Der Schornstein des Maute-Areals ragt in die Höhe: Ein Wahrzeichen der Kirchspielgemeinde, das gesprengt oder von Hand abgetragen werden muss. Fotos: Engelhardt Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Bisingens Gemeinderat fasst einen wegweisenden Beschluss / Ort hat noch einen langen Weg vor sich

Bisingens Maute-Areal ist eine der größten Industriebrachen im Zollernalbkreis, die derzeit von Grund auf verändert werden. Im Gemeinderat ist nun eine einschneidende Entscheidung gefallen.

Bisingen. Die Region ist bekannt für ihre lange Textilgeschichte. Zahlreichen Menschen hat die Branche Lohn und Brot gegeben – bis zu ihrem Niedergang. So auch in Bisingen: Die ehemalige Maute-Fabrik hatte zu besten Zeiten um die 1000 Mitarbeiter. Was davon übrig ist? Eine Industriebrache mit rund 1,7 Hektar im Herzen der Kirchspielgemeinde. Sie prägt mit dem Maute-Kamin die Silhouette des Orts ebenso wie die Geschichte.

Während des Zweiten Weltkriegs, vom Sommer 1943 bis Anfang 1945, war im Maschinenhaus die "Forschungsstelle D" eingerichtet, in der die Wissenschaftler um Walter Dällenbach Versuche mit Teilchenbeschleunigern machten. Später wurde die Einrichtung von US-Truppen beschlagnahmt und abtransportiert. Der Forschungsstandort war für die Wissenschaft logistisch ideal gelegen, weil dort Turbinen Strom erzeugt haben, der wiederum für Experimente zur Verfügung stand.

Doch die Ära des Textilherstellers fand, ähnlich wie andernorts im Zollernalbkreis, jähes Ende. Der Niedergang in der Bekleidungsindustrie und fernöstliche Konkurrenz erfasste auch die Maute-Fabrik. Was davon geblieben ist, können Fahrgäste der Bahn schräg gegenüber des Bahnhofs sehen: Eine riesige Brache mit unzähligen, scheinbar abrissreifen Gebäuden. Was sie nicht sehen: Im Untergrund befindet sich ein verwinkeltes System aus Gängen und Räumen.

Das heruntergekommene Gelände hat die Gemeinde Ende 2017 für 950 000 Euro gekauft. Seither schwelen die Fragen: Wie geht es weiter mit dem Areal? Wie könnte es einmal aussehen? Und welche Gebäude sollte man erhalten? Antworten darauf werden nicht nur sachlich diskutiert, verbinden doch zahlreiche Bisinger viele persönliche Erinnerungen mit dem ehemaligen Großunternehmen.

Auch deshalb hat es sich der Gemeinderat mit Entscheidungen in den vergangenen Jahren nicht leicht gemacht. Zunächst hat das Gremium ein "Altlasten- und Rückbaukonzept" in Auftrag gegeben. Im Mai 2019 wurde es vorgestellt. Das Ergebnis: Das Maute-Gelände ist vor allem belastet mit Asbest, etwa an den Rohrverkleidungen in den Kellerräumen. Außerdem wurde vom Fachbüro eine Übersicht erstellt, was Abriss, Erhalt und Teilerhalt kosten würden.

Während der Diskussion kristallisierte sich das Meinungsbild heraus, Kamin, Kessel- und Maschinenhaus näher zu untersuchen, um immerhin diese Gebäudeteile bestenfalls zu erhalten – als Erinnerung an die Maute-Fabrik. Die Ergebnisse davon lagen rasch vor: Im Herbst vergangenen Jahres wird bekannt, dass der Schornstein nicht mehr standsicher ist. Nun muss der Gemeinderat entscheiden, ob er das Bauwerk lieber gesprengt oder von Hand abgetragen haben will. Der vielfach, auch aus der Bevölkerung, geäußerte Wunsch, das für das Ortsbild prägende Bauwerk zu erhalten – zerschellt an der Realität.

Ob das Kessel- und Maschinenhaus wenigstens bleiben dürfen? Das geht, aber nur mit großem Aufwand. Die Decke des mehr als acht Meter hohen Gebäudes müsste komplett erneuert werden, hinzu kommen Teile der Wand, die neu hochgezogen werden müssen. Dieter Fecker, Fraktionsvorsitzender der CDU, brachte darauf überraschend einen Antrag ein, der im Wortlaut so heißt: "Der Gemeinderat beschließt, das Kessel- und Maschinenhaus abzubrechen." Mit deutlicher Mehrheit hat er die Zustimmung dafür erhalten. Die Entscheidung ist ein Meilenstein, denn die Gemeinde wird Sanierung und Nachnutzung des Gebäudeteils nicht mehr weiter verfolgen. Zudem verfestigt sich, dass auch von diesen baulichen Erinnerungen an Maute nichts mehr übrig bleiben wird.

Wohl nicht alle Bisinger werden diese Entscheidung begrüßen, doch sie schafft Klarheit und ebnet den Weg für die weitere Entwicklung des Areals. Und doch liegt noch ein weiter Weg vor der Gemeinde: Die Bürger werden bei Info-Abenden einmal mehr gehört, und auch der Gemeinderat wird noch zahlreiche Ausschreibungen und Arbeiten beschließen müssen.

Zudem: Ein Konzept, was mit dem Gelände passiert, existiert im Moment nicht. Im Gespräch ist ein Architekturwettbewerb. Bis das Konzept steht, könnte es Jahre dauern.