Die Missbrauchsskandale, das Luxusleben des ehemaligen Bischofs von Limburg hätten ihren Tribut gefordert, sagt Dominik Feigenbutz, Pfarrer der Seelsorgeeinheit "Zwischen Brigach und Kirnach" zu den Beweggründen für Kirchenaustritte. Es gebe bei manchen einen extremen Vertrauensverlust in die Kirche.
Brigachtal/Unterkirnach - Der Pfarrer verschickt nach jedem Kirchenaustritt ein Schreiben an das ausgetretene Mitglied. In seinem Schreiben bedauert er den Austritt und bietet ein Gespräch an, um die Beweggründe des Kirchenaustritts zu erfahren. Auf die Frage unserer Redaktion, wie viele Antworten er auf seine Schreiben erhalten hat, antwortet er: "Eine im Jahr."
Die Anzahl der Katholiken in seiner Seelsorgeeinheit beträgt 6492 (Stand vom 14. Juli 2021) – er rechne aber mit weiteren Austritten. Im Jahr 2020 habe es 68 Austritte gegeben, 2021 dann 32. Nach den Grünen befragt, nennt er die ganz aktuellen Skandale in der Großkirche, manche Mitglieder der Kirchengemeinde würden sagen: "So, jetzt reicht es mir." Oft gehe ein langer Entfremdungsprozess voraus, bevor das Fass überlaufe. Ein weiterer Grund könne sein, dass ein Kirchenmitglied konkret zum Beispiel vom Pfarrer enttäuscht sei. Jeder mache Fehler, er selbst sicher auch, betont er. Dann gebe es Kirchenmitglieder die sagten: "Ich identifiziere mich nicht mehr mit der Kirche, gebe mein Geld lieber für einen anderen sozialen Zweck."
Die Missbrauchsskandale, das Luxusleben des ehemaligen Bischofs von Limburg hätten ihren Tribut gefordert, manche Menschen hätten einfach die Vertröstungsstrategie satt. Auch ein Grund sei die Frauenfrage, also dass Frauen nicht Priesterin werden dürfen. Dass Priester nicht heiraten dürfen, finden viele nicht in Ordnung. Die katholische Kirche habe eben Vorbehalte gegen das Moderne, so Feigenbutz.
Extremer Vertrauensverlust
Es gebe leider einen extremen Vertrauensverlust in diese Kirche, was natürlich auch die Bischöfe betreffe. Er bedauert sehr, dass die wenigsten Kirchenmitglieder das Gespräch mit ihm suchen, wenn er es ihnen nach ihrem Austritt anbiete. "Ich repräsentiere diese Institution, habe keinen Einfluss, aber ich entschuldige mich trotzdem", betont er. Er sehe als Pfarrer die Chance, etwas gutzumachen. Den Brief mit dem Angebot zu einem Gespräch schreibe er, nachdem er vom Standesamt informiert wurde, wer ausgetreten sei. Gründe müsse keiner bei seinem Austrittsgesuch nennen, betont er. Nach Neu-Eintritten befragt, antwortet er: "Im Jahr 2020 gab es keinen Neu-Eintritt, aber zwei Wiederaufnahmen."
Corona-Pandemie sorgt für Beschleunigung
Die Corona-Pandemie habe die Dinge beschleunigt, erklärt der Pfarrer. Im Frühjahr und Weihnacht 2020 habe es keine Gottesdienste und keine Begegnungen in der Kirche gegeben und manche Menschen hätten gemerkt, dass ihnen nichts fehle, fährt er fort. Für manche seien die Online-Angebote interessanter, alles sei auch einem Stück der Entfremdung geschuldet. Aber etwas hat ihm gefallen: "Am letzten Sonntag habe ich in den Kirchen in Brigachtal und Unterkirnach während des Gottesdienstes aufgefordert, selbst zu predigen oder zumindest das Wort zu ergreifen und zu erklären, was sie von der Kirche halten", berichtet er. In Brigachtal hätten drei Gottesdienstbesucher etwas gesagt, aber nichts Kritisches. In Unterkirnach habe es vier Wortmeldungen gegeben, da seien auch kritische Stimmen dabei gewesen. Diese Wortmeldungen in beiden Kirchen hätten ihn sehr gefreut, betont er.
Dann erzählt er noch ein Erlebnis: Als im Frühjahr 2021 vom Vatikan das Papier gekommen sei, dass homosexuelle Paare nicht gesegnet werden dürfe, habe es viele Proteste gegeben. In Pfaffenweiler habe die KJG gefragt, ob sie Regenbogenfahnen aufhängen dürfen – durften sie, diese wurden aber dreimal abgerissen. Eine junge Frau habe zu ihm gesagt, sein Gottesdienst sei der beste ihres Lebens gewesen, sie wisse aber nicht, ob es nicht der letzte Gottesdienst gewesen sei, denn sie könne die Haltung der Katholischen Kirche nicht akzeptieren. "So ist es nun mal, zum Glück gibt es immer wieder positive Begegnungen", schließt er.