80 Quadratmeter an der Ecke Am Borrenbach/Angelstraße dürfen bebaut werden. Die Anlieger zeigen sich enttäuscht darüber.Foto: Kauffmann Foto: Schwarzwälder Bote

Gemeinderat: Eigentümer befürchten Wertverlust und schlechtere Wohnqualität / Bürger wollen Anwalt einschalten

"Wir sind sehr enttäuscht" sagt eine Anwohnerin über den denkbar knappen Beschluss des Gemeinderats am Dienstagabend. Nun liegen alle Optionen auf dem Tisch – auch eine Klage scheint möglich. Wie ist es dazu gekommen?

Bisingen. Die Anwohner sind verärgert, wollen gar einen Anwalt einschalten. Sie fühlen sich von der Gemeinde hintergangen. Was sie befürchten? Den Wertverlust ihrer Immobilien und deutlich schlechtere Wohnqualität. Wer vertritt bei diesem Thema welchen Standpunkt? Ein Überblick:

Worum es geht

Damit die Ecke Am Borrenbach/Angelstraße bebaut werden kann, musste das Gelände überplant werden. Der Bebauungsplan für das Neubaugebiet Fronwiesen-Raubrühl besteht seit 2015, allerdings nicht für das gesamte Neubaugebiet. Einer der Gründe: unklare Eigentumsverhältnisse auf einem Teil des Areals. Da für diesen Bereich sowieso ein Bebauungsplan beschlossen werden muss, hat die Gemeinde das Grundstück an der Ecke Am Borrenbach/Angelstraße gleich mit einbezogen. Dort soll der Bau eines Wohngebäudes möglich werden. Das geht bisher nicht.

Was die Anwohner sagen

Die Anwohner sind damit freilich nicht einverstanden. Sie befürchten, dass viel von ihrer Wohnqualität verloren geht. Denn auf dem Grundstück das vor mehr als 20 Jahren von einem Investor bebaut wurde, stehen bereits drei Wohnhäuser. Und jetzt noch mit einem vierten nachverdichten und dazwischen eingezwängt leben? Das gefällt den Anwohnern nicht.

Bei der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans haben sich zwei Anwohner verschiedener Haushalte schriftlich geäußert. Darin heißt es: "Unsere drei Häuser stehen bereits so dicht, dass ein viertes Haus eine Zumutung wäre." Und weiter: "Wir nehmen durch die Eröffnung dieses Baufensters den Wertverlust unseres Hauses nicht hin." Der damalige Bürgermeister Joachim Krüger habe wegen der "Massivbebauung" Festlegungen getroffen, die in der Gemeindeverwaltung vorhanden seien. Den Anwohnern liegen, wie sie laut Abwägungsprotokoll selbst sagen, entsprechende Schriftstücke der Gemeinde vor. Darin heißt es nach ihren Angaben: "Eine Bebauung über die festgesetzten Grenzen des rechtskräftigen Bebauungsplans (Frongraben, 2. Änderung) hinaus ist nicht zulässig." Die weitere Bebauung des insgesamt 1300 Quadratmeter großen Grundstücks soll also nicht möglich sein.

Konsequenterweise lehnte die Gemeinde im Jahr 2013 den Erweiterungsbau an einem der dortigen Wohnhäuser ab. Es war eine Auffassung, die das Landratsamt Balingen damals bestätigte: Den Bauantrag lehnte die Untere Baubehörde damals ab. Das bestätigte das Landratsamt jüngst auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten.

Daher schreibt der Anwohner: "Sollten diese Zusagen von der Gemeinde Bisingen und dem Landratsamt keine Gültigkeit haben oder nach Belieben geändert werden können, würde dies bedeuten, dass sich die Bürger von Bisingen auf keine Aussage seitens der Gemeinde mehr verlassen können, was einen bedenklichen Zustand anzeigen würde."

Das sagt der Gemeinderat

Genau in diese Kerbe schlug Klaus Ertl: Erst lehne man mit Verweis auf die Nachverdichtung das Baugesuch von 2013 ab und sieben Jahre später tue man genau das: Nachverdichtung erlauben. "Wo ist da die Kontinuität des verwaltungsmäßigen Handelns?", fragte er deshalb. Das Vertrauen in die Verwaltung sei seiner Meinung nach nicht gegeben – wenn auch das Ziel, Wohnraum zu schaffen, sinnvoll sei.

Das sagt die Gemeinde

Schon in einer Gemeinderatssitzung des vergangenen Jahres sei dem Gemeinderat der neue Bebauungsplan vorgelegt worden. Das Gremium hat der Offenlage zugestimmt. Warum also erst jetzt die Kritik? Bürgermeister Waizenegger: "Der Gemeinderat hat nicht signalisiert, dass er dagegen ist." Das hätte man deutlich sagen müssen. Zudem sei die Gemeinde den Anwohnern entgegengekommen: Der Neubau sei nur noch mit einer Etage möglich, nicht mehr mit zwei. Außerdem erklärte Holger Maier, dass bei einem Grundstück in Gartenstraße bereits ähnlich verfahren worden sei.

Wie das Landratsamt auf unsere Anfrage weiter mitteilt, habe die Gemeinde nun von ihrem "Planungsrecht Gebrauch gemacht und im Bebauungsplan Fronwiesen Raubrühl durch einen Flächenzukauf und Verzicht auf ein Sichtdreieck größere Baufenster ausgewiesen und dadurch eine zusätzliche Fläche bebaubar gemacht". Rechtlich spreche aus Sicht des Landratsamts nichts gegen diesen Vorgang.

Die Abstimmung

Klaus Ertl stellte den Antrag, das vorgesehene Grundstück Ecke Am Borrenbach / Angelstraße aus dem Bebauungsplan für das Neubaugebiet herauszunehmen. Dem stimmten acht Gemeinderäte zu, acht waren dagegen.

Bürgermeister Roman Waizenegger hat sich enthalten. Aufgrund der Pattsituation war der Antrag abgelehnt. Dem neue Bebauungsplan wurde mit neun Ja-Stimmen und acht Enthaltungen zugestimmt.

Die Folgen

Für die Anwohner liegen nach dieser Gemeinderatssitzung alle Optionen auf dem Tisch. Einer der Anwohner will – das hat er der Gemeinde schriftlich mitgeteilt – die Angelegenheit von einem Anwalt prüfen lassen. Wie zu hören ist, sind die betroffenen Bürger dazu fest entschlossen.