Gerade in Irslingen ist die Schließung der Schule ein sehr sensibles Thema, wie sich Haudegen aus der Zeit nach der Gemeindereform und andere Bürger noch gut erinnern können. Foto: Schmidt

Eltern erregt. Grund für Schließungen: die demographische Entwicklung. Politikstil missfällt.

Dietingen - Die Schulstandorte Irslingen und Böhringen stehen vor dem Aus. In die Gebäude sollen Kinderkrippen einziehen. Die Eltern gehen auf die Barrikaden.

Am Donnerstag platzte die Bombe. Den beiden letzten Grundschulen außerhalb des Ortsteils Dietingen, denen noch vor zwei Jahren mit einem Gemeinderatsbeschluss der Bestand zugesichert wurde, droht das Aus.

Eine Mehrheit des Gemeinderats hatte sich damals massiv gegen die Schließung der Standorte gerichtet. Und nun scheint es, als wolle sich der neu gewählte Rat einstimmig für die Schließung aussprechen. Auch mit den Stimmen derjenigen, die vor zwei Jahren alles in die Wege leiteten, um die Einrichtungen für die Grundschüler ihres Ortes zu retten.

Entscheidung am Dienstag

Bereits am Dienstag, 10. November, soll darüber in der Graf-Gerold-Halle in der Gemeinderatsitzung abgestimmt werden. Ohne, dass zuvor öffentlich diskutiert wurde. Ohne Mitsprache der Eltern, die erst am Donnerstag durch eine Nachricht des Elternbeiratsvorsitzenden informiert wurden.

"Das werden wir uns so nicht gefallen lassen", sagt Beate Ettwein, stellvertretend für die Eltern aus Irslingen. Die Beratung über die beiden Schulstandorte habe in einer zweitägigen Klausurtagung des Gemeinderats stattgefunden, habe sie in Erfahrung gebracht. Und alle Räte, das wisse sie, hätten sich am Schluss hinter die Schließung gestellt. Selbst ihr Ortsvorsteher Klaus Häsler, mit dem sie umgehend den Kontakt suchte.

Wie sehr er die Entscheidung mittrage, hätte ihr dieser Satz verdeutlicht: "Schütte nicht noch Öl ins Feuer." Ihr damit also nahe gelegt, sich nicht gegen die Entscheidung zu wehren. Für Ettwein "unfassbar".

"Absolutes Unding"

Selbst, wenn sie die politische Entscheidung dahinter begreife, wäre diese weitgreifende Entscheidung, ohne Vorwarnung an die Eltern ein "absolutes Unding". Alle Eltern in Irslingen wären mobilisiert. Und sie zeigte sich sicher, dass auch die Böhringer Eltern aufbegehren werden.

In und vor der Halle

Zur Gemeinderatssitzung am Dienstag erwarte sie einen großen Auflauf. Diejenigen, die nicht in die Halle könnten, würden vor der Halle gegen die Entscheidung demonstrieren. Eine Whats-App-Gruppe, in der sich die Eltern austauschen, wurde sofort gegründet. "Hoffentlich können wir noch etwas erreichen", ist dort zu lesen. Oder: "Mir tun die Kidis leid."

Klaus Häsler, darauf angesprochen, betont, auch ihm falle die Entscheidung schwer. Aber: "Uns bleibt nichts anderes übrig." Er bestätigt, dass der Gemeinderat in einer Klausurtagung Mitte Oktober informiert worden sei. Im Unterschied zu der Entscheidung vor zwei Jahren, als er sich vehement für den Erhalt des Standorts eingesetzt habe, habe er sich dieses Mal von einem Gutachter umstimmen lassen.

Fakten in Klausurtagung

Auf der Klausurtagung habe dieser den Ratsmitgliedern die Entwicklung der Dietinger Schullandschaft vor Augen geführt. Maßgeblich sei die demographische Entwicklung, die sich an den Grundschulen der Gemeinde jetzt schon drastischer abzeichne als noch vor zwei Jahren.

Eine Klasse in Böhringen

Im laufenden Jahr würden etwa in Böhringen nur noch die Klassen drei und vier, zusammengefasst in einem Klassenraum, unterrichtet, während für die Klassen eins und zwei zu wenig Anmeldungen vorlagen, mithin die wenigen Schüler aus den Klassen nach Dietingen umgesiedelt wurden. Für die Schule in Böhringen stehe daher auch nur eine Lehrerin zur Verfügung.

Zwei Klassen in Irslingen

In Irslingen sehe es mit zwei Klassen und zwei Lehrkräften zwar besser aus, aber das Gutachten habe gezeigt, dass die kommenden Schuljahrgänge weiter zurückgehen würden. Parallel wachse der Bedarf nach der Betreuung für Unter-Sechsjährige. Die einzige Kinderkrippe in Dietingen platze aus allen Nähten. Diese beide Entwicklungen wären den Räten gegenüber gestellt worden, mit dem Vorschlag, die Schulen in Irslingen und Böhringen zu schließen und sie als Kinderkrippen zu eröffnen. Würde dieser Vorschlag abgelehnt, dann müsse in Dietingen ein Kinderkrippen-Neubau angestrebt werden.

Für Häsler und seine Ratskollegen blieb daher nur eine Möglichkeit: Nicht auf das Schulsterben zu warten, sondern jetzt zu schließen, und dadurch die Kinderkrippen in Irslingen und Böhringen zu integrieren. Zwar ein "Deal", aber einer, der die beiden Ortsteile davor bewahre, absehbar ohne Einrichtung dazustehen.

Mögliches Zeitfenster

Das Zeitfenster sei so angelegt, dass mit der Schul-Schließung in Böhringen und der Eröffnung der Kinderkrippe in Böhringen begonnen werde, dann die Schule in Dietingen erweitert und mit den Maßnahmen in Irslingen das Projekt abgeschlossen würde. Insgesamt werde mit einem Prozess von drei bis vier Jahren gerechnet.

Alternative angesprochen

Anke Willi, Elternsprecherin der Klassen drei und vier in Irslingen, bezeichnet es als "erschreckend, die Eltern vor vollendete Tatsachen" zu stellen. Für sie unverständlich, dass keine Möglichkeit zur Äußerung gegeben wurde. Egal, ob Eltern, Lehrer oder Ortschaftsräte: "Keiner wurde darüber informiert." Es müsse doch selbstverständlich sein, zunächst alle auf den gleichen Stand zu bringen und erst dann den Beschluss zu fassen.

Die Gemeinderäte wären nun gezwungen, zuzustimmen, da die Ortsteile sonst gänzlich leer ausgehen. Dabei fehle die Diskussion, etwa einen der beiden Standorte zu erhalten oder Schule und Kinderkrippe in einem Gebäude unterzubringen.