Kommandeur Alexander Sollfrank bei seiner Ansprache. Foto: Bundeswehr

KSK-Kommandeur Alexander Sollfrank spricht  über mutmaßliche Skandale und Herausforderungen der Zukunft.

Calw. Negative Schlagzeilen, anstehende Herausforderungen, das Vertrauen in die Truppe – beim Neujahrsempfang des Kommando Spezialkräfte (KSK) blickte Kommandeur Alexander Sollfrank auf ein Jahr zurück, das für den Ruf der Bundeswehr hätte besser sein können. Und skizzierte, was die Zukunft bringen kann und soll.

Sachlichkeit. Wer mit Alexander Sollfrank spricht, merkt schnell, dass dieser Begriff für den Kommandeur des KSK nicht nur ein leeres Wort darstellt. Entsprechend sachlich fiel beim Neujahrsempfang der Spezialeinheit in der Calwer Kaserne seine Bestandsaufnahme des Vergangenen und sein Blick auf das Kommende aus. "Das Jahr 2017 war keine Postkarten-Schönheit – beileibe nicht", stellte Sollfrank beispielsweise ganz nüchtern vor dem Hintergrund der zahlreichen negativen Schlagzeilen fest, die in den vergangenen Monaten ein düsteres Bild der Bundeswehr gezeichnet hatten.

Aufgebläht berichtet?

Und doch stellte er auch die Frage in den Raum, ob die Zustände wirklich so schlimm seien, oder ob dieser Eindruck nicht schlicht durch eine aufgeblähte Berichterstattung entstanden sei. Vorwürfe von sexuellem Missbrauch, Mobbing und fragwürdigen Ritualen stehen im Raum – sämtlich Vorkommnisse, die der so genannten "Inneren Führung" widersprechen, einem Begriff aus den 1950er-Jahren der Bundesrepublik. Vereinfacht gesagt bedeutet "Innere Führung", dass die Bundeswehr Teil der demokratischen Gesellschaft sein muss – und kein Staat im Staate wie beispielsweise die Reichswehr der Weimarer Republik.

Schnell waren nach den skandalträchtigen Vorwürfen Rufe laut geworden, es gebe ein Problem mit der "Inneren Führung". Der Kommandeur bewertet die Vorkommnisse als Einzelfälle, die unverhältnismäßig skandalisiert worden seien. "Einige wenige haben vielen geschadet", so Sollfrank. Unberührt davon bleibe natürlich die Tatsache, dass die Fälle verfolgt und geahndet werden müssten. Im Zuge der Vorwürfe sei es jedoch häufig ungerechtfertigt zu Vorverurteilungen gekommen, die das Vertrauen und das gute Miteinander zwischen Angehörigen der Bundeswehr und allen anderen Bürgern gefährden könnten.

Neuer Traditionserlass

Ein gutes Miteinander, das erklärte Sollfrank deutlich, sei ihm wichtig. In Calw und der Region fühle er sich und das KSK gut angenommen; es gebe ein Vertrauensverhältnis und Anerkennung. Beides sei nicht selbstverständlich, daran gelte es stets zu arbeiten und im Gespräch zu bleiben.

Ein weiteres Thema, das die Bundeswehr 2017 beschäftigte, war die Tradition – und die Frage, welche Rolle die Wehrmacht noch spielt und spielen darf. Nun liege ein neuer Traditionserlass (vereinfacht gesagt ein Schriftstück, das Werte und Normen des Militärs festhält) vor, den es mit Leben zu füllen gelte, sagte der Kommandeur. Eine Überarbeitung der Version aus dem Jahr 1982 sei nötig gewesen, weil sich in Politik, Gesellschaft und Militär seit damals vieles verändert habe.

Für die Zukunft sieht Sollfrank unter anderem in Sachen Gefechtsgeschichte Handlungsbedarf. So hätten Soldaten nie gelernt, über Gefechte zu sprechen. Es müsse aber klar werden: Vieles, was dabei geschehe, Geschichten von Mut, Ethos, Ritterlichkeit, "darf erzählt werden, muss erzählt werden, muss erzählt werden dürfen".

Für das Jahr 2018 wünschte sich der Kommandeur nicht zuletzt, dass bald eine stabile Regierung in Deutschland zustande komme – auch aus Gründen der Sicherheitspolitik. Russland rüste weiter auf, die Krim sei noch immer besetzt, der Krieg in der Ukraine nicht beendet. Bündnisländer im Osten sorgten sich. Und die Verteidigung des Landes und der Bündnispartner sei wieder ein Thema geworden. Abschreckung wirke nur, wenn sie überzeugend betrieben werde.

Auch Afghanistan sei weiter ein Thema und weit davon entfernt, ein stabiles Land zu sein. Der Westen, die Nato, seien dort in den Augen der Öffentlichkeit alles andere als auf der Siegerstraße. Für die KSK sei es das mittlerweile 16. Einsatzjahr in Folge.

Im Mittleren Osten sei der IS noch nicht besiegt; die Rückkehr von so genannten Gefährdern nach Deutschland bedrohe die Sicherheit. Und was Afrika angehe: "Auch heute verlassen Menschen noch ihre Heimat", so der Kommandeur. Die Bundeswehr sei gefragt, dort Sicherheitsstrukturen aufzubauen.

Insgesamt war es "kein weißer Zuckerguss", was Sollfrank, wie er selbst sagte, in seiner Ansprache präsentierte. Vielleicht beendete er seine Rede auch gerade deshalb mit einer Bitte – und der Betonung des nötigen Vertrauens und der Gemeinschaft. "Bleiben Sie uns in diesem Jahr auch weiterhin gewogen", bat der Kommandeur. Denn die Bundeswehr brauche die Unterstützung der Bürger, gerade, "wenn es mal stürmisch wird".

Diesen Rückhalt versicherte Calws Oberbürgermeister Ralf Eggert indes in seiner Ansprache. Die Verbundenheit zum Standort sei groß, betonte der OB. Dies sei vor allem im vergangenen Jahr deutlich geworden, in dem das KSK mit dem begehrten Preis des Calwer Gewerbevereins, dem Calwer Löwen, ausgezeichnet wurde – und die Calwer Gewerbetreibenden das KSK als Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor vor Ort würdigten.

Wenig öffentlicher Dank

Überhaupt habe die Bundeswehr einen großen Teil zur Entwicklung der Stadt beigetragen. Mit dem Bau Heumadens sei schließlich erst Ende der 1950er-Jahre begonnen worden, nachdem Calw 1957 Bundeswehrstandort geworden sei. Heute ist Heumaden der größte Teilort der Hesse-Stadt.

Eggert würdigte auch den Einsatz des KSK für Freiheit und Sicherheit, bei dem die Soldaten Leib und Leben einsetzten, beispielsweise bei der Befreiung deutscher Staatsbürger im Ausland. Öffentlichen Dank dafür gebe es dagegen selten – weder für die Soldaten selbst, noch für deren Familien, die "in den schweren Stunden bangt und sich doch im Alltag nichts anmerken" lassen dürften. "Stellvertretend für die Bürger" übernahm der OB dies deshalb während des Neujahrsempfangs. Und hob hervor: Das KSK habe gerade in der heutigen Zeit, da die Zahl der Krisenherde und terroristischen Angriffe weltweit wachse, eine besondere Daseinsberechtigung.