Die meisten Geschäfte müssen schließen, Schulen und Kindertageseinrichtungen ebenfalls. (Symbolbild) Foto: dpa

Schulen planen für kommende Wochen Notbetreuung und Fernunterricht. 

Ab Mittwoch müssen die meisten Geschäfte schließen, Schulen und Kindertageseinrichtungen ebenfalls. Dieser zweite, "harte Lockdown" hat gravierende Auswirkungen unter anderem auf Einzelhändler und Familien. Bestenfalls allerdings auch auf die weitere Verbreitung des Coronavirus.

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Calw - Sonja Vollmer und Katrin Heeskens reicht es. Die beiden Möttlingerinnen haben das Gefühl, dass sich ein halbes Jahr lang nichts getan hat. Wie schon im Frühsommer kommt es zu einem harten Lockdown, und wie schon im Frühsommer – so ihr Eindruck – stehen die Schulen alleine da, wenn es darum geht, die Digitalisierung voranzutreiben. Trotz aller "schönen Versprechen" der Politik ist flächendeckender Fernunterricht nicht möglich. Aber erforderlich: Das zeigt die erneute, coronabedingte Schließung der Schulen ab Mittwoch. Ihren Ärger und ihr Unverständnis fassen sie in einem offenen Brief an Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) in Worte (siehe Info).

Zwei Mütter schreiben an Kultusministerin

"Ich wünsche mir, dass man eine Perspektive hat, wie’s weitergeht", sagt Vollmer. Einer ihrer Söhne ist Viertklässler an der Möttlinger Grundschule, der Fünfjährige im Kindergartenalter. Er habe "fürchterlich geweint" angesichts der neuerlichen Schließung. Das zeigt Sonja Vollmer, dass schon der erste Lockdown Spuren hinterlassen hat. Auch bei der berufstätigen Mutter: Die Wochen ohne Betreuung im Frühsommer waren eine Belastung – selbst wenn sie einen verständnisvollen Arbeitgeber und einen freiberuflich tätigen Mann habe. "Da sind wir noch privilegiert." An ihre Grenzen kam die Familie trotzdem. Ob es diesmal anders wird?

Margot Boschert leitet die Erna-Brehm-Grund- und Werkrealschule in Calw und ist seit Montag vor allem mit der Organisation der Notbetreuung beschäftigt. Dieses Mal dürfen sie auch berufstätige Eltern in nicht-systemrelevanten Berufen in Anspruch nehmen. Trotzdem drängt die Landesregierung darauf, dies nur zu tun, wenn es nicht anders geht.

"Schüler brauchen schlicht und ergreifend die Schule"

Boschert und ihre Kollegen bereiten außerdem den Fernunterricht für die Prüfungsklassen 9 und 10 sowie Arbeitsmaterialien für die Erst- bis Achtklässler vor. Diese haben zwar eigentlich ab Mittwoch Weihnachtsferien, "aber auch denen wollten wir Arbeitsmaterial mitgeben" – das bis zum 22. Dezember, dem eigentlichen letzten Schultag, reicht. "Die haben ja schon beim ersten Lockdown einiges versäumt."

"Schüler brauchen schlicht und ergreifend die Schule", erklärt die Rektorin. Gerade für ihre Schützlinge sei Präsenzunterricht das Beste. Dennoch findet Boschert die Schließung angesichts der immer weiter steigenden Infektionszahlen richtig – zumal es auch an ihrer Einrichtung immer wieder Corona- und Quarantänefälle gab. Aktuell befindet sich eine Gruppe Siebtklässler und eine Vorbereitungsklasse zu Hause.

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Das Hin und Her mit dem Ferienbeginn in Baden-Württemberg habe das Planen indes schwer gemacht. "Wir sind froh, dass jetzt ein Entschluss gefallen ist." Doch vor allem die Werkrealschüler ab der Klasse 7 "würden lieber in die Schule kommen", erzählt sie. Lernen ist dort einfacher, sie haben ihre Lehrer als Ansprechpartner und können Freunde treffen – damit ist außerhalb der Schule erst einmal Schluss.

Auch Markus Köcher, der Leiter des Hermann-Hesse-Gymnasiums (HHG) und sein Stellvertreter, Daniel von Altrock, können die Schulschließungen angesichts der steigenden Infektionszahlen nachvollziehen. Etwas verwundert waren sie darüber, dass lediglich die Prüfungsklassen – am HHG die Jahrgangsstufen 1 und 2, also die Elft- und Zwölftklässler, Fernunterricht erhalten sollen. Für den Rest beginnen am Mittwoch die Ferien. Köcher und von Altrock hätten sich auch Fernunterricht für alle bis 22. Dezember vorstellen können.

"Wir haben schon alles einmal durchgespielt"

Immerhin: Offenbar sind die Lücken, die der erste Lockdown ab März hinterlassen hatte, geschlossen. "Wir liegen ganz gut in der Zeit in diesem Schuljahr", sagt Köcher. Denn all die Einschränkungen durch Corona haben zur Folge, dass die Schulen sich auf den Unterricht konzentrieren – andere Veranstaltungen finden praktisch nicht statt. Wie es ab Montag, 11. Januar, weitergeht, das weiß bisher noch niemand. "Wir sind auf die verschiedenen Eventualitäten vorbereitet", sagt Köcher. Egal ob Präsenzunterricht im Wechsel oder Unterricht aus der Ferne. Am Montag wurden die ersten Leihgeräte an Schüler ausgegeben, die ein Tablet benötigen, um zu Hause online unterrichtet zu werden. Ein Positives haben die Erfahrungen die vergangenen Monate: "Wir haben alles schon einmal durchgespielt", meint Daniel von Altrock.

Isabel Götz leitet in der Stadtverwaltung den Fachbereich zwei und ist damit für Bildung, Kultur und Tourismus zuständig. Auch für sie ist die Organisation der Notbetreuung ab Mittwoch ein großes Thema, auch sie war nicht überrascht vom zweiten harten Lockdown. Dass die Entscheidung dazu wieder sehr kurzfristig gefallen ist, macht ihre Arbeit nicht leichter. Allerdings meint Götz: "Wir haben ja alle gesehen, wie die Zahlen sich entwickeln." Lange habe es Priorität gehabt, die Schulen offenzuhalten. Jetzt gehe das eben nicht mehr. Und dies obwohl sie nicht sehe, "dass Schulen und Kindertagesstätten problematisch sind". Kam es zu Corona-Fällen in Calwer Einrichtungen, dann seien diese "von außen hereingetragen worden".

In einer Situation wie jetzt allerdings, wo Verbreitungsherde nicht mehr auszumachen sind, sei ein totaler Lockdown wohl die einzige Chance, um die Ausbreitung zu stoppen.

Immerhin, meint Isabel Götz, habe der digitale Unterricht enorme Fortschritte gemacht.

Sonja Vollmer würde dem wohl nur bedingt zustimmen. Ihr ist es wichtig zu sagen, dass sowohl die Grundschule Möttlingen als auch das Berufschulzentrum auf dem Wimberg und das Maria-von-Linden-Gymnasium – dort gehen Katrin Heeskens Kinder zur Schule – den Fernunterricht und die Digitalisierung sehr gut umgesetzt haben. "Aber die müssen vor sich selber hinwursteln", bemängelt Vollmer. Ihren offenen Brief haben sie und Heeskens deshalb ans Kultusministerium geschickt. Ob sie eine Antwort bekommen? Darauf sind die beiden Frauen wohl genauso gespannt wie auf den 11. Januar und was dann passieren wird.