Die Spitze eines Spitzenteams: Zunftschreiber Frank Huber (von links), stellvertretender Narrenmeister Georg Hauser, Narrenmeister Christoph Bechtold und Zunftsäckelmeister Stefan Roth Foto: Schnekenburger

Man hat es schon immer geahnt: einfach die Narrenzunft ’ranlassen. Dann brummt der Laden. Und Narrenmeister Christoph Bechtold lässt bei der Aussendung der Abstauber am Dreikönigstag keinen Zweifel daran, dass er eine Hochleistungstruppe hat.

Rottweil - Zwischen Altem Rathaus und Kirsnerschem Haus drängen sich die Menschen in freudiger Erwartung, im Café Schädle gibt es gestern Morgen kaum ein Durchkommen. Im Jahr Eins nach den coronabedingten Absagen solcher Veranstaltungen stehen die Zeichen auf Neustart – natürlich mit bewährten Kräften und der ganzen Power vieler Jahre Erfahrung. In diesem Jahr verstärkt der Booster "endlich wieder" den Faktor Vorfreude – wenn das in Rottweil überhaupt denkbar ist – und lässt besonders intensives Abstauben erwarten.

Ist auch nötig, kann sich Bechtold vorstellen, denn: "A wengle Angscht, des hon mir scho, mir hond Sorga,/miased mir abstauba bei de Bürgersleut’ bis übermorga?/Dia Kleidle sind wahrscheinlich a wenig ranzig,/as letzschte Mol in d’Schtadt wared manche in 2020,/staubig, und am End voller Spinna-Weba,/do bleibt dir dann da Abschtauber-Pinsel kleba.", wird der Narrenmeister seine Befürchtung in Reime schmieden. Oder kurz und auf Hochdeutsch: Bechtold räumt der Möglichkeit, dass die Rottweiler Bürger die Pflege ihrer Narrenkleider zu fasnetfreien Zeiten grob vernachlässigt haben, eine gewisse Wahrscheinlichkeit ein.

Ein eingespieltes Team

Auch wenn diese nicht allzu hoch sein dürfte, weiß er doch um die Qualitäten seines Teams, das nicht nur damit spielend fertig werden dürfte. Nachdem die Tagwachkapelle im "Schädle" auch musikalisch auf große Zeiten eingestimmt hat, betritt der Vorstand der Narrenzunft den Balkon des Kirsnerschen Hauses, und der Narrenmeister sagt etwas, das man sonst eher bei der Proklamation am Fasnetsonntag zu hören bekommt: Von "eine neue Obrigkeit" ist die Rede. Wie? Sollte die Zunft vor lauter Coronalücke heuer schon an Dreikönig das Regiment übernommen haben?

Der neue Rathauschef

Nein. Der Hinweis gilt dem neuen Rathauschef Christian Ruf. Als Bechtold nämlich zuletzt an dieser Stelle das Wort an die Bürger richtete – es war der 6. Januar 2020 – gab es noch einen anderen OB. Weshalb dieser, Ralf Broß, allerdings seinen Job "in unserem herrlichen Städtle mit seinen netten und weltoffenen Bürgern, seiner vielfältigen Gastronomie mit ihren freundlichen Wirtsleut’ und seinem ganz besonderen Einzelhandel aufgegeben" habe, um als "Ober-Lobbyist" zu wirken, war ihm ein Rätsel. Bis die Erleuchtung auch den Narrenmeister traf: "Zu allen Empfängen mit Häppchen und Weinchen eingeladen, immer in der ersten Reihe sitzen und vor allem andere schaffen lassen." Das war die Motivation. Weil der Job als Narrenmeister allerdings vergeben ist, sei Broß eben zum Städtetag gegangen: "Das kommt dem doch schon sehr nahe", findet Bechtold.

Zwischen Narrenmeister und Städtetag

Für die neue Obrigkeit hat er übrigens beste Empfehlungen, nachdem sich der erste Verdacht, Ruf habe in der ganzen Stadt jetzt Tempo 30 wegen Lärmschutz einführen lassen, "damit seine Mitarbeiter im Homeoffice genau so ruhig vor sich hin schlafen können wie im Rathaus und nicht womöglich von einem rasenden Bürger mit Tempo 52 zu früh vor Feierabend geweckt" würden, zerschlagen hatte. Für die Entschleunigung sorgte nämlich der Gemeinderat, der den Straßenverkehr "an seine Arbeits- und Denkgeschwindigkeit anpassen" wollte. Hätte schlimmer kommen können: "Liebe Leute, das war knapp, das hätte auch flächendeckend eine verkehrsberuhigte Zone werden können."

Personal-Rat Richtung Rathaus

Deshalb gibt es einen Personal-Rat an den neuen Chef im Rathaus. Wenn dieser vorwärtskommen und etwas bewegen wolle, solle er sich melden: "Dann stelle ich Dir die beste Mannschaft der ganzen Stadt zur Verfügung, nämlich meine!" Und tatsächlich finden sich in den Reihen der Zunft komplexe Kompetenzen und erstaunliche Koryphäen für jede erdenkliche Aufgabe in der Stadtverwaltung, wie Bechtold aufzählt. Mit seinem Vize an der Spitze des Kulturamts verspricht er sich zum "Sommersprossen"-Auftakt ein "Tote Hosen"-Konzert – und erntet dafür gestern großen Applaus, für die Finanzverwaltung wäre nach seinem Training in Zimmer Martin Weiss geeignet, Säckelmeister Stefan Roth ist dagegen mit der Kochclique für den Kampf gegen den Wirtshaus-Leerstand vorgesehen. Es gibt IT-Spezialisten "für die ganzen Einsen und Nullen im Rathaus", gleich zwei Fuhrpark-Manager, Erfahrung aus dem Einzelhandel, welche, die auch U16-Mitbürger verstehen, und, und, und.

Berufliche Aussichten

Auf drei Fachkräfte müsse Ruf freilich verzichten: Zunftschreiber Frank Huber schwebe eine Zukunft als Fußballtrainer für Teams vom Schlage Deutschland oder Brasilien vor, medizinisches Fachpersonal in Person von Wolfgang Göhler werde wegen Eigenbedarfs insbesondere in näherer Zukunft nicht abgegeben. Und der Narrenmeister? Der regiert weiterhin von Haus 1, der Heimstatt der Zunft am Schwarzen Tor, aus, "da es mir völlig egal ist, wer unter mir Ob ist."