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Landratsamt und Klinikverbund: Stationäre Versorgung der Bevölkerung nicht gefährdet.

Kreis Calw - Der Aufschrei von mehr als 100 Ärzten, die sich für eine funktionstüchtige stationäre Krankenhausversorgung im Kreis Calw einsetzen, sorgte in der vergangenen Woche für großes Aufsehen. Nun melden sich Landratsamt und Klinikverbund zu Wort – und signalisieren Gesprächsbereitschaft.

In einer Pressemitteilung der Calwer Landkreisverwaltung wehrt diese sich gegen öffentliche Vorwürfe, die Kreistagsbeschlüsse zur Zukunft der Kliniken im Kreis würden die zukünftige stationäre Versorgung der Calwer Bevölkerung gefährden – "und mahnt zur Sachlichkeit in der Diskussion um das vom Kreistag im Jahr 2015 verabschiedete Medizinkonzept für ein Plankrankenhaus an den beiden Standorten Calw und Nagold".

Die Verwaltung reagiert damit auf eine Anzeige, die am Samstag in unseren Lokalteilen Calw und Nagold erschienen war. Darin fordern mehr als 100 Ärzte aus der Region verschiedene Änderungen am geplanten Klinikkonzept, um die Zukunft des Standortes Calw zu sichern.

Das Landratsamt

"Wir stellen mit Sorge und Befremden fest, dass die öffentliche Diskussion über die zukünftige Krankenhausplanung im Landkreis Calw zunehmend geprägt ist von plakativen Aussagen und Halbwahrheiten, die nicht der Aufklärung dienen, sondern eher zur Verunsicherung in der Bevölkerung führen", heißt es aus dem Landratsamt. Es werde der Eindruck erweckt, die Landkreisverwaltung handle hinsichtlich der Krankenhausplanung möglicherweise rechtswidrig.

Ziel des vom Kreistag 2015 verabschiedeten Medizinkonzepts sei es jedoch, gerade die wohnortnahe stationäre medizinische Notfall- und Basisversorgung zu gewährleisten. "Dieses Zusammenspiel spezieller und hoch spezialisierter Behandlungsleistungen ist kein Alleingang des Landkreises Calw, sondern mit dem Klinikverbund Südwest, den Krankenkassen und mit dem Sozialministerium Baden-Württemberg abgestimmt", wird in dem Schreiben betont. Das Projekt des Gesundheitscampus werde von den Beteiligten ausdrücklich begrüßt und habe bundesweit Modellcharakter.

"Wir sind offen für kritische Beiträge, weil wir sie als Auftrag verstehen, unser Konzept der wohnortnahen stationären und ambulanten Gesundheitsversorgung für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Calw zu verbessern und zukunftsfähig weiter zu entwickeln", signalisiert die Verwaltung Gesprächsbereitsschaft – und ruft dazu auf, "einen konstruktiven und verantwortungsvollen Dialog" zum Medizinkonzept mit den Verantwortlichen zu beginnen.

Zur oft kritisierten geplanten Reduzierung der Bettenzahl in Calw erklärt die Kreisverwaltung, dass die Kliniken Calw und Nagold nicht gesondert, sondern als ein Plankrankenhaus betrachtet werden müssten. Dieses eine Haus an zwei Standorten habe nach den derzeitigen Planungen zusammen 359 Betten. Damit werde man dem Versorgungsbedarf gerecht.

Auch die Ausbildung von qualifiziertem Personal sei in Zukunft möglich, "Dank der standortübergreifenden Zusammenarbeit im Klinikverbund" und den standortübergreifenden Fachzentren.

Die chirurgische Versorgung werde im Rahmen der Facharztkompetenz "Allgemeinchirurgie" auch in Zukunft gewährleistet.

