6,4 Millionen Euro sollen über die kommenden Jahre in der Neuhengstetter Ortsmitte investiert werden. Foto: Biermayer

Seit Anfang des Jahres beschäftigen sich Gemeinderat und Verwaltung mit der Ortskernsanierung in Neuhengstett. Unter Mitarbeit der Bürger und der Kommunalentwicklung (KE) der LBBW wurden nun Förderrichtlinien beschlossen. Die Ziele: historische Gebäude erhalten und Wohnraum schaffen.

Neuhengstett - Das Neubaugebiet "Brunnenstraße" wird durch einen Einwohnerzuwachs von etwa 30 Prozent den Ort in den nächsten Jahren nachhaltig verändern. Aber nicht nur für Neubürger will die Gemeinde etwas tun. Deshalb soll der Ortskern saniert werden. Dabei will die Verwaltung den Bewohnern dieses Bereichs bei solchen Maßnahmen finanziell unter die Arme greifen.

Das ins Auge gefasste Gebiet hat sich seit Anfang des Jahres nur geringfügig geändert. Dazu gehören die Möttlinger Straße vom Pfarrhaus bis zur Hausnummer 33, die Waldenserstraße, die Ottenbronner Straße bis zur Grundschule und die Calwer Straße. Hinzugekommen sind noch Häuser entlang des oberen Teils der Ottenbronner Straße.

Dorfmitte schaffen

1,6 Millionen Euro an Fördergeldern stehen für die Sanierungsarbeiten aktuell zur Verfügung, wie Reinhold Kühnert von der KE im Gemeinderat erklärte. Eine Million komme hierbei aus Landes- und Bundesmitteln. 600 000 Euro müsse die Kommune beisteuern. Den Bedarf an Fördermitteln, die durch Privatpersonen abgerufen würden, bezifferte er mit 700 000 Euro. Insgesamt würde das Projekt über die Jahre wohl 6,4 Millionen Euro kosten, wenn man alle Ziele verwirklichen wolle. Für die Finanzierung solle hier ebenfalls auf Fördermittel zurückgegriffen werden.

Denn das ganze Konzept hat mehrere Bestandteile, wie aus der Beschlussvorlage hervorgeht. So soll im Bereich um das Rathaus und die Kirche eine Dorfmitte geschaffen werden, die dort einen Wochenmarkt oder Dorffeste ermöglichen soll. Außerdem sollen die öffentlichen Gebäude im Gebiet einen barrierefreien Zugang erhalten. Auch eine Umnutzung des "Rössles" als Arztpraxis sei möglich. Zudem plane man eine Verbesserung der Infrastruktur. Gerade im Hinblick auf die Hesse-Bahn soll die Taktung des ÖPNV verbessert werden. Und Tempo 30 kommt ebenfalls immer wieder als Idee vor.

Dazu soll das Wohnen im Ortskern gestärkt werden. Nachverdichtung, Schließung von Baulücken, Aktivierung von Leerständen oder Aufwertung der privaten Bausubstanz sind hier die Zauberwörter. Es gebe ein Potenzial von 114 neuen Wohneinheiten im Ortskern, heißt es in der Vorlage. Der Hauptteil könne durch Neubau entstehen (51), dahinter folgen Modernisierung (42), Aktivierung (11) und Umnutzung (10).

Charakter erhalten

Ein weiterer Hauptaspekt der ganzen Maßnahme ist jedoch, Neuhengstetts Charakter als Waldenserort zu erhalten. Deshalb will die Gemeinde es fördern, wenn Privatpersonen ihre Gebäude im Ortskern sanieren. Dazu gibt es allerdings auch Vorgaben, die der Technische Ausschuss Anfang November beraten hat. So müssen bei Sanierungen zum Beispiel die Firstrichtung und Dachform beibehalten werde. Zudem sollen die Dächer mit rotbraunen Tonziegeln gedeckt bleiben. Dachaufbauten sind nur im Ausnahmefall möglich.

Dazu betonen die Vorgaben die Verwendung von Holz bei Türen, Fenstern oder Zäunen. Gabionen, also mit Steinen gefüllte Stahlkörbe, sind als Einfriedungen beispielsweise nicht erlaubt. Zudem sollen Fensterläden erhalten werden. Sind Fenster breiter als 80 Zentimeter, sollen zweiflüglige Fenster verbaut werden.

Komplette Gebäudeabbrüche sollen nur in Ausnahmefällen möglich sein, wie Kühnert weiter erklärte. Private Sanierungsmaßnahmen könnten mit 30 Prozent gefördert werden, maximal aber mit 50 000 Euro. Aber auch hier seien Ausnahmen möglich, so Kühnert. 20 000 Euro müssten aber mindestens als private Investition getätigt werden, um Zuschüsse zu bekommen. "Kulturdenkmale und erhaltenswerte Gebäude" könnten mit 35 Prozent gefördert werden. Hier gebe es aber eine nochmalige Erhöhungsmöglichkeit um 15 Prozentpunkte.

Investoren erwartet

Bürgermeister Clemens Götz war sehr angetan von diesem Plan. Das sei eine richtig große Maßnahme. Bei den 6,4 Millionen Euro an Investitionen werde es nicht bleiben, denn das Geld zöge weitere Investitionen an. Das habe das Projekt in der Althengstetter Ortsmitte gezeigt. Man kalkuliere hier normalerweise mit dem Faktor sieben, wie Kühnert ergänzte. Rechnet man das aus, kommt man auf ein Gesamtvolumen von fast 45 Millionen Euro. In Neuhengstett herrsche eine "Aufbruchstimmung", meinte Götz. Man erkenne dies auch am wiederaufgeflammten Engagement der Bürger für den Abenteuerspielplatz.

Voller Lob war auch Lothar Kante (SPD). Das ganze Projekt sei "eine tolle Chance für Neuhengstett", befand er. 50 000 Euro seien ein großer Anreiz zur Sanierung. Es sei zudem toll, dass nicht nur der Ortskern verschönert werde, sondern auch dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden.

Für Eckhard Flik (Grüne) war der ganze Prozess ein Beispiel für gelungen Bürgerbeteiligung. Auch er freute sich über die Möglichkeit für neuen Wohnraum, ohne dafür unbedingt neu bauen zu müssen.