Die CDU sucht die richtige Aufstellung, um die AfD klein zu halten. Konservative wie Leinfelden-Echterdingens Oberbürgermeister Klenk könnten helfen.
Roland Klenk interessiert sich schon früh für Politik. „1967/68, das Land in Aufruhr, sprach unser Gemeinschaftskundelehrer über Demokratiereform“, erzählt der Leinfelden-Echterdinger CDU-Oberbürgermeister am Tisch in seinem lichtdurchfluteten Dienstzimmer im urigen Fachwerk-Rathaus am Marktplatz in Leinfelden. Der Lehrer habe schamlos Werbung für die SPD gemacht. „Aber mich hat das angesprochen“, sagt Klenk und schmunzelt. Er mochte Willy Brandt, las Mao, Marx und Engels.
Aus einfachen Verhältnissen in Murrhardt – Vater Elektriker, Mutter Hausfrau – stammend, findet er bald, dass diese Theorien mit seiner Wirklichkeit nichts zu tun haben. Aber mit viel Neugierde auf Gesellschaft und staatliche Ordnung studiert er Jura in Tübingen. Dort wendet er sich dem Konservatismus zu. Die CDU ist seit inzwischen 48 Jahren seine politische Heimat. Gesellschaftspolitisch ordnet er sich selbst als Liberalen ein, staatsrechtlich als Konservativen. „Die größte Modernisierung muss scheitern, wenn der ordnungspolitische Rahmen versagt“, meint Klenk. In gut dreienhalb Monaten ist für den drei Mal gewählten fitten 71-Jährigen nach 22 Dienstjahren Schluss.
Doch auf dem anstehenden CDU-Landesparteitag in Reutlingen könnten Politiker und Politikerinnen mit seiner Ausrichtung nach langen Machtkämpfen und inhaltlicher Auszehrung in die Zukunft weisen. Klenk selbst ist in der Landes-CDU nicht aktiv. Nach den Merkel-Jahren sieht er die Partei im Übergang. Manuel Hagel, dem kommenden Mann, traut er zu, Brücken zu bauen zwischen Modernisierern und Konservativen.
Früher „Modell Deutschland“
Früher war nicht alles besser, meint Klenk, aber vieles immerhin so gut, dass man stolz im In- und Ausland vom „Modell Deutschland“ gesprochen habe. Ein Grundproblem aus seiner Sicht: „Früher hat man stärker versucht, Möglichkeiten und Wünschenswertes in Einklang zu bringen“, meint er. Heute versuche man, immer mehr Probleme mit Geld zu lösen, das man gar nicht habe. Das werde man noch bereuen. Auch habe der Staat Bürger und Wirtschaft in den vergangenen Jahren immer stärker reguliert. Die Folge: eine überbordende Bürokratie, die Innovationen lähmt und viel Geld kostet.
Mann des offenen Worts
Klenk hat es sich selten nehmen lassen, seine Meinung kundzutun, auch wenn dies unbequem oder politisch riskant war. Dabei hat er seit Amtsantritt 2002 den Ausgleich mit einem mitunter widerspenstigen Gemeinderat nicht aus den Augen verloren. Anfangs im erbitterten Streit um die Fildermesse unter Verdacht, nur als verlängerter Arm der CDU-Landesregierung zu agieren, schafft er es, die Wogen zu glätten.
Wirtschaftsnah freut er sich stolz darüber, dass 38 deutsche Top-Unternehmen in seiner Stadt angesiedelt sind. In der Flüchtlingspolitik hat er bereits 2015/16 öffentlich von Bund und Land einen restriktiveren Kurs gefordert, weil sich schon damals selbst für eine Kommune im wohlhabenden Stuttgarter Speckgürtel Grenzen bei Unterbringung und Betreuung abzeichneten. In Wir-schaffen-das-Zeiten galt er als Schwarzseher und Scharfmacher. Heute sieht er sich bestätigt, die jüngst gefundenen Lösungen reichen ihm aber nicht. Auch im langen Streit um die Kontrolle von Grund und Boden einer Moschee bleibt er hart. Zuletzt hatte er im Sommer mit dem Verweis auf die Redefreiheit gegen viel Widerstand von links den Auftritt des Schweizer Autors Daniele Ganser in der städtischen Filderhalle durchgesetzt.
„Konservatives Lager gut abgedeckt“
Klenk ist überzeugt, dass es der CDU mit konservativem Pragmatismus, Werten und Mittelklasse-Orientierung gelingt, destruktiven Rechtspopulisten, die traditionelle Werte nur beschwören, in Schach zu halten. Bisher spielt die AfD in der Filder-Kommune keine Rolle. Und wie denkt er über die Brandmauer-Debatte? „Die CDU soll ihre politische Arbeit machen, unabhängig von der AfD“, meint Klenk robust zu dem gerade für seine Partei so heiklen Punkt.
Der SPD-Fraktionschef Erich Klauser sagt: „Mit seiner hohen Akzeptanz deckt er das konservative Lager gut ab.“ Und der Freiburger Politikwissenschaftler Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) erklärt: „Es spricht einiges dafür, dass ein OB mit klarer Werteorientierung über seine Persönlichkeit und Kompetenz an den Rändern rechts und links nicht so viel zulässt.“ Klenks Gegenspieler im Gemeinderat konstatieren, er sei mit den Jahren konservativer geworden. „Mir war er zu wenig gestaltend erhaltend“, sagt Ingrid Grischtschenko, Vize-Fraktionschefin der Grünen mit Blick auf Defizite etwa bei bezahlbarem Wohnraum. „Er ist der geborene OB“, meint SPD-Mann Klauser über Klenks Nähe zu den Bürgern, auch wenn er sich beim Ausbau der Kinderbetreuung einen aktiveren Rathauschef gewünscht hätte.
Schwieriger Weg in die Zukunft
Was müsste sich ändern, um das „Modell Deutschland“ neu zu beleben? „Wir brauchen wieder die Fähigkeit zum offenen Meinungsaustausch“, sagt Geschichtsfan Klenk, der Biografien zu Napoleon, Bismarck und Adenauer verschlingt. Man dürfe dem politischen Gegner nicht unterstellen, er führe das Land in den Abgrund. Die Krisen-Debatte könnte einer neuen Reformbereitschaft den Boden bereiten. „Aber das Land hat einen schwierigen Weg vor sich, weil es einige seiner Tugenden verlernt hat. Und dieser Weg ist mit vielen Unsicherheiten gepflastert.“