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Bundestrainer reckt WM-Pokal in die Höhe. Südbadener bedankt sich für  Rückhalt und nimmt sich Zeit für Fans.

Freiburg - So viel Rummel haben zuletzt nur der Papst und der Dalai Lama bei ihren Besuchen in Freiburg verursacht: Der städtische Empfang zu Ehren von Weltmeister-Trainer Joachim Löw geriet gestern auf dem Freiburger Rathausplatz zur riesigen Fan-Party. Bilder wie auf der Fanmeile in Berlin seien das, sagt Löw sichtlich gerührt, als er gegen 18 Uhr auf dem Balkon des Rathauses vor die Fans trat: "Ihr steht ja bis hinter zum Kaufhof."

Die Fans empfangen den 54-jährigen mit der leicht abgewandelten Fußballer-Hymne "Jogi is Coming Home" der Band "Lightning Seeds". Zuvor hat der Trainer der deutschen Fußballnationalelf sich ins Goldene Buch der Stadt Freiburg eingetragen. Das Interesse an dem Empfang ist so groß, dass die Stadtverwaltung noch am Montag per Rundmail Ortsvorsteher und andere regionale Politpromis teilweise wieder ausladen musste. Der Platz im Rathaus neben den angemeldeten Pressevertretern hätte einfach nicht für alle gereicht.

Aber auch auf dem Rathausplatz herrscht, was die Freiburger gern eine "Druggede" nennen: Der Platz ist schon Stunden vor Löws Auftritt gut gefüllt. "Wir warten hier seit heute Nachmittag um drei", sagte Hans Faißt (77) aus Schramberg im Kreis Rottweil. Er und seine Frau machen in Freiburg gestern auf einer Urlaubsfahrt Halt. Und da wollen sie sich den Empfang für Joachim Löw nicht entgehen lassen.

"Aber der Sieg in Brasilien war am schönsten", urteilen Fans

Faißt und seine Frau Anita haben alle vier deutschen WM-Titel seit 1954 erlebt: "Aber der Sieg in Brasilien war am schönsten", findet Anita Faißt. Das späte Tor durch Mario Götze in der Verlängerung sei das Salz in der Suppe für sie gewesen – ihr Mann findet, dass der WM-Triumph von 1972 das schönste Fußball-Erlebnis für ihn gewesen sei.

Wie die Faißts haben sich viele Menschen aus dem Südwesten gestern nach Freiburg aufgemacht, um "ihren Jogi" zu erleben und zu feiern. Auch Josef Kirn (59) aus Oberkirch in der Ortenau ist einer von Tausenden Fans auf dem Freiburger Rathausplatz. Der Titel sei "ein kleines Wunder" für ihn gewesen, so Kirn. Angesichts der Verletztenliste vor der WM sei damit nicht zu rechnen gewesen: "Das konnte man nicht erhoffen!" Thorsten Burger aus Merzhausen bei Freiburg sieht das indes anders: Der junge Mann, der sich einen vierten Stern an sein Drei-Sterne-DFB-Trikot geheftet hat, findet, dass der WM-Gewinn so etwas wie die logische Folge aus der erfolgreichen Arbeit der Nationalelf in den vergangenen Jahren gewesen ist. Wir haben "jedes Spiel angeschaut", sagt Burger, der mit seiner Mutter Elvira zum Feiern nach Freiburg gekommen ist.

