Hier wird mit Atomen gerechnet. Foto: Axel Griesch/Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Bessere Klimamodelle, wirksamere Medikamente, neue Werkstoffe – Quantencomputer versprechen schnellere Fortschritte auf vielen Gebieten. Wie weit ist die Entwicklung in Deutschland?

Es ist nicht leicht, Nichtphysikern zu erklären, wie Quantencomputer funktionieren. Aber Isabella Fritsche bekommt es gut hin. Einen einsatzbereiten Quantenrechner kann die Mitarbeiterin des Garchinger Start-ups Planqc beim Pressetermin am Ulmer Standort des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aber noch nicht vorführen. Der soll erst in dreieinhalb Jahren fertig sein. So lange läuft das vom Bund mit 29 Millionen Euro geförderte Projekt – eines von mehreren im Rahmen der DLR-Quantencomputing-Initiative.

Um das Prinzip zu veranschaulichen, zeigt Isabella Fritsche eine Powerpoint-Folie. Zu sehen ist ein Quadrat aus 484 roten Punkten – 22 in der Breite und 22 in der Länge. Das Ganze erinnert entfernt an einen Abakus – jene Rechenmaschine, in der sich bunte Holzkugeln hin- und herschieben lassen. „Der Vergleich ist gar nicht so schlecht“, meint die junge Quantenphysikerin. Nur dass hier nicht mit Holzkugeln gerechnet werden soll, sondern mit Atomen des Elements Strontium.

Dazu werden Daten und Rechenbefehle in Laserpulse übersetzt, die im Ultrahochvakuum auf eines oder mehrere Atome geschossen werden. Wenn die allein durch Laserstrahlung auf minus 273 Grad Celsius gekühlten Atome rechnen, verändern sich ihre Energieniveaus. Diese Änderungen werden erfasst – auch hier dient wieder Laserlicht als Medium – und wieder in Zahlenwerte umgewandelt.

Nicht nur Nullen und Einsen

Anders als bisherige Computer rechnen Quantencomputer nicht mit Bits, die den Zustand eins (Strom fließt) oder null (kein Strom fließt) haben. Sie nutzen Quantenbits oder Qubits. „In unserem System entspricht ein Atom im angeregten Zustand dem Wert eins und ein Atom im Grundzustand dem Wert null“, erklärt Isabella Fritsche. Doch anders als bei Bits gibt es bei Qubits nicht nur die Endpunkte null und eins, sondern auch alle möglichen Zustände dazwischen.

Isabella Fritsche entwickelt Quantencomputer. Foto: privat/privat

Zudem können Qubits gleichzeitig in mehreren Zuständen vorliegen. Wissenschaftler verwenden zur Erklärung dieser sogenannten Superposition oft das Bild einer aufrecht stehenden Münze, die um eine senkrechte Achse rotiert. Beide Seiten wechseln sich dabei so schnell ab, dass das Bild verschwimmt und gleichzeitig Kopf und Zahl zu sehen sind – wie bei einem Qubit in Superposition. Erst wenn die Münze angehalten wird und kippt, gibt es ein eindeutiges Ergebnis: Kopf oder Zahl.

Zur Superposition kommt die Verschränkung der Qubits. Sie beruht darauf, dass sich die Veränderung eines Teilchens zeitgleich auf ein anderes, beliebig weit entferntes Teilchen auswirkt. Albert Einstein sprach in diesem Zusammenhang von einer „spukhaften Fernwirkung“. Dank der Besonderheiten der Qubits können Quantencomputer ungeheuer schnell sowie massiv parallel rechnen – und so etwa bei Simulationen alle möglichen Szenarien gleichzeitig durchspielen.

Gitter aus neutralen Atomen sind aber nur eine von mehreren Möglichkeiten, um Qubits zu erzeugen. Forscher am DLR-Standort Hamburg setzen zum Beispiel auf Ionenfallen, in denen elektrisch geladene Atome von starken elektrischen Feldern festgehalten werden. Der Informationsaustausch mit den Ionen läuft ähnlich wie bei neutralen Atomen über Laserlicht.

