"Warm anziehen" – so steht es auf dem Aufkleber an dem Laternenmasten am Viehrmarktplatz. Auf vieles gefasst machen müssen sich hier nächtliche Besucher. Anwohner klagen über regelmäßige nächtliche Randale – und darüber, dass sich um die Situation niemand so richtig kümmert. Foto: Maier

Bürgerinitiative BALU kritisiert nach massiven Vorfällen, dass sich offenbar niemand zuständig fühlt.

Balingen - So kann’s doch einfach nicht weitergehen – das ist der Tenor eines offenen Briefs der Bürgerinitiative Balinger Unordnung (BALU). Darin kritisiert wird, dass sich an der Situation auf dem Viehmarktplatz nichts ändert – zum Leidwesen der Anwohner.

In der Nacht zum 5. Januar habe es in Balingen an verschiedenen Stellen wieder einmal viel zu erleben oder zu erleiden gegeben, so BALU. Die Skala des Polizeiberichts reichte von verbaler Gewalt bis zur schweren Körperverletzung (wir berichteten). Auffallend dabei sei, so Irene Bechstedt im Namen von BALU, dass praktisch jedes dieser Vorkommnisse unter dem Einfluss von Alkohol stattgefunden habe – und dass der Viehmarktplatz eine herausragende Rolle gespielt habe.

Ergänzend zum Polizeibericht hätten Zeugen beobachtet, dass es sich in der Nacht auf Samstag auf dem Viehmarktplatz nicht um eine Schlägerei gehandelt habe, sondern dass sich ein vermutlich betrunkener etwa 20-jähriger Mann auf den Anbau zwischen zwei Gebäude stellte, von dort abstürzte und sich dabei schwer verletzte. Darüber hinaus wurde beobachtet, dass nicht wenige Jugendliche, vermutlich unter 18, sich lärmend, grölend und keinesfalls mehr nüchtern um 3.30 Uhr auf dem Viehmarktplatz aufhielten.

Aus diesem Anlass fordert BALU, dass das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen dringend auch in Balingen durchgesetzt werden müsse. Statt Videoüberwachung oder Streetworking sollten Vandalen zudem nachdrücklich verfolgt, ihre Personalien festgestellt und sie dann angezeigt werden.

Zudem solle der Jugendschutz in Balingen ernst genommen werden: Es gehe dabei nicht nur um die vielen Minderjährigen, die regelmäßig eine bestimmte Gaststätte am Viehmarktplatz bis tief in die Nacht besuchen, so Bechstedt, "es geht auch um Schutz des Schlafs von Kindern, die an jedem Wochenende massiv gestört werden (ganz abgesehen von ihren Eltern, die ebenfalls ein Recht auf Schlaf haben!)." Deshalb bitte man das Jugendamt um regelmäßige nächtliche Kontrollen.

Als "eigentümlich widersprüchlich" bezeichnet die Bürgerinitiative den Umgang von Ordnungsamt und Sicherheitsdienst mit der Situation Viehmarktplatz: Während der offizielle Auftrag des Sicherheitsdiensts Wolf an der Bordsteinkante Ebertstraße ende, erklärten die ab und zu eingesetzten Türsteher des Sonnenkellers, dass sie machtlos seien jenseits der Grenze zum hinteren Parkplatz.

Vorwurf: nur halbherziges Vorgehen

Auf diese Weise werde der Viehmarktplatz nachts "faktisch zum rechtsfreien Raum", so BALU, denn sofern die Polizei mit ihrer sehr dünnen Personaldecke anderes zu tun habe, sei offenbar niemand zuständig, dem Treiben Einhalt zu gebieten, das sich regelmäßig in warmen oder kalten Nächten freitags und samstags entfalte: von Nachtruhestörung über Vandalismus bis zur Körperverletzung sei alles geboten, und das immer wieder, ohne dass die zuständigen Stellen mehr als halbherzig über effektive Maßnahmen nachzudenken bereit wären. BALU fordert insbesondere vermehrte Kontrollen in konzertierter Aktion mit Jugendamt, Polizei, Ordnungsamt. Zudem sollte die bisher "leichtfertig" ausgeübte Vergabe von Ausschanklizenzen für bekannt laute Kneipen in Wohn- und Mischgebieten überprüft werden.

Die Balinger Polizeiverordnung benenne klare Regelungen für Kneipen wie Zimmerlautstärke, ruhiges Verhalten nach dem Verlassen einer Gaststätte, Musikveranstaltungen nur nach eindeutigen Regeln. Die mittlerweile gängige Praxis zeige jedoch, dass auch hier geltende Bestimmungen faktisch außer Kraft gesetzt werden.