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FDP will Rücktritt der Integrationsministerin, Grüne und SPD weisen dies energisch zurück.

Stuttgart - Die wegen eines umstrittenen Vergleichs in die Kritik geratene Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) erhält Unterstützung aus den beiden Regierungsfraktionen. Grüne und SPD wiesen Rücktrittsforderungen am Freitag energisch zurück. Ebenfalls am Freitag veröffentlichte das Integrationsministerium eine private E-Mail der Ministerin, aus der türkische Medien zitiert hatten. In diesem Zusammenhang waren Zweifel aufgekommen, ob Öney eine zuvor öffentlich geäußerte Entschuldigung relativierte.

Auf einer Pressekonferenz am Montag hatte die Ministerin ihr Bedauern darüber ausgedrückt, dass sie in einer Diskussionsveranstaltung gesagt hatte, auch in Deutschland gebe es einen Tiefen Staat, also einen Schattenstaat, in dem extreme Kräfte mit Sicherheitsbehörden, Politikern und Killerkommandos kooperieren. Am Rande dieser Pressekonferenz hatte Öney nach eigener Aussage mit einem türkischen Journalisten gesprochen. Dieser zitierte sie am folgenden Tag in drei türkischen Medien mit den Worten: „Diese Angelegenheit wird hochgespielt und in eine andere Richtung interpretiert, damit man mich zu einem Rücktritt zwingt und die Landesregierung stürzt.“ Im Interview mit unserer Zeitung sagte Öney am Donnerstag: „Das Zitat war nicht richtig wiedergegeben und auch nicht autorisiert. Auf Übermittlungs- und Übersetzungsfehler haben wir keinen Einfluss.“

„Frau Minister Öney macht als Integrationsministerin eine sehr gute Arbeit“

Im türkischen Parlament hatte der rechtsextremistische Abgeordnete Mustafa Erdem zwei Tage zuvor durchgesetzt, dass in dessen Bericht über die Morde des rechtsextremistischen „Zwickauer Trios“ eine Passage aufgenommen wird, in der es heißt, Ministerin Öney sei in Deutschland wegen ihrer kritischen Äußerungen starkem politischem wie psychologischem Druck ausgesetzt. Tags darauf, am Mittwoch, tauchten in der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ Passagen einer privaten E-Mail Öneys auf, die Zweifel an ihrer Entschuldigung nährten. Wie die Mail in das Medium kam, ist ungeklärt.

Am Freitag dann legte das Integrationsministerium auf Anfrage unserer Zeitung eine beglaubigte Übersetzung vor, die nach Angaben des Ministerium den Wortlaut der E-Mail wiedergibt (siehe unten).

Rückendeckung erhielt Öney am Freitag aus der Regierungskoalition. Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) sagte: „Frau Minister Öney macht als Integrationsministerin eine sehr gute Arbeit. Für die falsche Äußerung hat sie sich entschuldigt. Damit ist die Sache erledigt.“ Die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und SPD, Edith Sitzmann und Claus Schmiedel, erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme: „Öney hat das volle Vertrauen und die uneingeschränkte Unterstützung der beiden Regierungsfraktionen. Was notwendig war, hat sie richtiggestellt und sich dafür in unmissverständlicher Weise entschuldigt.“ Die neuerlichen Angriffe seien ein unappetitliches Schmierentheater, das jeder sachlichen Grundlage entbehre. Die Integrationsministerin als „Sicherheitsrisiko“ zu verunglimpfen, wie dies der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke getan habe, sei eine in höchstem Maße unanständige Entgleisung und üble Beleidigung, für die man eine sofortige Entschuldigung erwarte. Rülke blieb jedoch bei seiner Feststellung: „Wer als Regierungsmitglied wiederholt behauptet, in Deutschland kooperiere der Staat mit Terroristen, ist ein Sicherheitsrisiko.“

Der CDU-Integrationsexperte Bernhard Lasotta forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zum Handeln auf. Er dürfe nicht länger wegschauen: „Der Fokus muss endlich wieder auf Sacharbeit gelenkt werden.“

Die E-Mail von Ministerin Öney im Wortlaut

Was schrieb Integrationsministerin Bilkay Öney? Auf Anfrage unserer Zeitung veröffentlichte ihr Ministerium am Freitag eine E-Mail der Ministerin, aus der zuvor in türkischen Medien zitiert worden ist. Das Ministerium legte unserer Zeitung folgende beglaubigte Übersetzung vor:

„Bei Anfragen, die mir zu den Nazimördern gestellt wurden, habe ich gesagt, dass wir, also die deutschen Behörden, genauer die V-Leute (Verfassungsschutz) den Neonazis Geld gegeben haben und im Gegenzug dazu falsche Informationen bekommen haben. Das Geld ist teilweise an die Neonazis geflossen. Diese Vorgänge sind bekannt und von mir nicht erfunden worden. Es gibt einen Bericht, der den Zusammenhang zwischen Thüringens Verfassungsschutz und den Neonazis erklärt (Schäfer-Bericht, Seite 242).

In diesem Zusammenhang hatte ich gesagt: ‚Hier gibt es auch einen tiefen Staat.‘ Die CDU stellt nun mit Wortspielen meine Loyalität infrage und behauptet, ich schade der Integration. Diese Vorwürfe sind nicht wahr und geben das eigentliche Problem nicht wieder. Das eigentliche Problem ist, dass die CDU keine kritische Sicht von einer türkischstämmigen Ministerin wünscht. Dabei haben deutsche Medien und Politiker diese Kritiken bereits längst geäußert. Schließlich bin ich eine deutsche Ministerin und muss mich um die Probleme in Deutschland kümmern. Daran sollte sich niemand stören. Genau wie die CDU sage ich auch, dass es hier keinen ‚tiefen Staat‘ gibt. Aber es wurden Fehler gemacht. Weil Fehler gemacht wurden, gibt es mittlerweile drei Untersuchungsausschüsse, und deshalb hat sich Kanzlerin Merkel vor 80 Millionen Bürgern bei den (Opfer-)Familien entschuldigt.

Meine Wortwahl war nicht richtig, deshalb entschuldige ich mich. Aber die Vorgänge (NSU-Mordserie) kritisiere ich weiterhin, schließlich sind Menschen gestorben und es wurden Fehler gemacht.

Von meinem iPhone gesendet.“