Diamanten mit Stickstoffatomen

Eine andere Möglichkeit sind Diamanten, in deren Kristallgitter einzelne Kohlenstoffatome durch Stickstoffatome ersetzt wurden. Dadurch entstehen freie Elektronen, die zum Rechnen genutzt werden können. Diamantbasierte Quantencomputer haben den Vorteil, dass keine ultratiefen Temperaturen nötig sind. In Ulm stehen zwei Vertreter dieser Gattung, die von den Leipziger Start-ups SaxonQ und XeedQ entwickelt wurden. Ihre Rechenleistung ist aber mit lediglich vier Qubits noch etwas begrenzt. Der Planqc-Rechner soll es auf gut 100 Qubits bringen.

Weitere Ansätze sind photonische Quantencomputer, die mit Lichtteilchen rechnen, sowie Quantencomputer auf Basis supraleitender Schaltkreise, in denen sich Elektronen ohne Widerstand bewegen. 2021 hat IBM einen solchen Rechner in Ehningen in Betrieb genommen, der mit 27 Qubits arbeitet. Im nächsten Schritt soll ein System mit 127 Qubits dazukommen.

Computer mit Quantenprozessoren sollen mathematische Probleme lösen, für die heutige Rechner Jahre bräuchten – so sie überhaupt zu einem Ergebnis kämen. Google hatte bereits 2019 verkündet, die sogenannte Quantenüberlegenheit erreicht zu haben, erntete aber Kritik: Der Konzern habe eine Aufgabe gewählt, die seinen Quantenrechner besonders gut aussehen ließ. „In der breiten Anwendung ist die Quantenüberlegenheit noch nicht erreicht“, meint Isabella Fritsche. Aber das dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

Manchen bereitet die Entwicklung auch Sorgen. Denn wie jedes Werkzeug können auch Quantencomputer für fragwürdige Zwecke eingesetzt werden. So hält es das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik für möglich, dass bereits 2030 „kryptografisch relevante Quantencomputer“ existieren, welche die bisher üblichen Verschlüsselungen knacken könnten. Experten arbeiten deshalb an neuen Verschlüsselungsverfahren, die teilweise ebenfalls auf Quantentechnologien beruhen.

Fehlerkorrektur als Herausforderung

Fragt man die Verantwortlichen der Quantencomputing-Initiative des DLR nach möglichen Anwendungen, folgt eine lange Aufzählung: schnellere Entwicklung neuer Medikamente und Werkstoffe, genauere Klimamodelle, Optimierung von Schichtplänen und Lieferrouten, Künstliche Intelligenz und vieles mehr. Quantencomputer sollen dabei nicht nur viel schneller sein, sondern auch weit weniger Energie verbrauchen als heutige IT-Systeme. Bis zum breiten Einsatz in der Praxis – etwa im Umfeld großer Rechenzentren – sind aber noch etliche Fragen zu klären.

Zum einen geht es darum, die Zahl der Qubits und damit die Leistung weiter zu steigern. Zum anderen müssen die Forscher die Verlässlichkeit der Ergebnisse im Auge behalten. Quantenphysikalische Prozesse reagieren sehr sensibel auf äußere Einflüsse wie Magnetfelder oder Erschütterungen. Und auch ohne solche Störfaktoren machen die Quantenrechner Fehler. Die zu finden und zu korrigieren sei eine echte Herausforderung, sagt Isabelle Fritsche, bevor sie zurück ins Labor geht.

Milliarden für Quantencomputer aus Deutschland

Quanten
Im weiteren Sinn versteht man unter Quanten Teilchen wie Atome, Elektronen oder Photonen, deren Energieniveau, Ladung oder Drehrichtung (Spin) sich nur in definierten Stufen ändern kann. Solche Zustandsänderungen lassen sich in Quantencomputern und Quantensensoren zur Informationsverarbeitung nutzen. Dabei spielen weitere quantenphysikalische Phänomene wie die Überlagerung von Zuständen oder die Verschränkung von Teilchen eine Rolle.

Forschung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert die Entwicklung von Quantentechnologien in Deutschland bis 2026 mit drei Milliarden Euro. Davon entfallen 740 Millionen Euro auf die Quantencomputing Initiative (QCI) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit den Hauptstandorten Ulm und Hamburg. Allein in Ulm stellt das DLR derzeit sieben Start-up-Unternehmen Räume und Infrastruktur zur Verfügung und betreibt zudem eigene Forschung.