Damen bei Empfängen und Ausflügen in Frankreich. Christine Rave lachend im Petticoat und mit Pferdeschwanz. Obwohl der Austausch nicht ganz einfach begann. Beim ersten Gegenbesuch von Annie Boutet lag Christine Rave im Krankenhaus. Ihre Schulfreundin Ingrid Faller kümmerte sich liebevoll um die junge Französin.

Im Laufe der Jahre sahen und unternahmen die Schülerinnen bei Austauschen in Courbevoie und in Freudenstadt viel: die Schlösser der Loire, Versailles, die Sehenswürdigkeiten und Kaufhäuser in Paris, den Atem einer Weltstadt. Aber auch die Burg Hohenzollern, die Sankenbacher Wasserfälle, die Vogtsbauernhöfe, die großen Tannen, den Friedrichsturm im Schwarzwald und – unvergesslich – die Eichhörnchen im Teuchelwald. Christine Fischer erinnert sich, von ihrem bei der Freudenstädter Firma Pino am Fließband verdienten Taschengeld in einem Pariser Kaufhaus ein Paar Schuhe gekauft zu haben. Schuhe aus Paris, das machte in Freudenstadt aber mal was her. Und sie reiste in einem Sommer mit ihrer Gastgeberfamilie zu deren Feriendomizil an den Atlantik und sprach die gesamten Ferien nur Französisch: "Da habe ich am meisten gelernt."

Die Freundschaft wurde auch gepflegt, als die Frauen heirateten und Kinder bekamen: Zwei Jungen Christine Fischer, zwei Mädchen Annie Vauzelle. Längst war die deutsch-französische Freundschaft auf die Familie übergegangen.

Auch Fischers jüngere Schwester Monika und Vauzelles Schwester Jaqueline hatten sich angefreundet und besuchten sich gegenseitig. Im Laufe der Jahre wurden die Kontakte zwar seltener – beide Frauen war in ihren Familien und Berufen stark eingespannt – gingen aber stets über die Glückwunsch-Karten zum Geburtstag und zu Weihnachten hinaus. Die Freundinnen telefonieren immer wieder, Christine Fischer schreibt tapfer Briefe auf Französisch, Annie Vauzelle, von Beruf Lehrerin, antwortet brav in Französisch mit deutschen Redewendungen. "Wir ergänzen uns einfach", so die Freudenstädterin, Inhaberin des Beerdigungs-Instituts Gebrüder Fischer.

Bei den Partnerschaftsjubiläen 1986 und 1991 feierten beide Frauen kräftig mit – und so soll es an diesem Wochenende wieder sein. "Ich freue mich besonders, dass Annie spontan zugesagt hat, mit mir an diesem Jubiläum teilzunehmen. Ich freue mich einfach darauf, meine Freundin aus Schülerinnentagen wieder zu treffen. Denn immer, wenn wir uns wiedersehen, ist es grad’ so, als wären wir eben erst auseinander gegangen."