Während sich draußen die Fans mit Musik aus der Konserve und bei der Gesangseinlage "Fußball ist unser Leben" des MGV Eintracht Malterdingen ("Hier zu singen ist eine große Ehre für uns", so Sänger Karlheinz Glur) die Zeit verkürzen, warten im Historischen Ratssaal der Stadt Freiburg neben Fotografen und Kameraleuten auch einige Politiker und prominente Freiburger auf den Bundestrainer. Einer von ihnen ist Wolfgang Jäger. Der Ehrenbürger der Stadt und ehemalige Rektor der Uni Freiburg hat die WM zum Teil im Urlaub in Portugal erlebt. Fair seien sie gewesen, die Portugiesen, nach der Auftaktniederlage gegen Deutschland, die den Ausgangspunkt zum WM-Gewinn darstellte. Löw, das sei für ihn ein "typischer Schwarzwälder: zurückhaltend und erfolgsorientiert", meint Jäger. "Ein Weltmarktführer in Sachen Fußball." Und der Markgräfler Landtagsabgeordnete Christoph Bayer (SPD) berichtet, dass er bei jedem Spiel der deutschen Mannschaft im Fan-T-Shirt mitgefiebert habe. Man spürt es gestern noch deutlich: Der WM-Titel bedeutet den Menschen hier in Freiburg auch rund zwei Monate nach Rio eine Menge.

Er fühlt sich "wahnsinnig wohl": "Ich bin einer von euch und einer von hier!"

Kein Wunder, schließlich ist Joachim Löw mit Freiburg eng verbunden: Der gebürtige Schönauer, der in Wittnau im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald bei Freiburg lebt, sagt es kurz und treffend: "Ich bin einer von euch und einer von hier!" In und um Freiburg fühle er sich "wahnsinnig wohl", hier habe er auch in schwierigen Zeiten immer den nötigen Rückhalt gespürt. "Hier kann ich der sein, der ich bin", sagt Löw. 2016, also nach der EM, wolle er gern wieder zum Feiern hier sein.

Doch Löw lebt nicht nur in der Nähe von Freiburg, er ist auch Ehrenspielführer des SC Freiburg. Als Zweitligaspieler hat er für den Verein zwischen 1978 und 1989 in 178 Spielen insgesamt 56 Treffer erzielt. Bis heute ist er damit Rekordtorschütze in der 110-jährigen Vereinsgeschichte ("Mein Herz schlägt für den SC").

SC-Präsident Fritz Keller findet gestern denn auch in der Art und Weise, wie Löw mit der deutschen Mannschaft in Brasilien erfolgreich war, viel von der Spiel- und Spielerkultur des Freiburger Erstligaclubs wieder: "Das waren südbadische und SC-Tugenden, vielen Dank dafür", betont Keller. Unsterblich habe Löw sich mit dem Titel gemacht, findet Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne). Der Empfang solle keine Ehrung sein, denn Ehrungen seien nicht Löws Sache, berichtet Salomon weiter. "Aber die Freiburger wollten dir danke sagen." Nur deshalb habe Löw im Gespräch mit Salomon der großen Feier von gestern überhaupt zugestimmt.

In Wittnau, dem Wohnort Löws wenige Kilometer vor den Toren der Stadt, hätte man solch eine Party nicht stemmen können, betont Wittnaus Bürgermeister Enrico Penthin. Die 1400-Seelen-Gemeinde, in der Löw ungestört beim Italiener sitzen kann, wäre aus allen Nähten geplatzt: "Das sind hier ja viel mehr Leute als wir Einwohner haben", sagt Penthin.

Löw bleibt den Freiburgern gestern nichts schuldig: Der Weltmeistermacher bringt sogar den WM-Pokal mit in den Schwarzwald. "Normalerweise sieht der DFB so etwas nicht gern", gibt er zu. Aber für Freiburg habe DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ein Auge zugedrückt. Salomon darf den Pokal sogar kurz in die Hand nehmen. Unter den wachsamen Blicken zweier Sicherheitsleute, die "das Ding" keinen Moment aus den Augen ließen, als der Bundestrainer die Trophäe den jubelnden Fans vom Rathausbalkon aus präsentiert. "Das war eine super Überraschung". freute sich der Freiburger Fußballfan André Weissberger hinterher auf dem Rathausplatz, wo Joachim Löw sich gegen 20 Uhr zur spontanen Autogrammstunde einfindet, über diesen Moment. "Vom Trainer hab’ ich nur die Haarspitzen gesehen, aber den Pokal hab’ ich gut sehen können!"