Nicht nur die Kernstadt, sondern auch alle Stadtteile sollen flächendeckend Glasfaser bekommen. Foto: Thomas Fritsch

Ein Unternehmen will das Netz im kompletten Stadtgebiet ausbauen. Allerdings müssen sich genügend Haushalte für einen Anschluss entscheiden. Wird diese Chance nicht genutzt, könnte es auf Jahre keine zweite geben, fürchtet die Stadtverwaltung.

Was gefühlt seit Jahren für jede Schwarzwaldgemeinde umgesetzt wird, rückt nun auch für Calw in greifbare Nähe: ein Ausbau des Glasfasernetzes. „Die einzige zukunftsfähige Internetlösung für Bürger aber auch Unternehmen“, unterstreicht Calws Oberbürgermeister Florian Kling.

Konkret steht das Vorhaben des Unternehmens Deutsche GigaNetz GmbH (DGN) im Raum. Die DGN plant, in Calw den Glasfaserausbau im gesamten Gemarkungsgebiet für noch nicht mit Glasfaser erschlossene Adresspunkte umzusetzen. „Ich bin überglücklich, dass wir nach drei Jahren Arbeit endlich den Calwer Bürgern ein Konzept für schnelles Internet anbieten können“, betont Oberbürgermeister Kling.

Was ist geplant?

Die Deutsche GigaNetz GmbH will ein etwa 225 Kilometer umfassendes Glasfasernetz errichten. Bis zu 6328 Adressen und damit 12 631 Privat- und Gewerbeeinheiten sollen so FTTH (engl.: fiber to the home, dt.: Glasfaser bis in die Wohnung) erhalten können. In dieses Vorhaben will die DGN rund 50 Millionen Euro investieren und damit auf eigene Kosten das Netz aufbauen. Eine Ausnahme stellt Holzbronn dar. Dort kümmert sich bereits die NetCom BW GmbH um einen Glasfaserausbau.

Was ist die Voraussetzung?

Damit sich das Ganze auch für die DGN lohnt, gibt es jedoch Voraussetzungen: Etwa 4400 Wohneinheiten, also rund 35 Prozent der Haushalte, müssen sich für einen Anschluss der DGN entscheiden.

Und wenn die Voraussetzungen nicht erreicht werden?

„Wir sind zuversichtlich, dass wir die 35-Prozent-Hürde nehmen“, meint Sebastian Bergmann, Manager Regionale Kooperationen bei der DGN, auf Anfrage. Dafür brauche das Unternehmen aber die Unterstützung der Bürger. „Wird die Quote verfehlt, wird zusammen mit der Kommune die Ausgangslage analysiert“, so Bergmann. Dann könne die Vermarktung im Gesamtgebiet verlängert werden. Oder ein Teilgebiet werde bereits bebaut, während für ein anderes die Vermarktung weiterlaufe. Klar sei aber: „Wir möchten keine Insellösungen schaffen“, bekräftigt Bergmann. Ziel sei ein flächendeckender Ausbau und keine Rosinenpickerei.

Wird wirklich jeder Haushalt erreicht?

Jeder Bürger im Ausbaugebiet solle die Möglichkeit erhalten, einen Vertrag zu schließen und somit einen FTTH-Anschluss zu bekommen, sagt Bergmann. Außenlagen könnten aber nur mit bedingter Ausbauzusage aufgenommen werden. Sollte es nicht eigenwirtschaftlich erschließbare Adresspunkte geben, werde die DGN sich für diese (im Falle eines Ausbaus in Calw) um Förderung bemühen.

Warum kümmert die Stadt sich nicht selbst um den Ausbau?

Oberbürgermeister Kling beziffert die Investitionskosten für einen Ausbau des gesamten Stadtgebiets mit etwa 60 Millionen Euro – inklusive Holzbronn. „Ohne Fördermittel oder einen privatwirtschaftlichen Ausbau wäre das für Calw utopisch und nicht selbst finanzierbar“, stellt er klar.

Und genau hier liegt eines der Probleme. Denn: „Derzeit ist die Stadt Calw förderrechtlich größtenteils noch zu gut ausgebaut, so dass wir keine Förderung für einen kommunalen Glasfaserausbau erhalten können.“ Würden Mittel fließen, müsste die Stadt nur zehn Prozent der Kosten tragen – andernfalls alles. Und: „Ohne den Ausbau der DGN wäre Calw noch auf Jahre nicht durch Fördermittel zuwendungsfähig und der Ausbau würde sich vermutlich in die 2030er-Jahre verschieben“, fürchtet Kling. Da Fördermittel zudem bereits jetzt knapp seien, stehe auch gar nicht fest, ob es im nächsten Jahrzehnt noch welche gebe.

Wenn die Stadt gut ausgebaut ist – warum sollte man sich für Glasfaser entscheiden?

Aktuell ist die Stadt nur aus Sicht der aktuellen Fördermittel-Grenzen, nicht jedoch aus technischer Sicht gut ausgebaut. Denn gegenwärtig sind große Teile des Stadtgebiets über Koaxkabel mit Internet versorgt. Diese gelten rechtlich derzeit noch als gigabitfähig, weil sie theoretisch Internetgeschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde bieten können. Bis vergangenes Jahr zählten auch noch DSL-Anschlüsse dazu. Diese Grenze legt der Gesetzgeber fest, um vor allem stark unterversorgte Gebiete stärker auszubauen und Fördermittel zu priorisieren.

Allerdings ist das Tempo dieser Technik nicht mit den technischen Möglichkeiten von Glasfaser vergleichbar – auch wenn grundsätzlich das Surfen damit derzeit für viele Fälle noch möglich ist. Bei Koax hängt die Geschwindigkeit von den Mitnutzern in der Straße ab, da sich alle Nachbarn ein Kabel teilen müssen. Während mit Koaxkabeln momentan die Grenze des Machbaren bei 0,5 bis einem Gigabit schon voll ausgereizt ist und die Qualität abhängig von den Mitnutzern stark schwankt, ist bei Glasfaser technisch mindestens das 100-fache möglich – für jeden einzelnen Haushalt.

„Ich würde mich daher freuen, wenn von allen Bürgern der Bedarf nach Glasfaser erkannt wird, und wir uns gemeinsam auf den Weg in die Gigabit-Welt machen“, sagt Oberbürgermeister Kling. Der Glasfaserausbau sei nicht zuletzt ein extrem wichtiger Standortfaktor und die Kooperation mit der DGN biete „eine kostengünstige Möglichkeit für Eigentümer, die digitale Infrastruktur aufzuwerten“. Die Stadt werde daher auch für diesen Ausbau werben, Veranstaltungen organisieren und Eigentümer anschreiben.

Der Zeitplan

Nachdem nun der Gemeinderatsbeschluss für die Kooperation fiel, soll die große Marketingkampagne – wenn alles glatt geht – von Juli bis Oktober laufen. Der Ausbau selbst ist Stand jetzt vom ersten Quartal 2024 bis zum dritten Quartal 2025 geplant.