Die Anwohner in den Häusern, direkt unterhalb des geplanten Anbaus, befürchten ein "Schattendasein". Foto: Rousek

Anwohner befürchten künftig "Schattendasein". Vorwurf an Verwaltung: mangelnde Transparenz.

Calw - Ein Anbau soll das Platzproblem im Calwer Landratsamt lösen. Der Entwurf – ein Querbau, der sich über das Haus A legt – sorgt aber für Kritik in der Bevölkerung. Anwohner befürchten künftig ein regelrechtes "Schattendasein". In der kommenden Sitzung des Bau- und Umweltausschusses wird das Vorhaben diskutiert.

Das Landratsamt "platzt aus allen Nähten", sagt Andreas Quentin, Leiter des Fachbereichs Planen, Bauen, Verkehr. Und das nicht erst seit gestern. Ein Anbau sei daher dringend notwendig, schließlich gehe es auch um Arbeitsplätze. Funktional sollte dieser sein, mit einem zentralen Eingangsbereich. "Aber auf der ganzen Breite aufzustocken, das kann nicht Ziel sein", betont er. Daher sieht der aktuelle Entwurf einen Querbau vor, der auf Haus A aufgesetzt wird und über die Vorgteistraße ragt, bis zum gegenüberliegenden Hang. "Die Zulassungsstelle schließt östlich an Haus B, Ebene 4, an und ist das Bindeglied zwischen Haus B und dem zentralen Eingang", heißt es in der Sitzungsvorlage für den Bau- und Umweltausschuss. Das Ganze sei mit einer Breite von 16 Metern geplant, die Höhe des Anbaus soll 7,70 Meter betragen, mit einer Fläche von rund 1000 Quadratmetern – was laut Sitzungsvorlage etwa 100 Arbeitsplätzen entspricht. "Es hat eine besondere Bedeutung für die städtebauliche Wirkung", gibt Quentin zu. Daher müsse man im Gremium über das Vorhaben beraten.

Für die Anwohner unterhalb des Landratsamts steht hingegen schon jetzt fest: Das Bauvorhaben ist ein Unding. Fünf Parteien aus dem Steinrinnenweg haben sich zusammengesetzt, um im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten ihre Bedenken vorzubringen. Und davon gibt es einige. Erst vor wenigen Wochen seien die Anwohner schriftlich über den Anbau informiert worden – mit dem Vermerk, dass sie nun vier Wochen Zeit hätten, um Einspruch zu erheben. "Zu wenig", sind sie sich einig. Sie werfen der Verwaltung mangelnde Transparenz vor. "So ein Vorhaben geht klammheimlich an den Bürgern vorbei", kritisieren sie. Ein Vorwurf, mit dem Claudia Krause, Abteilungsleiterin Zentrale Steuerung im Landratsamt, wenig anfangen kann. "Die geplante Erweiterung des Landratsamts ist sowohl in öffentlicher Kreistagssitzung am 18. Dezember 2017, als auch am 22. Oktober 2018 thematisiert worden", erklärt sie. "Von einer mangelnden Transparenz kann deshalb nicht die Rede sein."

Bleibt die größte Sorge: Ein "Schattendasein" im eigenen Haus und Garten sowie das Gefühl, ständig von den Fenstern des Anbaus aus beobachtet zu werden. "Wir werden nur noch Schatten haben, den ganzen Tag", echauffiert sich die Bewohnerin eines Hauses, das direkt unterhalb des geplanten Anbaus steht. Gemeinsam mit Nachbarn haben sie das über ein Programm herausgefunden, mit dessen Hilfe man Schatten berechnen kann. Infolge dessen werde dann mehr Energie für Licht und Heizung benötigt, der Wert der Immobilien werde sinken, erklärt sie weiter. Schon jetzt gebe es in einigen der Häusern Probleme mit Hangfeuchtigkeit. "Das wird dann noch schlimmer, wenn die Sonne nicht mehr hinkommt", befürchtet die Frau. Zu bestimmten Tageszeiten werde der Schatten gar bis hinunter in die Stadt reichen. "Eine massive Beeinträchtigung", sind sich die Nachbarn einig.

Hinzu kommen Befürchtungen hinsichtlich der Privatsphäre in den angrenzenden Gärten. "Wir sitzen da ja wie auf dem Präsentierteller", ärgert sich eine Anwohnerin. Ein hohes Gebäude mit vielen Fenstern, direkt oberhalb des Gartens – "Da können ja alle schauen." Gerade für sie als Mutter ein Ärgernis. "Der Garten fällt weg, die Lebensqualität geht flöten", bringt sie es auf den Punkt.

Ganz abgesehen davon, dass die Anwohner von der Optik des geplanten Gebäudes nicht gerade angetan sind. "Es ist ja jetzt schon nicht das schönste Gebäude", finden sie. "Mit dem Anbau dominiert das noch mehr das Stadtbild." Die Kaltluftschneise, die beim Landratsamt verlaufe, sei bei der Planung einfach ignoriert worden. "Das ist nicht nachvollziehbar, weil es Alternativen gibt."

Vertreter des Architekturbüros in Sitzung dabei

Alles in allem: Ein "Prestigeobjekt auf Kosten der Anwohner, einfach unverschämt." Und das Schlimmste: "Wir sind hilflos", sagen die Anwohner. Denn rechtlich gesehen haben sie nichts in der Hand – eine Garantie auf Sonnenlicht oder ähnliches gibt es nicht.

Laut Krause sei der Entwurf für die Erweiterung aus gutem Grund so gewählt worden, wie er jetzt ist: Ein massiver Baukörper in Verlängerung des Hauses C, als auch eine Aufstockung vorhandener Gebäude sei zugunsten einer schlanken und ressourcenschonenden Variante verworfen worden, sagt sie. Auf der anderen Seite der Vogteistraße, zu der die Brücke führt, könnte man sich in Zukunft entwickeln. "Gerade die Ausrichtung des Baukörpers in Süd-Nord-Richtung kommt der Fließrichtung der Kaltluftschneise entgegen", betont sie. Zudem werde durch die Süd-Nord-Ausrichtung des Baukörpers die Verschattung auf ein Minimum reduziert. "Das gleiche gilt für die Einsehbarkeit des Gebäudekomplexes." Auf die Empfehlung von Vertretern des Gemeinderats hin sei der geplante Anbau schon beidseitig um jeweils fünf Meter verkleinert worden.

In der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am Donnerstag, 21. Februar, wird das Vorhaben nochmals von Vertretern des Landratsamts und des Architekturbüros vorgestellt. Man wolle ein Stimmungsbild einholen, so Quentin. Gegebenenfalls könnte man auch eine Verschattungsanalyse anfordern. Da das Baugesuch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einigen Punkten überschreitet, muss das Gremium zudem darüber entscheiden, ob es davon befreit wird.