Anita Neidhardt-März ist Geschäftsführerin des Diakonischen Werks im Landkreis. 2022 geht sie in den Ruhestand. Foto: Heinig

Porträt: Anita Neidhardt-März über die Lage der Diakonie in der Corona-Pandemie.

"Ich habe mein ganzes Berufsleben daran gearbeitet, Menschen zu Beziehungen zu ermutigen." Für Anita Neidhardt-März sind die aktuellen Kontaktbeschränkungen in der Coronapandemie "der größte Schmerz".

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Villingen-Schwenningen - Die Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Schwarzwald-Baar blickt auf die lange Liste der Begegnungs-, Beratungs- und Betreuungsangebote, die junge und alte Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen normalerweise nutzen können. Gut 50 Mitarbeiter kümmern sich in den Dienststellen Villingen und Schwenningen, den Außenstellen Donaueschingen und St. Georgen, im Abt-Gaisser-Haus, in der Schulsozialarbeit und beim Integrationsfachdienst normalerweise um sie.

"Was Corona von uns verlangt, ist hart"

Doch: Die Gruppen von "Menschen ohne Arbeit", "Menschen in Rente", das Insel-Café mit Spielenachmittagen, die Tagesstätten für psychisch Kranke in Donaueschingen, die Freizeitgruppen für Menschen mit Behinderung oder die beiden "Mahlzeiten" in Villingen und St. Georgen sind gerade alle wieder geschlossen. Selbst die statt einer Weihnachtsfeier für die Mitarbeiter geplante nächtliche Stadtführung wurde abgesagt.

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Das Ziel der diakonischen Arbeit, Menschen aus jedweder Isolation zu holen und sie zu ermuntern, offensiv Kontakte zu knüpfen, auch zu den eigenen Fähigkeiten, um das Leben selbst (wieder) in die Hand zu bekommen, ist momentan nicht erreichbar. Nur Einzelberatungen, die im Frühjahr nach dem ersten Lockdown nur telefonisch geführt werden duften, können Dank eines inzwischen erprobten Hygienekonzeptes jetzt noch stattfinden. "Was Corona von uns verlangt, ist hart", sagt Anita Neidhardt-März und findet besonders das Gefühl unerträglich, "für andere Menschen eine potenzielle Gefahr zu sein". Schon einmal hat sie das erlebt. Als junge Frau erkrankte sie an offener Tuberkulose und verbrachte sechs Wochen in Quarantäne. Nach dem Tod ihres Mannes erlebt sie momentan außerdem noch einmal, wie sich ein Lockdown für Alleinlebende anfühlt.

Gleichwohl sieht die 64-Jährige auch einen Nutzen, den die Pandemie mit sich bringt. "Es geht auch um Verzicht", sagt sie nachdenklich "und darum, daraus gesamtgesellschaftlich etwas zu lernen". Die Lernerfahrung des Reduzierens begrüßt Anita Neidhardt-März sogar, besonders im Hinblick auf das Klima, würde im menschlichen Miteinander aber sehr gerne darauf verzichten. Dagegen berühren sie die Existenzängste derer, die im Lockdown wirtschaftlich ums Überleben kämpfen, weitaus mehr noch aber die Erkrankten und die Todesopfer. Deshalb hofft sie auf die Impfungen. Schritt für Schritt wieder angstfrei leben zu können, darauf freut sie sich, glaubt aber, dass nichts mehr so sein wird wie vor der Pandemie.

In Haigerloch geboren

Anita Neidhardt-März ist in Haigerloch geboren und mit einem Bruder aufgewachsen. Sie wurde Erzieherin, zog mit 19 nach Calw und studierte bis 1981 Soziale Arbeit in Esslingen. Danach war sie 23 Jahre lang in der Suchtberatung und -therapie tätig, immer für die Diakonie. Nachdem sie 1998 ihren zweiten, aus Furtwangen stammenden Mann Frank März geheiratet hatte, der fünf Kinder mit in die Ehe brachte, bewarb sie sich 2004 – inzwischen 48 Jahre alt, um die Geschäftsleitung des Diakonischen Werks im Schwarzwald-Baar-Kreis mit Sitz in Villingen. "Ich wollte einfach noch einmal etwas Neues beginnen", sagt sie rückblickend.

Inzwischen hat die im badischen Teil der Stadt lebende Schwäbin hier ihre Heimat gefunden, und sie wird hier ab Sommer 2022 auch ihren Ruhestand genießen.

Tanzen hat sie gerettet

Anita Neidhardt-März hat Schicksalsschläge zu verkraften gehabt. 2010 verunglückte ein Stiefsohn tödlich, 2013 starb ihr Mann ganz plötzlich. Mit ihm teilte sie neun Jahre lang das Tanzen als Leidenschaft. Nach seinem Tod erhielt sie das Angebot der Tanzschule, als Assistentin mitzuwirken. "Das hat mich im ersten Jahr des Verlustes gerettet", sagt sie heute. Unter gleichgesinnten Menschen fand sie ihre Lebenslust wieder. Getanzt wird derzeit nur vor dem Bildschirm. Corona zwingt dazu, an wöchentlich vier Abenden das das öffentliche Tanzparkett gegen das eigene Wohnzimmer einzutauschen.

Obwohl sie sich auch als Christin "gehalten" und "nicht ins Bodenlose fallend" fühlt, werde ihr die Bedeutung von guten Freundschaften und mitmenschlichen Beziehungen gerade wieder einmal deutlich vor Augen geführt. Deshalb engagiert sie sich auch in ihrer Freizeit für andere – ehrenamtlich, versteht sich. Sie ist Vorstandsmitglied im Verein für Jugend- und Sozialarbeit, der bis vor einem Jahr unter anderem das Sozialkaufhaus "Jumbo" betrieb, auch für die Hospiz ambulant Schwarzwald Baar und für den Förderverein der evangelischen Johannesgemeinde.