Nicht jedem fällt Fleischverzicht leicht. Foto: imago/

Manche sind Vegetarier aus Überzeugung, andere verzichten nur ungern auf Fleisch. Sind Gene und der individuelle Geschmack dafür verantwortlich – oder doch eher Gewohnheiten? Antworten von Experten.

Eine vorwiegend pflanzliche Ernährung ist gut für das Klima und die Gesundheit. Doch kein Fleisch oder deutlich weniger Fleisch zu essen, fällt nur wenigen leicht. Warum ist das so?

 

„Jeder hat individuelle Geschmacksvorlieben. Der eine mag es lieber salzig, der andere lieber süß“, erklärt der Geschmacksforscher Maik Behrens, der am Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München forscht. Die Geschmacksknospen auf der Zunge unterziehen Lebensmittel einer blitzschnellen chemischen Analyse und erkennen, ob sie süß, sauer, salzig oder bitter schmecken.

Umami ist schon in der Muttermilch enthalten

Kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Kartoffeln oder Brot mögen zum Beispiel viele, weil der enthaltene Zucker durch das Kauen und den Speichel süß schmeckt und anzeigt, dass viel Energie enthalten ist. Hierauf reagiert das Belohnungssystem besonders positiv. Gegartes, getrocknetes oder gebratenes Fleisch hingegen schmeckt umami; neben salzig, süß, sauer und bitter ein fünfter Geschmack, den die Geschmacksknospen wahrnehmen können. Will man umami beschreiben, kann man den japanischen Namen übersetzen. Dieser bedeutet so viel wie schmackhaft oder vollmundig. Da bereits Muttermilch umami schmeckt, werden Menschen schon früh auf diesen positiv besetzten Geschmack getrimmt.

Einige Gemüsesorten hingegen schmecken leicht bitter – „eine Geschmacksrichtung, die nicht jeder mag“, sagt Behrens. Besonders viele Bitterstoffe enthalten Kohlsorten sowie Spinat, Mangold, Artischocken oder Oliven. Hilfreich sei deshalb, Kinder schon früh Lebensmittel mit Bitterstoffen anzubieten, damit diese sich später mit einer vielfältigen, pflanzlichen Ernährung leichter tun, rät Behrens.

Prägend sind die ersten drei Lebensjahre

Doch nicht nur das individuelle Geschmacksprofil zählt. Wie leicht der Umstieg auf pflanzliche Ernährung fällt, sei auch abhängig von der Familie, den Freunden und dem gesellschaftlichen Umfeld. „Ist jemand mit täglichen Fleischgerichten aufgewachsen und wird Fleisch eine hohe Wertigkeit zugewiesen, fällt der Fleischverzicht vermutlich schwerer“, erklärt Ulrike Gisch, Professorin für Ernährungspsychologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Besonders prägend seien die ersten drei Lebensjahre: „Mit welchen Geschmäckern wir durch die Mutter im Mutterleib oder als Kleinkind in Kontakt kommen, beeinflusst unsere späteren Vorlieben.“

Die Ernährungspsychologin Ulrike Gisch erforscht, warum es manchen Menschen leichter fällt, sich nachhaltig zu ernähren. Foto: Justus-Liebig-Universität Gießen/Rolf K. Wegst

Was laut Gisch noch zähle, seien Wissen und Motivation: „Wem das Tierwohl und der Klimaschutz wichtig sind, der kann Fleischkonsum schlechter mit seinem Gewissen vereinbaren.“ Sie rät deshalb, sich mit der Frage zu beschäftigen, woher das Fleisch kommt – und sich darüber zu informieren, was der Konsum für das Klima und das Tierwohl bedeutet.

Bestimmen Gene, wie Fleisch uns schmeckt?

Dass Fleischvorliebe auch genetisch bedingt sein könnte, zeigt eine neue Studie aus den USA. Forschende der Northwestern University in Chicago konnten kürzlich eine Gruppe aus 34 Genen ausmachen, bei denen es einen Zusammenhang damit geben könnte, ob es einer Person leichter oder schwerer fällt, sich vegetarisch zu ernähren. Die identifizierten Gene beeinflussen unter anderem, wie viel Energie der Körper aus Fleisch oder pflanzlichen Lebensmitteln gewinnen kann – und wie Fleisch oder vegetarische Gerichte einer Person schmecken.

„Meine Vermutung ist, dass Fleisch möglicherweise Lipidbestandteile enthält, die manche Menschen benötigen“, erläutert der Forschungsgruppenleiter Nabeel Yaseen in einer Mitteilung seiner Universität. „Vielleicht sind Menschen, deren Genetik Vegetarismus begünstigt, in der Lage, diese Komponenten im Körper selbst herzustellen.“ Ausreichend belegt werden konnte dies allerdings noch nicht. Grundsätzlich kann sich also jeder pflanzlich ernähren – wenn er oder sie will. Damit das pflanzliche Gericht auch ohne besondere Kochkenntnisse möglichst gut schmeckt, rät die Ernährungspsychologin Gisch dazu, Kochvideos anzuschauen und Rezepte von Blogs oder aus Kochbüchern zu verwenden.

Nicht nur Fleisch schmeckt umami

„Und gut riechen sollte es auch“, sagt der Geschmacksforscher Behrens. Denn der Geruchssinn spiele neben dem Geschmackssinn eine zentrale Rolle dabei, wie wir Nahrungsmittel bewerten. Um als Vegetarier nicht auf den beliebten Umami-Geschmack verzichten zu müssen, kann man zu veganen und vegetarischen Alternativen greifen, die umami schmecken, etwa Oliven, Hefeflocken, fermentierte Lebensmittel, Pilze, Tomate, Algen, Sojasoße, Nüsse oder würzigen Käsesorte.

Fleischverzicht
 Neun Prozent der Menschen in Deutschland ernähren sich laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa mittlerweile vegetarisch, drei Prozent vegan. 41 Prozent der Befragten bezeichneten sich laut Umfrageergebnissen als Flexitarier, essen also nur gelegentlich Fleisch.

Geschlechterfrage
 Mit zwölf Prozent ist der Anteil der Frauen, die sich vegetarisch ernähren, doppelt so hoch wie bei den Männern. Deutlich überproportional ist auch der Anteil unter den jüngeren Befragten. 15 Prozent der unter 30-Jährigen sind Vegetarier. Bei den Ü-60-Jährigen waren es nur sechs Prozent.

Motivation
 Umweltschutz, Tierwohl und die eigene Gesundheit seien die wichtigsten Gründe für pflanzliche Ernährung. 43 Prozent würden mehr pflanzliche Lebensmittel kaufen, wenn diese günstiger wären. Auch Zucker, Salz und Fette in manchen veganen Ersatzprodukten halten Verbraucher vom Kauf ab.