Der Klinikverbund

Doch nicht nur das Calwer Landratsamt, auch der Klinikverbund Südwest meldete sich am Dienstag mit einer Pressemitteilung zur aktuellen Debatte zu Wort. So erklärt Jörg Noetzel, medizinischer Geschäftsführer und selbst Chirurg, man dürfe bei der Diskussion, die "möglicherweise sehr von verständlicherweise geäußerten Befürchtungen und Meinungen geprägt ist", eines nicht vergessen: Der Klinikverbund wolle "langfristig möglichst wohnortnah für exzellente Qualität in Pflege und Medizin sorgen" – und das trotz schwieriger Rahmenbedingungen. Herausforderungen seien unter anderem eine Mindestanzahl an Operationen, kommende Anforderungen eines aktuell diskutierten Notfallkonzeptes oder die Gewinnung von Fachkräften.

Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, sei der Klinikverbund gegründet worden, in dem sich die Einrichtungen gegenseitig helfen und über das gemeinsame medizinische Angebot abstimmen könnten. Dies bringe mehr Erfolg, als sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. Folglich sei das Gesamtergebnis des Verbundes entscheidend, das somit der wohnortnahen Versorgung "durch Unterstützung der kleineren Standorte und gegenseitiger Patientenzuweisung an die jeweiligen spezialisierten Zentren" diene, heißt es in der Mitteilung. Die vom Kreistag beschlossene Medizinkonzeption habe genau dieses Ziel.

Der Campus-Gedanke sei eine zukunftsweisende Möglichkeit, um die ambulant-stationäre Verzahnung weiterzuentwickeln und in Zeiten des Ärztemangels Gesundheitsangebote "auch für die Leistungserbringer durch eine Bündelung der Kompetenzen und die gemeinsame Nutzung der Infrastruktur bei gleichzeitig räumlicher Nähe attraktiver zu machen".

Derzeit gebe es stets neue Herausforderungen, die von der Gesundheitspolitik auf Bundesebene auferlegt würden. Es gelte daher, sich auf neue Strukturen einzustellen.

Die Umsetzung der Modernisierungsmaßnahmen für die Krankenhäuser Calw und Nagold seien auf einem guten Weg; auch die Mitarbeiter habe man in die Planungen eingebunden. In Nagold laufe bereits die detaillierte Entwurfsplanung. Für den Neubau Calw sei das Architektenauswahlverfahren in Gange, "um dem Anspruch der Patienten nach einer zukunftsorientierten Medizin – aber auch den berechtigten Anforderungen der Mitarbeiter nach modernen, leistungsfähigen und damit attraktiven Arbeitsplätzen – weiterhin gerecht zu werden", unterstreicht das Schreiben des Verbunds.

"Anknüpfend daran möchten wir in einem nächsten Schritt für die Konkretisierung der weiteren inhaltlichen Ausgestaltung der Medizinkonzeption auch in den intensiven Dialog mit den niedergelassenen Ärzten, hier insbesondere mit der Kreisärzteschaft treten", betont Noetzel. Für zukunftsfähige Strukturen sei es nötig, sowohl niedergelassene Ärzte als auch künftige Patienten sowie Krankenkassen und Politik einzubinden.

Abschließend wird in der Mitteilung schließlich vor allem eines nochmals betont: Die Grundproblematik liege "nicht in der Lokalpolitik, nicht in den Gemeinden, nicht in den Landkreisen und auch nicht im Verbund, sondern in den schwierigen Rahmenbedingungen für Kliniken bundes- und landesweit", der sich alle gemeinsam stellen müssten.

Die Ärzte

Dass sowohl Klinikverbund als auch Landratsamt zum Dialog bereits seien, bewerten Eberhard Bantel, Ewald Prokein, Hans Strasser und Rolf Johnen, die Initiatoren der Anzeigen-Aktion, indes äußerst positiv. "Das war genau unser Bemühen: ins Gespräch zu kommen", unterstreichen die Ärzte. Das Konzept 3plus gehe einfach an der medizinischen Realität vorbei; eine Klinik mit 135 Betten sei nicht nachhaltig. Und ihnen sei es sehr wichtig, eben die medizinischen Aspekte geltend zu machen. Die Anzeige habe im Übrigen für einiges Aufsehen in der Bevölkerung gesorgt. Dies sei bereits von mehreren Kreisräten bestätigt worden.