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50,4, 51,8 und 53,6 – es ist eine unscheinbare ­Zahlenreihe, doch für die Einzelhändler in VS verheißt sie nichts Gutes. Die Sieben-Tage-Inzidenz im Schwarzwald-Baar-Kreis liegt drei Tage lang über 50 – damit tritt das ein, was viele schon befürchtet hatten.

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Villingen-Schwenningen - Noch bevor das Landesgesundheitsamt am Dienstagabend die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz melden kann, stellt das Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises es schon offiziell fest: Nach Sonntag und Montag liegt die Inzidenz im Kreis am Dienstag zum dritten Mal in Folge über dem kritischen Wert von 50. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen für das öffentliche Leben. Direkt betroffen sind die Einzelhändler der Doppelstadt, die ihre Leistungen ab Donnerstag unter dem Stichwort "Click and Meet" nur noch nach Terminvereinbarung anbieten dürfen. Die Ankündigung kommt wenig überraschend, zeichnete sich eine entsprechende Entwicklung doch schon in den vergangenen Tagen ab.

"Click and Meet" keine wirkliche Alternative 

Das zeigt sich auch am Dienstagmorgen: Der Gewerbeverband Oberzentrum (GVO) spricht sich in einem offenen Brief an Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Jürgen Roth und Sven Hinterseh, den Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises, noch vehement gegen erneute Einschränkungen für den örtlichen Einzelhandel aus. Der GVO-Handelsvorstand bestehend aus Rainer Böck, Tanja Broghammer, Markus Blust und Gunter Welzer, wendet sich "vor dem Hintergrund der aktuell leider auch in unserer Region wieder steigenden Inzidenzzahlen" an die beiden Politiker.

Man beobachte die Entwicklung des Inzidenzwertes mit Sorge, heißt es in dem Schreiben. Denn man befürchte eventuelle Einschränkungen, "die uns als Händler unmittelbar betreffen könnten". Konkret dürften damit eben jene Beschränkungen des öffentlichen Lebens gemeint sein, die nach der baden-württembergschen Corona-Verordnung mit einer Inzidenz von mehr als 50 einhergehen – insbesondere jene für Einzelhändler, die nunmehr nur noch "Click and Meet" anbieten dürfen.

Das kommt zwar keiner kompletten Schließung des Einzelhandels wie während des Lockdowns gleich, ist aus Sicht des GVO aber dennoch "dramatisch, denn wir alle kämpfen nach so vielen Wochen ohne Umsätze ums Überleben". "Click and Meet" sei für die Einzelhändler "kaum eine Alternative, denn die daraus entstehenden Umsätze sind zu gering, um damit wirklich über die Runden zu kommen. Wir brauchen die Flexibilität der Kunden, denn kaum einer möchte einen Termin ausmachen. Einkaufen geschieht meist spontan."

Eine eher düstere Prognose, was "Click and Meet" betrifft, mit welcher der GVO allerdings nicht alleine dasteht. Auch Thomas Caster, Geschäftsführer der Schwenninger Filiale des Modehauses Zinser, verspricht sich davon nicht allzu viel. Er und sein Team seien zwar auf diese Variante eingestellt und können sie kurzfristig umsetzen, betont er. Doch Caster erwartet von Seiten der Kunden eine eher "verhaltene Reaktion", wie er sagt. Dass es mehr Arbeit für den Kunden ist, vorab einen Termin zu vereinbaren und diesen wahrzunehmen, sieht Caster dabei nicht einmal als das größte Hindernis. Viel schwerer wiegt aus seiner Sicht die "Kaufverpflichtung", die der Kunde spürt. Caster befürchtet, dass viele keinen Termin vereinbaren werden, um dann vor Ort nicht in Zugzwang zu kommen.

Vergangene Woche "umsatz- und auch stimmungsmäßig" gut

Auch Gila Aberle, Geschäftsführerin der Fitzroy Fashion GmbH, zu der vier Bekleidungsgeschäfte in Villingen gehören, ist beim Thema "Click and Meet" eher skeptisch. Die Terminvereinbarung sieht sie als Hürde. "Es ist halt die Frage, ob die Leute dann überhaupt kommen." Trotzdem sind Aberle und ihre Mitarbeiter auf "Click and Collect" eingestellt und können sich tagesaktuell an die entsprechenden Vorgaben anpassen – auch weil das Konzept bereits vor der Wiederöffnung des Einzelhandels erarbeitet wurde, als noch nicht ganz klar war, wie es ab 8. März weitergeht.

