Gleise ins Nirgendwo: Noch fehlt die Brücke in Weil der Stadt. Foto: Buckenmaier

Erste Verhandlung vor Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Eisenbahnstrecke endet an Schlucht.

Calw/Mannheim - Eine Eisenbahnstrecke endet an einer Schlucht, die Verbindung zur anderen Seite sieht aus wie weggesprengt. Kein Bild aus einem Western, sondern Wirklichkeit in Weil der Stadt. Wenn es nach dem Willen der ehemaligen freien Reichsstädter geht, soll das auch so bleiben. Dafür zog die Stadt vor den Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim.

Die gestrige mündliche Verhandlung des 5. Senats ist der Auftakt zu dem großen juristischen Tauziehen um den Bau der Hermann-Hesse-Bahn (HHB) vor der höchsten Verwaltungsgerichtsinstanz in Baden-Württemberg. Hier stapeln sich mittlerweile die Klagen gegen das 50-Millionen-Projekt.

Weil der Stadt will zum einen den Neubau der Brücke verhindern, der die besagten Endstücke vor den Toren der Stadt wieder verbinden soll. Die alte Strecke der Württembergischen Schwarzwaldbahn, die vor mehr als 30 Jahren stillgelegt wurde und jetzt als Hesse-Bahn von Calw nach Renningen wieder aktiviert werden soll, war beim Neubau der Weil der Städter Stadtumfahrung durchtrennt worden.

Die Stadt Weil der Stadt musste damals, beim Bau ihrer Südumfahrung, vertraglich zusichern, dass sie für Ersatz sorgen müsse, sollte die Strecke jemals wieder in Betrieb gehen. Heute fühlt man sich an die Zusage nicht mehr gebunden – im Gegenteil: Der Brückenbau soll mit juristischen Mitteln verhindert werden. Die gestern mündlich erörterte Klage vor dem VGH in Mannheim gegen die Plangenehmigung begründet die Stadt damit, dass zum einen ihre Rechte nicht richtig abgewogen worden seien, wie VGH-Pressesprecher und Richter Matthias Hettich auf Anfrage unserer Zeitung erklärte, zum anderen wird eine "unzulässige Abschnittsbildung" moniert. Dahinter verbirgt sich der vom Weil der Städter Bürgermeister Thilo Schreiber schon mehrfach öffentlich geäußerte Vorwurf, dass der Kreis Calw kein einheitliches Genehmigungsverfahren für die Hesse-Bahn vorangetrieben habe und stattdessen "stückchenweise" vorgegangen sei. Im Calwer Landratsamt hält man entgegen, dass die Strecke ja nur saniert werde – und deswegen genehmigungsfrei sei. Nur für die größeren Bauten – wie der Tunnel bei Ostelsheim, die beiden Brückenneubauten in Calw und Weil der Stadt sowie für den Bahnhof in Renningen – bedürfe es einer Genehmigung.

"Die Tendenz sieht gut aus"

Pikant am Rande: Die Brücke ist in der ehemaligen freien Reichsstadt zwar nicht gewollt, ein Zuschussantrag soll nach dem Beschluss des Gemeinderats aber gleichwohl gestellt werden.

"Weit spannender" als der gestern behandelte Fall, so VGH-Sprecher Hettich, versprechen die anderen drei Klagen zu werden, die in Mannheim in Sachen HHB anhängig sind. Alle drei richten sich gegen den so genannten Planfeststellungsbeschluss, also gegen die Baugenehmigung der Hesse-Bahn generell. Kläger sind zum einen zwei Privatpersonen, zum anderen der Naturschutzbund NABU und abermals die Stadt Weil der Stadt.

In der Stadt am nordwestlichen Rand des Kreises Böblingen wie auch in der Nachbarstadt Renningen befürchtet man vor allem, dass durch die zusätzlich verkehrende Hesse-Bahn auf der eingleisigen Strecke zwischen Weil der Stadt und Malmsheim der Takt der ohnedies oft verspäteten S-Bahnlinie 6 durcheinandergewirbelt werden könnte. Michael Stierle, im Calwer Landratsamt für das Projekt zuständig, versuchte in der Vergangenheit diese Befürchtungen vergeblich zu zerstreuen. Mit einem durchgespielten Stresstest in den Vormittagsspitzen, so Stierle gegenüber unserer Zeitung, sei nachgewiesen worden, dass es keine negativen Auswirkungen auf die S-Bahn gebe. Ein weiterer Robustheitstest zu Spitzenzeiten am Nachmittag soll folgen.

Nach zweistündiger Verhandlung des 5. Senats ging Stierle gestern zuversichtlich aus dem Sitzungssaal: "Die Tendenz sieht gut aus." Das Urteil soll morgen um 11 Uhr verkündet werden.

Ob eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen wird, steht noch nicht fest. Aber selbst wenn im Sinne des Kreises Calw – ohne die Zulassung von Rechtsmitteln – entschieden würde, könnten die Bahngegner mit einer Nichtzulassungsbeschwerde Zeit schinden. Über der Hesse-Bahn hängt – wie berichtet – wie ein Damoklesschwert die Zuschussfrage: Eigentlich müsste die Bahn bis Ende 2018 in Betrieb gehen, um von dem dann auslaufenden GVFG-Programm noch zu profitieren.

Entwarnung kam in diesen Tagen indes aus dem baden-württembergischen Verkehrsministerium: Es gebe die klare politische Zusage, erklärte Edgar Neumann, Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann, gegenüber der Stuttgarter Zeitung, dass die Fördergelder auch nach 2019 noch fließen würden.