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Vier Jahre lang hatte ein ruandischer Kriegsverbrecher im Stuttgarter Justizministerium gearbeitet. Die Behörde wollte nichts über das grausame Doppelleben gewusst haben.

Stuttgart - Vier Jahre lang hatte ein ruandischer Kriegsverbrecher im Stuttgarter Justizministerium gearbeitet. Die Behörde wollte nichts über das grausame Doppelleben des Manns gewusst haben. Doch jetzt steht fest: Informationen darüber hat es gegeben, die Polizei fragte nur nicht hartnäckig genug nach.

Straton Musoni galt als freundlicher Mitarbeiter, für die Kollegen hatte der Computerspezialist immer ein Lächeln übrig. Doch dann, am 14.Juli 2007, kam der Mann plötzlich nicht mehr. Das Ministerium hatte ihn entlassen - nachdem ein Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" den Verdacht genährt hatte, dass es sich bei dem PC-Experten um einen Kriegsverbrecher handle. Dann im vergangenen November wurde Musoni verhaftet - gemeinsam mit Ignace Murwanashyaka aus Mannheim, dem Präsidenten der terroristischen Milizenorganisation FDLR (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda). Die beiden Männer sollen bewaffnete Truppen im Kongo gesteuert haben und sie zu Vergewaltigungen, Plünderungen, Morden und Massakern angestiftet haben.

Doch wie konnte ein Mann wie Straton Musoni überhaupt als IT-Techniker ins Stuttgarter Justizministerium gelangen? Ein Sprecher des Justizministeriums versicherte im November, dass Straton zweimal durch die Polizei überprüft worden sei - durch eine sogenannte Sicherheitsüberprüfung und ohne Auffälligkeiten. Doch die Grünen-Landtagsfraktion wollte es genauer wissen. Justizminister Ulrich Goll (FDP) und Innenminister Heribert Rech (CDU) müssten den "skandalösen Vorgang" schleunigst aufklären, forderte der Grünen-Innenexperte Ulrich Sckerl. Das ist nun geschehen, zumindest vonseiten des Innenministeriums. So antwortet das Ministerium auf eine Anfrage der Grünen: Bei der Überprüfung von Musoni habe es sich keineswegs um eine Sicherheitsüberprüfung gehandelt, sondern um eine sogenannte Zuverlässigkeitsüberprüfung. Diese basiere auf einer "ressortinternen Richtlinie und setze das Einverständnis der zu überprüfenden Person voraus". Über Musoni ließ sich nichts finden. Hätte das Polizeipräsidium Stuttgart nur etwas umfangreicher gesucht, dann wäre ihm etwas aufgefallen. In einer polizeilichen Datei mit den Namen "Geldwäsche" tauchte Musonis Name nämlich auf. "Eine Abfrage dieser Datei gehörte allerdings nicht zum Prüfumfang einer Zuverlässigkeitsüberprüfung", schreibt das Innenministerium in Stuttgart.

Was den Kollegen aus dem Justizressort also entging: Im Jahr 2005 soll Musoni einen "geringen vierstelligen Eurobetrag" nach Belgien und Burundi übermittelt haben. Das Verfahren wurde im November 2006 jedoch eingestellt - weil sich nicht genug Anhaltspunkte für Geldwäsche finden ließen. Viel schwerer wiegt aber: Der Generalbundesanwalt ermittelte gegen Musoni und Murwanashyaka wegen des Verdachts "der Begehung von Völkerrechtsstraftaten" - und das seit Mitte 2006. Details darüber hätte das Polizeipräsidium beim Bundeskriminalamt anfordern müssen, kritisiert das Innenministerium. "Nach Informationen des Bundeskriminalamts ist für den Januar 2007 (zum Zeitpunkt der zweiten Überprüfung, d. Red.) keine Anfrage des Polizeipräsidiums Stuttgart dokumentiert", schreibt das Innenministerium.

"Ein klares Versäumnis des Polizeipräsidiums", sagt ein Insider. Davon ist auch der Grünen-Abgeordnete Sckerl überzeugt. Doch er geht noch weiter. "Die zentrale Frage ist nicht beantwortet: Wer ist für diesen unglaublichen Vorgang verantwortlich?" Die Behörden im Südwesten hätten sich "zu keinem Zeitpunkt" die Mühe gemacht, einmal genauer hinzuschauen und im Leben der beiden nachzuforschen. "Die Behörden haben dem Treiben der beiden jahrelang zugeschaut", sagt Sckerl. Auch jetzt noch würden sie jede Verantwortung von sich schieben. Er erwarte, dass sowohl das Justiz- als auch das Innenministerium einen Schuldigen nenne, der verantwortlich sei für das Versäumnis. Ansonsten würden die Grünen eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragen. Dort sollten alle offenen Fragen geklärt werden. Das Justizministerium selbst wollte sich am Mittwoch nicht zu den neuesten Entwicklungen im Fall der Kriegsverbrecher äußern. Dafür sei man nicht zuständig, hieß es. Immerhin hat das Innenministerium nun Konsequenzen angekündigt. Die Zuverlässigkeitsüberprüfungen sollen genau "beleuchtet" werden.