Der Nationalpark in neuester Version: Die Gebietsgrenzen wurden nur wenig verändert. Die gesamte Fläche liegt nun bei 10 062 Hektar. Foto: Ministerium

Finanzierung des Nationalparks Nordschwarzwald steht. Opposition übt weiter Kritik. Ende Oktober berät der Landtag.

Freudenstadt/Stuttgart - Er redet lieber staatsmännisch über große, bedeutende Ziele als über die kleinen, oft kniffligen Details: Dieser Angewohnheit blieb Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auch gestern treu, als er den vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf für den geplanten Nationalpark Schwarzwald präsentierte.

»Mit dem Nationalpark stelle sich auch Baden-Württemberg als waldreiches Flächenland seiner Verantwortung und Verpflichtung, dem Artensterben entgegenzuwirken«, sagte Kretschmann nach der Sitzung des Ministerrats. Der Park bilde die Grundlage für den Schutz und die Erhaltung vieler Tier- und Pflanzenarten – vornehmlich solcher, die ungestörten, natürlichen Lebensraum benötigen. Kretschmann lobte gestern in Stuttgart auch die Bürgereinbindung beim Nationalparkprojekt: Der vorliegende Gesetzestext sei das Ergebnis eines mehr als zweijährigen Beteiligungsprozesses und trage »die Handschrift aller, die sich konstruktiv auf verschiedenem Wege eingebracht haben«.
Bonde: »Kein Argument, das wir nicht gehört haben«

Zuvor hatte Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) den überarbeiteten Gesetzentwurf für den Nationalpark dem Kabinett vorgestellt. Darin berücksichtigt sind jetzt Anregungen von Kommunen, Verbänden und Bürgern, die während der Anhörungsphase eingegangen sind. »Es gibt kein Argument in der Debatte rund um den Nationalpark Schwarzwald, das wir nicht gehört und abgewogen haben«, versicherte Bonde.

Änderungen seien vor allem bei der Gebietsabgrenzung, dem Betretungsrecht und bei der Regelung zur Besetzung des Nationalparkrats vorgenommen worden. So sei die Gebietskulisse in enger Abstimmung mit den betroffenen Kommunen an einigen Stellen so arrondiert worden, dass die gemeindlichen Interessen stärker berücksichtigt werden. Außerdem habe man die Kulisse des Nationalparks an einigen Stellen weiter in die weniger holzertragreichen Höhenlagen über 800 Meter verschoben. Damit will Bonde Bedenken der Holz- und Sägeindustrie entgegenkommen, die durch die Ausweisung des Schutzgebiets Holzeinbußen und Arbeitsplatzverluste befürchten und von der Landesregierung schriftlich fixierte Lieferzusagen für betroffene Sägewerke einfordert.

Ausgeweitet wurde das im ursprünglichen Entwurf vorgesehene Betretungsrecht für jedermann. Jetzt sollen anerkannte Naturschutzvereinigungen auch ohne Genehmigung der Nationalparkverwaltung organisierte Führungen und Wanderungen im Parkgebiet anbieten können.

Änderungen gab es auch bei der Besetzung des Nationalparkrats: In ihm sollen nicht nur Vertreter des Landes sowie der Kommunen und Landkreise mit Fläche im Nationalparkgebiet sitzen. Mit einer Öffnungsklausel nimmt Bonde Gemeinden ins Boot, die keine Fläche in der Parkkulisse haben, auf deren Gemarkung aber Einrichtungen stehen, die vom Park betrieben werden. Das könnte etwa für Freudenstadt interessant werden. Die Kurstadt hat keine Nationalparkflächen, will sich aber über ein Wildtierreservat andocken.

Einigkeit herrscht über die Finanzierung: 2014 wird Bondes Ministerium 3,3 Millionen Euro in den Nationalpark einbringen. Weitere 3,9 Millionen Euro sollen bei Zustimmung des Landtags über einen Nachtragshaushalt finanziert werden. Durch Aufstockungsmittel für den Naturschutz soll der Park ab 2015 dauerfinanziert werden. Die neuen Stellen für den Nationalpark werden in einem Drei-Stufen-Plan geschaffen. 2014 könnten 31,5 Neustellen besetzt werden, 2015 weitere 15 Stellen und 2016 nochmals elf Stellen. Insgesamt soll die Nationalparkverwaltung 89 Stellen umfassen.

Hier warnten gestern vor allem die Naturschützer vor übertriebener Sparsamkeit: Ein Nationalpark könne für Natur und Bevölkerung nur gut funktionieren, wenn er angemessen finanziell und personell ausgestattet werde, betonte Diana Pretzell, Leiterin Naturschutz Deutschland beim WWF. Der BUND warnte vor einem »Nationalpark auf Sparflamme«: Touristische Vorhaben im Nationalpark müssten aus dem Tourismustopf bezahlt werden, es könne nicht sein, dass das Geld aus dem ohnehin knappen Naturschutzhaushalt des Landes in den Ausbau von Infrastruktur fließe, warnte BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbender. Der NABU im Südwesten begrüßt hingegen den verabschiedeten Gesetzestext trotz mancher Abstriche: »Das Tor zum Nationalpark steht damit weit offen – das ist eine gute Nachricht für Sperlingskauz, Dreizehenspecht und Co.«, sagte NABU-Landeschef Andre Baumann. Die Landesregierung sei mit dem überarbeiteten Regelwerk sowohl den Kritikern vor Ort als auch der Opposition weit entgegen gekommen.

Das sehen die Gegner anders: Der Gesetzentwurf zeige, dass die Landesregierung ihrem Motto »täuschen, ignorieren und diktieren« treu geblieben sei, kommentiert Andreas Fischer vom Verein »Unser Nordschwarzwald« die Kabinettsentscheidung. Sein Verein werde aktiv bleiben: »An unserer Position hat sich nichts geändert, wir lehnen diesen Park ab.«

Kritische Worte auch von der Opposition: »Die Landesregierung beachtet die Bürgermeinung nur am Rande. Hierbei von einer breiten Bürgerbeteiligung zu sprechen ist eine Farce«, schimpfte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Peter Hauk.

FDP-Fraktionschef Hans Ulrich Rülke wetterte: »Die grün-rote Landesregierung versucht mit ihrem Kabinettsbeschluss zum Nationalpark ein reines Ideologieprojekt festzuzurren – gegen den Bürgerwillen vor Ort, gegen den Sachverstand vieler Experten und auf Kosten des Landeshaushalts.«

Am 23. Oktober soll nun der Landtag erstmals über den Nationalpark beraten. Dass er dem Parkgesetz und dem erforderlichen Nachtragshaushalt zur Anschubfinanzierung zustimmt, gilt angesichts der grün-roten Mehrheit als sicher.