Mit Hygieneregeln alles "reibungslos" gelaufen

Ähnlich ist die Situation beim Stoffhändler Seemannsgarn in Schwenningen: Hier rechnet man bereits am Dienstagnachmittag damit, dass "Click and Meet" in den kommenden Tagen umgesetzt werden muss. Schade, findet Mitarbeiterin Isabelle Rubin, denn die Kunden hätten die Möglichkeit, wieder vor Ort einzukaufen, durchaus wahrgenommen – und auch in Bezug auf die Hygieneregeln sei alles "reibungslos" gelaufen.

Über die Kunden- und Mitarbeiterresonanz der vergangenen Woche ist auch Aberle von Fitzroy Fashion glücklich – "umsatz- und auch stimmungsmäßig" sei es super gelaufen. Die Hygienevorschriften würden ebenfalls problemlos angenommen, sagt sie, die Kunden seien verständnisvoll – auch wenn sie wie am Samstag teilweise vor dem Laden warten mussten, weil die maximale Kundenzahl im Inneren erreicht war.

Natürlich, sagt Aberle, verstehe sie, dass man gerade angesichts einer steigenden Inzidenz Menschenansammlungen vermeiden wolle, "aber der Einzelhandel ist ja kein Infektionsherd, und wenn man ihn konsequent mit den entsprechenden Hygienekonzepten offen halten würde, dann würde sich auch der Ansturm auf die Geschäfte besser verteilen". Dass Einzelhandelsgeschäfte kein zentraler Ansteckungsort sind, betont auch der GVO in seinem offenen Brief.

Der GVO-Handelsvorstand appelliert an Roth und Hinterseh: "Lassen Sie uns auch in Zukunft die Attraktivität unserer Innenstädte bewahren. Was jetzt zerstört wird, wird sich kaum ›reparieren‹ lassen. Auch die Händler, die übrig bleiben, werden großen Schaden durch die Leerstände erleiden. Lassen Sie es nicht so weit kommen." Was aber sollen die beiden Politiker aus Sicht des GVO tun? In dem Schreiben heißt es, man bitte die beiden Politiker darum, "die Inzidenzzahlen bereinigt zu betrachten".

Landrat Hinterseh und OB Roth sind die Hände gebunden

Doch eine bereinigte Betrachtung der Inzidenzzahlen ist im Schwarzwald-Baar-Kreis unmöglich, wie Heike Frank, Pressesprecherin des Landratsamts, auf Anfrage mitteilt. Eine Abweichung vom durch das Landesgesundheitsamt festgestellten Inzidenzwert sei nur "in atypisch gelagerten Sonderfällen" möglich. "Ein solcher atypischer Sonderfall liegt im Schwarzwald-Baar-Kreis nicht vor, da wir aktuell leider ein diffuses Infektionsgeschehen zu verzeichnen haben." Wenngleich Landrat Hinterseh die Sorgen der Einzelhändler sehr gut nachvollziehen könne, "müssen wir um Verständnis bitten, dass wir als untere staatliche Verwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) lediglich das umsetzen, was in Berlin und Stuttgart ganz aktuell in den vergangenen Wochen beschlossen wurde".

Auch OB Roth betont in einer Stellungnahme zum offenen Brief der GVO-Handelsvorstände, dass ihm die Hände gebunden seien. "Ich habe vollstes Verständnis für die Sorgen und Nöte unserer Einzelhändler und Gastronomen. Ich teile diese Sorgen und Nöte! Die aktuelle und seit Monaten andauernde Situation für unsere Gewerbetreibenden, Händler, Gastronomen und Selbstständigen ist nicht mehr nur prekär sondern existenzbedrohend", leitet er ein. Und doch schränke die Pandemie auch die Möglichkeiten der Stadt ein. "Lockerere VS-Regeln sind leider nicht möglich", betont Roth daher.

Aus seiner Sicht bleibt jetzt nur abwarten, wie es weitergeht – der Inzidenzwert kann ja auch wieder sinken. Doch selbst dann würden die Einzelhändler noch einige Tage mit "Click and Meet" verbringen. Denn erst nach fünf Tagen, an denen die Inzidenz wieder unter 50 liegt, wäre einkaufen wieder ohne Termin möglich.