Schwer beschädigt steht der BMW des 30-Jährigen, der bei dem Unfall im August 2017 getötet wurde, auf der Wiese neben der Bundesstraße 27 nahe Endingen. Der Unfallfahrer, der vor dem Zusammenstoß nach Meinung des Gerichts rücksichtslos überholt hatte, ist am Dienstag zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Foto: Maier

30-Jährigen bei rücksichtloser Unfallfahrt getötet. 25-Jähriger wegen vorsätzlicher Gefährdung verurteilt.

Balingen - Er hat nach Darstellung von Richterin Gekeler "alle Regeln missachtet" und sich rücksichtslos verhalten: Nach dem schweren Unfall auf der Bundesstraße 27 nahe Endingen im vergangenen Sommer, bei dem ein junger Mann ums Leben kam, ist ein 25-Jähriger aus dem Zollernalbkreis am Dienstag zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Richterin Gekeler sah es nach der Beweisaufnahme am Balinger Amtsgericht als erwiesen an, dass sich der 25-Jährige am frühen Morgen des 18. August 2017 auf der B 27 zwischen Erzingen und Endingen der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs und der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hat. Sie brummte dem Mann eine einjährige Haftstraße, ausgesetzt zur Bewährung, auf; auch muss er eine Geldauflage von 4000 Euro bezahlen. Zudem erhält er den bereits eingezogenen Führerschein auch in den nächsten elf Monaten nicht zurück.

Strafe fällt höher aus als Strafbefehl der Staatsanwaltschaft

Damit fällt die Strafe höher aus als im Strafbefehl, den die Staatsanwaltschaft beantragt hatte: Nach Aktenlage war die Behörde von einer fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung ausgegangen. Gegen den Strafbefehl, der eine neunmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung vorgesehen hatte, hatte der Angeklagte Einspruch eingelegt mit dem Ziel, eine mildere Strafe zu erreichen. Das Gegenteil ist eingetreten: Statt wegen einer fahrlässigen wurde er nun wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung verurteilt. Kurz vor Ende des Prozesses hatte der Verteidiger des Mannes noch erklärt, den Einspruch zurücknehmen zu wollen; das ließ die Staatsanwaltschaft allerdings nicht mit sich machen.

Der Vorfall an sich war unstrittig: Der 25-Jährige war am frühen Morgen des 16. August in Richtung Balingen mit dem Ziel Stuttgart unterwegs und überholte – trotz Verbots – zwischen Erzingen und Endingen ein Auto und einen Lastwagen. In einem Rutsch wollte der Angeklagte dann einen weiteren Laster hinter sich lassen, als ihm wenige hundert Meter vor Endingen – wegen der dortigen Kuppe schwer einsehbar – der Wagen mit dem 30-Jährigen am Steuer entgegenkam.

Fatal: Beide Fahrer weichen in dieselbe Richtung aus

Laut Gutachter waren beide Fahrzeuge mit etwa 90 bis 100 Stundenkilometern unterwegs. Fatalerweise wichen beide Fahrer in dieselbe Richtung aus und stießen auf der Wiese neben der Straße frontal aufeinander. Der 30-Jährige starb noch an der Unfallstelle, der 25-Jährige kam mit Verletzungen ins Krankenhaus. Diese sind bis heute nicht komplett kuriert. Zudem befindet er sich in psychologischer Behandlung; der Arzt diagnostizierte eine posttraumatische Belastungsstörung.

Richterin Gekeler sagte bei der Urteilsbegründung, dass der Unfall und damit der Tod des 30-Jährigen vermeidbar gewesen wären, wenn sich der Angeklagte an die Verkehrsregeln, insbesondere an das Überholverbot, gehalten hätte. Er habe zudem die Möglichkeit gehabt, den Überholvorgang abzubrechen und zwischen die beiden Lastwagen einzuscheren. Stattdessen aber habe er, der die Strecke von seinem täglichen Arbeitsweg gut kannte, "durchgezogen" und weiter versucht, den Lastwagen zu überholen – und sei so im "Blindflug" auf die Kuppe zugefahren, wegen der man den Gegenverkehr nicht sehen kann.

Der Überholvorgang sei nicht knapp gescheitert, so Richterin Gekeler, vielmehr habe der 25-Jährige rücksichtslos agiert und das Risiko eines Unfalls vorsätzlich in Kauf genommen. Damit habe er sich als "charakterlich ungeeignet" für die Teilnahme am Straßenverkehr gezeigt.

Kopfschütteln bei Angehörigen des Opfers

Staatsanwalt Müller hatte eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten gefordert, dazu eine Geldauflage von 3000 Euro sowie den Entzug des Führerscheins für 18 Monate. Der Verteidiger des Angeklagten hielt dagegen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie einen Führerscheinentzug für weitere vier Monate für angemessen. Er argumentierte, dass zwar eine fahrlässige Tötung, aber keine Straßenverkehrsgefährdung vorgelegen habe, weil sein Mandant sich im Sinne des Gesetzes nicht rücksichtslos verhalten habe. Ein vorsätzliches Handeln könne man dem 25-Jährigen nicht vorwerfen, vielmehr habe es sich um "Augenblicksversagen" gehandelt.

Zudem verwies Rechtsanwalt Schuster auf den Umstand, dass sein Mandant bei dem Unfall verletzt worden sei und wegen der psychischen Folgen bis heute in Behandlung und zudem arbeitsunfähig sei. Diese Argumentattion rief bei dem Vater des Getöteten sowie weiteren Angehörigen und Freunden im Gerichtssaal Kopfschütteln hervor.

Rechtsanwalt Herrmann hatte als Vertreter des Vaters des getöteten 30-Jährigen sogar eine zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe gefordert. Besonders schwer lastete Herrmann dem Angeklagten an, dass dieser sich in den Monaten seit dem Unfall nicht an die Familie des Unfallopfers gewandt habe. Die ganze Verhandlung über hatte der Angeklagte den Kopf gesenkt; er schaffte es erst zum Schlusswort, sich an den Vater des Getöteten zu wenden und "tausend Mal, Millionen Mal" um Entschuldigung zu bitten.