Die elf afrikanischen Wissenschaftlerinnen aus Namibia, Tansania, Ruanda und Südafrika im englischsprachigen Gespräch mit den deutschen Kolleginnen der Dualen Hochschule (stehend von links): Wendy Fehlner, Anja Teubert und Karin Sauer). Foto: Sauer

"Es war eine unglaublich dichte, eindrückliche und intensive Zeit", berichtet Karin Sauer, Professorin an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), über den einwöchigen Auftakt im Land mit Schlusspunkt in Schwenningen zur Anbahnung einer neuen internationalen Forschungskooperation.

VS-Schwenningen - "Mir fehlen gerade manchmal noch die deutschen Wörter", lacht Karin Sauer, als sie ihre Eindrücke der vergangenen Tage versucht, im Gespräch mit unserer Redaktion in Sätze zu fassen. Das neu gegründete Netzwerk FIRE@DHBW (Female International Research Network) zur Förderung weiblicher wissenschaftlicher Nachwuchskräfte hatte elf afrikanische Wissenschaftlerinnen verschiedener Länder, Disziplinen und Universitäten, ihrerseits bereits auch Mitglieder des Netzwerks, eingeladen. Von Stuttgart über Lörrach, Freiburg bis hin zu Villingen-Schwenningen reichte der Besuchsplan, bei dem die Professorin für Soziale Arbeit an der hiesigen Fakultät für Sozialwesen eine wichtige organisatorische wie auch inhaltliche Rolle einnahm.

Zwei Defizite der internationalen Wissenschaften sollen behoben werden

Mit dem Projekt FIREtalk sollen besonders zwei Defizite der internationalen Wissenschaft angegangen werden: Frauen sind in ihr noch immer unterrepräsentiert, und die Forschungsarbeit afrikanischer Universitäten wird durch Rassismus nicht auf gleicher Augenhöhe wahrgenommen wie jene westlicher Länder. Anhaltende Ignoranz von Industriestaaten gegenüber afrikanischen Staaten ist noch immer an der Tagesordnung. Das Thema war dem tansanischen Botschafter so wichtig, dass er sogar beim Eröffnungstermin in Stuttgart anwesend war. Standen Rassismus und Kolonialismus bei einem der ersten Termine, dem Besuch des Linden-Museums – staatliches Museum für Völkerkunde in Stuttgart – fast zwangsläufig als Thema im Raum, zog sich dieses aber auch bis Villingen-Schwenningen durch.

Alltagsrassismus ist gegenwärtig!

Alltagsrassismus ist gegenwärtig und gehört leider noch lange nicht der Vergangenheit an. Auch die sich zuspitzende Klimakrise, unter der vor allem ärmere Staaten im immer extremer werdenden Wechsel zwischen Dürre und Überschwemmungen zu leiden haben, ohne deren Verursacher zu sein, gehört in diesen Kontext. Eines der zentralen Themen des Besuchs am Campus der Hochschule stellten grenzverletzende Verhaltensweisen und geschlechtsspezifische Gewalt dar. Im Vortrag der Professorin Anja Teubert, Leiterin des Studiengangs Soziale Arbeit an der Fakultät für Sozialwesen, fanden sich erstaunlicherweise alle Wissenschaftlerinnen der beiden Kontinente bis ins Detail wieder. "Themen, die wir alle kennen", so Karin Sauer, "egal ob hier oder in Afrika." Generell gehe es meist um Macht: grenzverletzendes Verhalten, ob bei Individuen, Kulturen oder ganzen Staaten, zerstöre sehr viel und mache ein außerordentlich schwieriges Versöhnen notwendig.

Eine "Rekonstruktion der Welt"

Dass ein solches möglich ist, wenn auch nur mit großen Anstrengungen, darüber waren sich alle Wissenschaftlerinnen einig. Es brauche hierzu eine Aussprache über die jeweilig schmerzenden Erfahrungen und letztlich die Veränderung der Machtverhältnisse. Sauer spricht von "Rekonstruktion der Welt" und sieht darin unter anderem die "Dekolonisation der Wissenschaft" mit echter Wertschätzung des indigenen Wissens ebenso wie den Umweltschutz, der natürlich der "Umwelt" des Menschen, zentral aber dem menschlichen Überleben diene. Umwelt war auch ein Stichwort beim Besuch des Schwenninger Moos. Die Wissenschaftlerinnen aus Namibia, Tansania, Ruanda und Südafrika waren begeistert von dieser "lokalen Rekonstruktion" mit seiner von ihm ausgehenden Ruhe und Artenvielfalt.

Besuch des Spektrums und der Wifög SBH

Interessant wie auch unterhaltsam war für die Delegation das Thema mobile Jugendarbeit, vorgestellt im Jugendhaus Spektrum. "Es gab dort schon viele offizielle Delegationen, aber keine tanzte bislang einfach mal mit", so Sauer. Wirtschaftliche Entwicklung stand im Mittelpunkt beim Besuch der Wifög SBH, der Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg. Gastgeber wie auch Besucherinnen sahen in ihren Erörterungen den formulierten Bedarf aus Handwerk, Gewerbe und Industrie an Praktikanten, Arbeits- und Fachkräften für die Region zum beiderseitigen Nutzen teilweise auch durch Interessenten afrikanischer Staaten erfüllbar. Konkret in mehr Kooperation geht die Hochschule durch Partnerschaften mit afrikanischen Hochschulen, die nach offizieller Genehmigung vermutlich ab 2023 unter anderem Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch Studierender bieten werden. Auch gemeinsame Forschungsprojekte seien denkbar, ebenso wie die gegenseitige Einbindung in Vorlesungen. Online sei da sehr viel zu machen, erläutert Professorin Sauer, ständige Flüge nach Südafrika könnten ja schon aus Umweltschutzgründen keine nachhaltige Lösung sein.

Bereichernde neue Kontakte

Was in der intensiven Auftaktwoche an gegenseitigen Erfahrungen unter den Wissenschaftlerinnen gesammelt werden konnte, lässt für die Projektzukunft hohe Erwartungen sowohl hochschulintern wie auch für regionale Partner der Wirtschaft zu. Karin Sauer wie auch deren oberste Vorgesetzte in der Landeshauptstadt, die Präsidentin der Dualen Hochschulen Baden-Württembergs, Martina Klärle, sind froh über das bestens gelungene Knüpfen neuer internationaler wie auch lokaler und nicht zuletzt persönlicher Kontakte.

Weitere Infos unter https://www.dhbw-vs.de/