Deutschlandweit finden sich viel mehr Coronaviren im Abwasser als noch im Sommer. Das erhöht das Risiko, kurz vor den Feiertagen krank zu werden.
Im deutschen Abwasser finden sich so viele Corona-Rückstände wie noch nie seit Beginn der bundesweit einheitlichen Messungen im Frühjahr 2022. Das geht aus Daten des Robert-Koch-Instituts zur sogenannten Abwassersurveillance hervor. Der Anstieg hat bereits Ende Juni begonnen und setzt sich seither ungebremst fort.
Bei 129 Kläranlagen wird regelmäßig der Anteil von Coronavirus-Genkopien im Abwasser gemessen. Er liegt aktuell etwa 30 mal höher als noch im Juni, wegen der nicht ganz exakten Messung aber mit einem gewissen Schwankungsbereich. Es wurden im Bundesschnitt rund 660 000 Coronavirus-Genkopien je Liter Abwasser gezählt, im Juni lag der niedrigste Wert bei 20 000. Bei zwei von drei Klärwerke-Standorten zeige der Trend eine steigende Viruslast an, heißt es im aktuellen Wochenbericht. In Baden-Württemberg gilt das für sieben von acht Standorten.
„Aus Abwasserdaten kann nach aktuellem Stand nicht präzise auf Inzidenz/Prävalenz oder die sogenannte Dunkelziffer geschlossen werden“, heißt es einschränkend auf der Website des Wochenberichts. Als Indikator für eine Zu- oder Abnahme der Infektionszahlen taugt die Methode allerdings schon.
Corona-Inzidenz über 2000
Die Covid-19-Inzidenz schätzt das RKI ausweislich der Daten von knapp 6000 Freiwilligen aus dem „Grippeweb“-Programm auf einen Wert zwischen 1900 und 2700 je 100 000 Einwohner. Wegen der kaum mehr durchgeführten Tests ist der Wert nicht genauer zu bestimmen. Allerdings stieg die Zahl der gemeldeten Infektionen überall in Deutschland im November stark an.
Der starke Anstieg der Viruslast im Abwasser bestätigt andere Daten – und weist auf ein stark erhöhtes Ansteckungsrisiko kurz vor den Weihnachtsfeiertagen hin. Bei den Atemwegserkrankungen – neben Covid-19 auch Erkältungen, Grippe oder RSV – lagen die Werte „über dem Wertebereich der vorpandemischen Jahre“, heißt es im „Grippeweb“-Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts. Schon den gesamten Herbst über sei das der Fall.
Fast einer von zehn ist derzeit krank
Die Werte beruhen auf wöchentlich zusammengetragenen Daten von knapp 6000 Freiwilligen. Demnach leiden bundesweit rund neun Prozent aller Menschen aktuell an Symptomen von Atemwegserkrankungen, das sind gut sieben Millionen Menschen. In Bayern und Baden-Württemberg liegt der Anteil der Erkrankten ähnlich hoch.
Die vielen Erkrankungen belasten neben dem Privatleben auch die Wirtschaft. Die AOK Baden-Württemberg zählt aktuell gut ein Viertel mehr Krankschreibungen unter ihren werktätigen Versicherten als im Vorjahr, zuletzt war bei deutlich mehr als 40 000 Arbeitsunfähigen pro Woche als Grund eine Atemwegserkrankung angegeben.
Zumindest für das Gesundheitssystem ist Sars-CoV-2 aber keine größere Belastung: Auf den Intensivstationen in Baden-Württemberg werden derzeit rund 100 Covid-19-Patienten behandelt. Zum Höhepunkt der Winterwelle 2021/22 waren es knapp 700. An den Kinderkliniken kommt es infolge der stark ansteigenden Zahl von RSV-Erkrankungen vereinzelt zu Verlegungen oder Engpässen bei Medikamenten.