1600 Teilnehmer waren beim Lichterspaziergang im Januar 2022. Foto: Maier

Gab der Angeklagte den Weg beim Lichterspaziergang an oder war er durch Zufall in der ersten Reihe? Das Balinger Amtsgericht hat keine stichhaltigen Beweise gefunden.

Als die „Hochburg der Demonstrationen“ bezeichnet ein städtischer Verwaltungsbeamter Balingen vor Gericht. In keiner anderen Stadt habe es so viele unangemeldete Versammlungen gegen die Corona-Maßnahmen gegeben. Der mutmaßliche Organisator einer dieser Versammlungen wurde nun aufgrund fehlender Beweise vor Gericht freigesprochen.

War es Zufall, dass der 53-Jährige die Spaziergänger in der vordersten Reihe anführte? Weil er am 24. Januar 2022 einem sogenannten Lichterspaziergang vorneweg marschiert war, ging die Polizei davon aus, dass er die Versammlung organisiert hatte. Der Mann habe – so die Anklage – den Weg der rund 1 600 Teilnehmer durch die Innenstadt vorgegeben.

Vor dem Amtsgericht vertrat die Rechtsanwältin und AfD-Politikerin Martina Böswald aus Freiburg den Mann. „Wir werden behandelt wie Schwerverbrecher“ wirft sie den Justizbeamten vor, die im Eingangsbereich des Amtsgerichts die Ausweise der Zuschauer kontrollieren. Sie sei selbst schon bei „Spaziergängen“ mitgelaufen, erzählt sie.

„Durch Zufall an vorderster Front“

Auch er sei nicht das erste Mal dabei gewesen, gibt der Mann vor Gericht zu. „Ich bin mitspaziert, weil ich mich gegen die Einschränkungen der Grundrechte wehren wollte.“ Mit der Organisation habe er aber nichts zutun gehabt. „Durch Zufall“ sei er, mit seinem Bruder „an vorderster Front mitgelaufen“. Ihm sei „zu keinem Zeitpunkt ersichtlich gewesen, etwas Strafbares zu machen“. Erst nach der Versammlung habe er erfahren, dass er als Versammlungsleiter verdächtigt wurde.

Während die Verteidigerin auf Freispruch plädierte, war für die Staatsanwältin der Sachverhalt klar: Er habe an jenem Abend die Richtung vorgegeben. Auch von einer anderen „Spaziergängerin“ sei er während der Veranstaltung als Organisator festgestellt worden, bestätigten die Zeugenaussagen von Polizeibeamten. Der Angeklagte sei durch seine Position in der ersten Reihe und durch sein Auftreten faktischer Leiter der Versammlung gewesen.

Staatsanwaltschaft hält an Anklage fest

Trotzdem kommt der Angeklagte noch einmal davon: „Mir hat es nicht zu einer Verurteilung gereicht“, sagte die Richterin. Ob er die Veranstaltung anführte, blieb ungeklärt. Aufgrund unzureichender Beweislast wurde der 53-Jährige freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, innerhalb einer Woche kann die Staatsanwaltschaft Einspruch einlegen.