Emine Sert erzählt von ihren Erlebnissen – vor Ort im Marienheim und im Film. Foto: Susanne Conzelmann

Ein eindrucksvolles Projekt haben die Caritas Schwarzwald-Alb-Donau und die Diakonische Bezirksstelle Balingen auf die Beine gestellt. Kurzporträts Geflüchteter sind seit einiger Zeit im Internet kostenfrei abrufbar.

Den Weg von der Idee bis zu den fertigen Filmen haben die Geflüchteten selbst im Marienheim vorgestellt. Kostenlos war die Herstellung der professionell gedrehten Filmclips indes nicht zustande gekommen: Nur dank Mitteln des Ministeriums für Soziales und Integration des Landes Baden-Württemberg waren die Filme möglich. Und natürlich auch dank viel Herzblut der Mitarbeiter, Anne Tulke und Elisa Alber von der Caritas sowie Margareta Theile von der Diakonie.

Ein Glücksgriff am Sucher

Nicht zu vergessen: Jeremy Ude, der Kameramann, den Tulke als „absoluten Glücksgriff“ bezeichnet. Ohne das Einverständnis der Protagonisten aber wäre das ganze Projekt gescheitert, so Theile am Präsentationsabend, an dem die meisten Akteure dabei waren. Nach Vorgesprächen, um für die Handelnden eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, drehte das Team alle Clips in deren vier Wänden, möglichst ohne Zeitdruck, und sichtete das Filmmaterial abschließend mit den Beteiligten – veröffentlicht wurde nur, was deren Zustimmung fand.

Die Sorge, dass die passenden Worte in der schweren Sprache Deutsch nicht kommen wollen, die Angst, bei Fluchtgeschichten die Tränen nicht zurückhalten zu können, die Fürsorge für die Angehörigen in der alten Heimat – all das war im Vorfeld besprochen worden. Sich dennoch auf das Projekt einzulassen, erforderte eine Menge Mut vor der Kamera und nötigte den Besuchern im Marienheim Respekt ab.

Alle absolvieren Deutschkurse

Die Angst, dass die Deutschkenntnisse nicht ausreichten, war unbegründet. Alle Protagonisten eint, dass sie sich gleich nach der Ankunft um Deutschkurse bemüht haben. Leider sind die Plätze rar, so dass zum Beispiel die Syrerin Shaza Alhmudi als Lernhilfe deutsche Filme nutzt. Für Ousman Drameh ist klar: „Wenn man in Deutschland leben will, muss man auch Deutsch lernen.“ Der junge Mann aus Gambia besucht den Sprachkurs weiter, obwohl ihn seine Ausbildung in einer Bäckerei aus lastet.

Falsche Vorstellungen, die Einheimische von Flüchtlingen hätten, bedauert Shara Alhmudi. „Wir leben in Syrien nicht in Zelten, wir arbeiten, die meisten in meiner Familie haben studiert. Wir sind nicht arm, aber wir suchen einen Platz zum Leben ohne Krieg!“

Auf die Ausbildung setzt er noch einen drauf

Aus politischen Gründen kam Emine Sert aus der Türkei. „Wir müssen hier im Leben sein“, wirbt sie für Integration und sie schätzt an Deutschland die große Toleranz. Das stellt auch Arsalan Falahi aus dem Iran heraus: „Ich kann in Deutschland alles sagen, was ich will“, und mit Galgenhumor fügt er lakonisch an: „Gut, das kann ich im Iran auch, aber dann verliere ich halt meinen Kopf oder muss ins Gefängnis.“

Arsalan Falahi und Ousman Drameh Foto: Conzelmann

Falahi hat eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer absolviert und setzt noch die Lehre als Gesundheits- und Krankenpfleger drauf. Um diese Chance beneidet ihn Tadsa Asaf Tegst aus Eritrea: „Ich möchte lernen – ich kann lernen! Ich möchte arbeiten – ich kann arbeiten! Aber ich darf nicht, wegen der Papiere! Das macht mich kaputt.“ Den Kampf mit der deutschen Bürokratie beklagen alle.

In der Dunkelheit fast erdrückt

„Hat das Drehen Spaß gemacht?“ will Tulke von den Migranten wissen. Zuerst nicht, räumt Elham Anjarini ein. Die junge Mutter aus Syrien berichtet im Film am ausführlichsten von der Fluchtroute und ist dabei sichtlich angefasst. Kein Wunder, erzählt sie doch von der gefährlichen Fahrt übers Mittelmeer. Das Boot sei für zehn Personen ausgelegt gewesen, 65 saßen drin, ihr Sohn sei in der Dunkelheit beinahe erdrückt worden.

Die Filme vor Ort und im Netz

Caritas und Diakonie
  planen, mit den Filmen an Schulen und in Kirchengemeinden zu gehen. Das Medium Film ermögliche, dass die Geschichten immer wieder erzählt werden könnten, auch die Reichweite über das Internet sprach für die Filme. „Jede Person, die nach Deutschland kommt, bringt einen individuellen Hintergrund mit und trägt dadurch zur Vielfalt unserer Gesellschaft bei“, sind sich die Kolleginnen der beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände sicher. Oder, wie Arsalan Falahi sagt: „Ich möchte, dass Migranten und Deutsche einander besser verstehen!“

Zu finden
 sind die filmischen Kurzporträts im Internet unter der Adresse https://www.diakonie-balingen.de/projekte-und-angebote/filmprojekt-der-vielfalt-eine-stimme-geben sowie über die Suchfunktion auf der Plattform Youtube mit den Stichworten „Vielfalt – Stimme – Portrait“.