Der Autor Andreas Lehmann und die Baiersbronner Gemeindearchivarin Dorothee Kühnel mit dem neuen Kulturgeschichte-Band bei der Buch-Premiere im Rosensaal. Foto: Siegfried Schmidt

Sein Buch „Der Schwarzwald – Eine kleine Geschichte“, quasi frisch aus der Druckerpresse, stellte Andreas Lehmann in der Vortragsreihe „Baiersbronner Geschichte(n)“ im Rosensaal vor.

Was hat den Schwarzwald so berühmt und zum wohl prominentesten Mittelgebirge der Welt gemacht? Antworten darauf weiß der Kulturhistoriker Andreas Lehmann.

Der promovierte Historiker und Germanist aus Ettlingen hat aktuell eine fast 300-seitige „Biografie einer weltberühmten Region“ vorgelegt. Titel: „Der Schwarzwald – Eine kleine Geschichte“. Darin unternimmt der freiberufliche Ausstellungsmacher und Sachbuch-Schriftsteller eine anregende und aufschlussreiche Tour d’Horizon durch die Entstehungs- und Reife-Geschichte des „Black Forest“.

Lehmann findet zahlreiche Gründe und Erfolgsfaktoren, warum der Schwarzwald fast allen anderen Regionen so viel voraushat. Er stellte sein Werk – quasi frisch aus der Druckerpresse – in der Vortragsreihe „Baiersbronner Geschichte(n)“ im Rosensaal vor. Die Buch-Premiere ermöglicht hatte Archivarin Dorothee Kühnel im Auftrag des Heimat- und Kulturvereins. Kein Auftrag, sondern ein „Herzensprojekt“ sei diese Gesamtschau des Schwarzwalds gewesen, sagte Lehmann.

Eine spezielle Kultur

Es sind historische Hinterlassenschaften, kulturelle Spuren aus verschiedenen Epochen, die den Reiz der Landschaft ausmachen. Ganz vorn dabei Klischees wie Kuckucksuhr, Bollenhut und Schwarzwälder Kirschtorte. Lehmann hält die „stimulierend“ grenznahe Lage des Schwarzwalds und seinen Reichtum an natürlichen Ressourcen wie etwa Holz, Wasserkraft oder Eisenerze für essenziell beim Wachsen einer speziellen Schwarzwald-Kultur und der Industrialisierung.

Standortnachteile wie raues Klima und Abgeschiedenheit hätten wiederum den Erfindergeist angestachelt und für neue unternehmerische Modelle gesorgt. Das ideal ans herbe Klima angepasste Schwarzwaldhaus hat durch seine Räucherkammer den Schwarzwälder Räucherschinken quasi miterfunden, beschreibt Lehmann den Weg, wie aus einer Alltagsfunktion eine Marke geboren wird.

Wie aber konnte in den letzten 200 Jahren „der Mythos Schwarzwald“ auferstehen und um die Welt touren? Lehmann, ganz Kulturgeschichtler, stößt dabei auf romantische Kunstmaler, die den Schwarzwald zum Sehnsuchtsort verklärten. Aber auch Schriftsteller wie Berthold Auerbach, der mit seinen „Dorfgeschichten“ einen „Mega-Seller“ (Lehmann) landete, trugen zur steilen Karriere des Mythos bei.

Projektionsfläche für Träume

Durch den Bau der Eisenbahnen reisten Kurgäste und Wanderer in das Idyll, der Feldberg avancierte bald zur Wiege des Wintersports in Deutschland. Und mit dem Kinokassenschlager „Schwarzwaldmädel“ (1950) war die perfekte Projektionsfläche für Träume und Sehnsüchte geschaffen. Dass der Schwarzwald auch Krise „kann“, schilderte Lehmann, der seinen Vortrag mit Illustrationen und Panoramen garnierte, am Neuerfinden des Mythos nach den verlustreichen Schwächejahren Ende der 90er-Jahre.

Geschicktes, auf den Zeitgeist setzendes Marketing verbindet nun das „Zurück-zur-Natur“ mit Nachhaltigkeit und neuen Wellness-Formen. Das altvordere Wandern erfährt durch Trekking und Outdoor-Abenteuer eine Renaissance. Mit seinen gepiercten Bollenhut-Schönheiten hat der Fotograf Sebastian Wehrle Tradition weiterentwickelt.

Der Erfolg des Schwarzwalds speist sich laut Lehmann aus der prägenden, authentischen Kraft der Kulturtradition und dem kreativen Umgang damit. Der Buchautor gibt sich zukunftsoptimistisch: Eine Region, die ihre Wurzeln kennt und offen für Neues bleibt, handele selbstbewusst, einladend und krisenfest.

Das Buch: Andreas Lehmann: Der Schwarzwald – Eine kleine Geschichte, Lauinger Verlag Karlsruhe, 2023, 27 Euro.