Ein Foto von Leni ziert derzeit das Plakat, das auf den heutigen Welttag des Down-Syndroms hinweist. Das macht auch Mutter Andrea Vöhriger stolz. Foto: Kauffmann

Heute ist Welt-Down-Syndrom-Tag. Auch Neunjährige aus Steinhofen ist betroffen.

Bisingen-Steinhofen - Die neunjährige Leni liebt Ballspiele. Büxt auch gerne mal aus und der Stursinn dieses Mädchens sucht ihresgleichen – typisch für Knirpse mit Down-Syndrom. Ein Vor-Ort-Besuch im Vöhringer-Hof bei Steinhofen.

Munter sitzt Leni auf der Küchentheke. "Spring", ruft ihre Spielkameradin. "Jetzt hüpf doch", tönt es ungeduldig. Doch die Neunjährige bleibt, zappelt gut gelaunt mit ihren Beinen. Leni: "Du zählst bis drei, dann hüpf’ ich." "Eins, zwei, drei" – und sie steht mit einem Satz auf dem Boden.

"Das ist typisch für viele Kinder, die das Down-Syndrom haben", sagt Andrea Vöhringer. Ihre Tochter Leni habe eben auch ihren ganz eigenen Kopf. "Sie sagt gern wo’s lang geht. Sie kann richtig stur sein. Man könnte ihr etwas 300 Mal sagen und sie macht es nicht." Wer von ihr etwas wolle, müsse sich schon richtig auf die Hinterfüße stellen – und Durchhaltevermögen beweisen. Jahrelang will sie etwa ihre Zähne nicht putzen. Inzwischen hat der Stursinn der Neunjährigen wohl ein wenig nachgelassen.

Viele Menschen sind vom Down-Syndrom betroffen. Wie viele es genau sind, kann man nirgends nachlesen. Und wie oft auffällige Befunde beziehungsweise Down-Syndrom-Diagnosen zu Abtreibungen führen, wird in Deutschland ebenfalls nicht erfasst.

"Arzt war sprachloser als ich"

Auch Andrea Vöhringer hat während der Schwangerschaft ihr Fruchtwasser untersuchen lassen. Sie erinnert sich: "Zwei Tage nach der Untersuchung hat der Arzt mich angerufen." "›Ihr Kind hat Trisomie 21‹", hört sie ihn noch heute sagen. Kurzes Schweigen am Telefon. Dann Vöhringer lapidar: "Das hab ich mir schon gedacht." Intuitiv ist ihr bewusst, dass ihrem Kind das Nasenbein fehlt, Oberschenkel und Oberarme verkürzt sind.

"Der Arzt war sprachloser als ich", erzählt sie am Küchentisch lachend, während hinter ihr die Nudeln mit Linsen im Topf kochen. Überhaupt: "Die Ärzte tuscheln immer noch wie vor 50 Jahren, als man behauptet hat, dass diese Kinder nicht überlebensfähig seien." Das komme heute noch vor – und sei einer der wesentlichen Gründe für die Abtreibungen von Kindern, bei denen im Mutterleib das Down-Syndrom diagnostiziert wird.

Ihre Leni sei ja ohnehin "eigentlich ein ganz normales Kind". Im Alltag spüre sie den Unterschied kaum. Leni ist zwar mit einem Herzfehler zur Welt gekommen, doch dieser habe sich inzwischen verwachsen. Wenn sie nicht in der Schule ist, spielt sie am liebsten im Hof mit dem Ball, schießt ihn weg wie beim Fußball, nimmt mit einem Tretroller Fahrt auf und beim Kinderturnen beweist sie Geschicklichkeit. "Das mit dem Ballspielen hat sie bestimmt von mir", scherzt ihre Mutter, die im Verein Volleyball gespielt hat. Gehen die beiden einkaufen, grüßt Leni die Leute im Supermarkt fröhlich. Eine Reaktion bleibt meist jedoch aus. Vöhringer: "Viele sehen ein behindertes Kind und gehen vorbei."

Auch wenn für Familie Vöhringer der Unterschied zu einem Kind ohne Down-Syndrom kaum noch spürbar ist, gewisse Unterschiede bleiben. Leni kann zum Beispiel nicht so deutlich sprechen – ungeübte Ohren müssen zweimal hinhören. Sie lernt etwas langsamer, besucht daher eine sonderpädagogische Einrichtung in Hechingen. Und es fällt ihr schwerer, Freundschaften mit Gleichaltrigen zu schließen. Andrea Vöhringer: "Vom Kindergarten bis jetzt ist sie nur einmal zu einem Kindergeburtstag eingeladen worden."

Und dann ist da noch ihre Down-Syndrom-typische "Weglauftendenz" (Vöhringer). "Wenn ich duschen bin, muss ich alles abschließen." Einmal habe sich die kleine Leni in den Kopf gesetzt, zu Fuß zum Reitsportzentrum zu gehen. Auf einem Feldweg hat sie ihre Mutter wieder ›eingefangen‹. Die Wege, auf denen sie ausbüxt, sind teils abenteuerlich: Sie hat sich klammheimlich bei einem Kunden des Hofladens auf der Rückbank verdrückt. Ganz erstaunt hat der Fahrer nach einigen Kilometern bemerkt, dass da etwas nicht stimmt – und er umkehren muss.

Es braucht mehr und drastischere Anweisungen

Man müsse ihr eben, wie allen Knirpsen mit Down-Syndrom, "öfter und drastischer Anleitung geben" und dran bleiben, erklärt Vöhringer, während ihre Tochter im Hofladen herumspringt. An der Wand hinter der Kasse machen Plakate mit dem Gesicht Lenis auf den heutigen Welttag des Down-Syndroms aufmerksam. Und das sei aus Vöhringers Sicht auch unbedingt nötig, denn: "Viel zu viele Mütter treiben auch heute noch ab, wenn ihnen der Arzt sagt, ihr Kind habe das Down-Syndrom", sagt sie – nimmt die kleine Leni in den Arm und drückt sie fest an sich.

Der Welltag des Down-Syndroms wurde im Jahr 2006 erstmalig von den Organisationen Down Syndrome International (DSi) und European Down Syndrome Association (EDSA) initiiert und wird seit 2012 von den Vereinten Nationen anerkannt. Das Datum ist nicht zufällig gewählt: Bei Menschen mit Down-Syndrom ist das 21. Chromosom dreimal vorhanden. Daher wird das Down-Syndrom auch Trisomie 21 genannt und deshalb findet der Welttag jedes Jahr am 21.3. statt. DSi hat als Motto des diesjährigen Down-Syndrom-Tages "Lasst niemanden zurück" (auch nicht Menschen mit Down-Syndrom) ausgerufen.