Geht auf Abstand zum umstrittenen Antrag der CDU in Thüringen: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Foto: dpa/Kay Nietfeld

In Erfurt steht demnächst ein CDU-Antrag zur Abstimmung im Parlament, der die Verwendung gegenderter Sprache in Schule und Verwaltung verbieten will. Das löst starke Diskussionen unter Christdemokraten aus.

Die CDU Thüringen kommt nicht aus den Schlagzeilen. Gerade erst hatte ihr Vorgehen für lebhafteste Debatten in der Gesamtpartei gesorgt, mit Hilfe der Stimmen der AfD einen Antrag zur Absenkung der Grunderwerbsteuer aus der Opposition heraus zum Erfolg zu führen. Es hatte nicht an Appellen prominenter CDU-Politiker gefehlt, dass dies ein einmaliger Vorgang bleiben müsse. Parteichef Friedrich Merz fand das Verhalten der Thüringer zwar nicht anstößig, da es keine formelle Absprachen mit den Nationalpopulisten gegeben habe. Dagegen hatte aber der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther bereits das Einkalkulieren der Stimmen von Radikalen für verwerflich erklärt.

Das Vorhaben hat im Landtag durchaus Chancen auf eine Mehrheit

Nun aber scheint sich genau diese Strategie zu wiederholen. Die CDU-Fraktion im Erfurter Landtag hat einen Antrag in das Parlament eingebracht, der verlangt, in Schule und Verwaltung die Verwendung der „Gendersprache“ zu verbieten. Sie sei „Ausdruck einer bestimmten gesellschaftlich-politischen Auffassung, die entsprechend der Vorstellung einer ,flüssigen’ Geschlechtlichkeit das binäre Geschlechtersystem von Männern und Frauen infrage stellt“, heißt es in dem Antrag. Deshalb soll nun vorgeschrieben werden, dass „die als Gendersprache verwendeten Formen und Zeichen der Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in der Verwaltung und in der Schule nicht anzuwenden“ sind. Das dürfte mit Sicherheit die Zustimmung der AfD finden. Der Antrag hat also im Landtag durchaus Chancen.

Das Vorhaben hat die Parteispitze der CDU alarmiert. Anders als beim Gesetz zur Grunderwerbsteuer kommt von ganz oben eine glasklare Missbilligung. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nahm Stellung – sicher in enger Rücksprache mit Parteichef Merz. Er finde, „dass der Staat nicht vorschreiben sollte, wie jemand zu reden hat“, sagte er. Die CDU solle das Thema „nicht überhöhen, wir sollten keine Kulturkämpfe führen, sondern uns mit den echten Problemen beschäftigen“.

Andreas Jung: „Der Antrag ist definitiv keine gute Idee“

Ähnliche Positionen werden auch in der Riege der stellvertretenden Parteivorsitzenden vertreten. So nannte es Karin Prien „einen Fehler“, den Antrag jetzt durchzubringen. Bei derartigen gesellschaftspolitischen Themen gelte es, „maximalen Abstand zur AfD zu halten“, sagte Prien, die beim Steuerantrag die CDU Thüringen noch verteidigt hatte. Auch Partei-Vize Andreas Jung findet, dass „ein solcher Antrag zum Gendern, der nur mit der AfD durchkommen könnte, definitiv keine gute Idee“ ist.

Was die Sache für die Partei so brisant macht, ist die Tatsache, dass der Antrag direkt ins Herz einer Grundsatzdebatte führt, die die Gesamtpartei schon seit längerer Zeit umtreibt. Dabei geht es um die Frage, ob es besser für die CDU ist, sich mit Sachthemen gegen die Regierung als kompetente Alternative zu profilieren, oder – durchaus AfD-Themen aufgreifend – gesellschaftliche Themen wie das Gendern aufzugreifen, um so fundamentale Unterschiede vor allem zu den Grünen zu beschwören.

Einige in der CDU befürworten durchaus eine „konservative Wende“

Es sind durchaus nicht allein die Thüringer, die einer „konservativen Wende“, auf die die zweite Variante hinausliefe, viel abgewinnen können. So bestreitet der Hamburger Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß seine politische Öffentlichkeitsarbeit seit Langem mit rhetorisch aufgerüsteten Breitseiten gegen die Gendersprache und das grüne Gesellschaftsbild. Aber auch Parteigrößen wie Jens Spahn flankieren da gerne.

Die Sache bleibt in der Partei umstritten. Das zeigt auch die Tatsache, dass der jüngste Thüringer Vorstoß durchaus nicht nur auf Kritik stößt. So sagte Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagfraktion, unserer Zeitung: „Die CDU kooperiert nicht mit der AfD. Dieser Beschluss ist für uns bindend und wird auch in Thüringen nicht in Frage gestellt. Absprachen oder gar gemeinsame Initiativen wird es daher nicht geben.“ Das dürfe aber „selbstverständlich“ nicht dazu führen, „die eigene Arbeit einzustellen.“ Grundsätzlich gelte: „Wenn ein Antrag, der aus Sicht der CDU richtig ist, von der falschen Seite Applaus erhält, wird die gute Sache dadurch nicht schlecht.“ Im übrigen benötigten die „Landtagskollegen in Erfurt keine Ratschläge aus Berlin“.