Schutz soll das Drachen-Graffito der Schwelhalle geben – nun braucht es selbst Beistand. Das Landesdenkmalamt will es weghaben, die Balinger Stadtverwaltung "dulden". Foto: Archiv

Graffito an Frommerner Schwelhalle erhitzt Gemüter. Denkmalschutz zu spät bekannt gemacht?

Balingen - Das mächtige Drachenbild des Graffiti-Künstlers WON ABC an der Frommerner Schwelhalle bringt viele in Wallung: Muss es weg, weil das Gebäude unlängst unter Denkmalschutz gestellt wurde? Oder kann es bleiben? Die Balinger Stadtverwaltung, die in der ganzen Angelegenheit vielleicht nicht die beste Figur machte, sucht den Kompromiss.

Wie berichtet, ist die Schwelhalle wie das gesamte umliegende Areal in Frommern im Juni vom Landesdenkmalamt für Denkmalpflege in die Liste der Kulturdenkmale aufgenommen und damit unter Schutz gestellt worden. Bedeutet: Alles, was dort etwa baulich verändert werden soll, bedarf des Segens der Denkmalschützer.

Genau diesen Segen hätten der Eigentümer, der namentlich nicht in der Zeitung erscheinen will, oder Frank Türke als Veranstalter der "Revolte!"-Ausstellung einholen müssen, in deren Rahmen die Fassade der Schwelhalle von WON ABC alias Markus Müller mit dem großen Graffito gestaltet wurde.

Hätte, wäre, wenn: Eine Rekonstruktion zeigt, dass in dem Fall wohl einiges schiefgelaufen ist. Vor allem, so schildert es der Eigentümer im Gespräch mit unserer Zeitung, habe es an der Kommunikation gemangelt.

Bis Kriegsende nicht fertig

Ende April dieses Jahres besuchten demnach Vertreter des Landesdenkmalamts und der Balinger Stadtverwaltung die Schwelhalle, deren Bau einst die LIAS-Ölschieferforschungsgesellschaft in den Jahren 1942/43 begonnen hatte. Dort sollte der von Insassen der umliegenden Konzentrationslager und Zwangsarbeitern der "Wüste"-Werke abgebaute Ölschiefer verarbeitet werden. Bis Kriegsende wurde die Anlage nicht fertig, die Franzosen ließen sie als Besatzer anschließend zu Ende bauen und verkauften das Werksgelände in den 1950er-Jahren an das Unternehmen Electra, dessen Schriftzug bis heute an der Fassade zu lesen ist. Nach deren Auszug in den 1980er-Jahren wurden die Gebäude auf dem Gelände als Lager an andere Unternehmen vermietet, ehe Electra das Ensemble vor wenigen Jahren an den neuen Eigentümer verkaufte. Bis dato: niemals ein Wort in Sachen Denkmalschutz. Die Gebäude wurden immer wieder verändert, neue, etwa eine Garage (die nun auch unter Schutz stehe), kamen hinzu.

Die Schutzwürdigkeit änderte sich mit dem Besuch von Vertretern des Landesdenkmalamts im April dieses Jahres: das Areal wurde zum "Prüffall" erklärt. Der Eigentümer hätte damit ohne behördliche Genehmigung keine Veränderungen mehr vornehmen dürfen. Der Mann sagt gegenüber unserer Zeitung, ihm gegenüber habe niemand gesagt, dass sein Eigentum nun ein "Prüffall" sei. Wenn er das gewusst hätte, hätte er sich an die damit einhergehenden Auflagen gehalten. Die Stadt sagt dagegen, der Mann sei informiert worden.

Drei Tage bevor er mit dem Drachen begann

Wie auch immer: Am 5. Juni unterrichtet das Landesdenkmalamt die Untere Naturschutzbehörde (Stadtverwaltung Balingen) darüber, dass die Schwelhalle nun als Kulturdenkmal eingestuft sei. Und es bittet die Balinger darum, den Eigentümer davon in Kenntnis zu setzen. 5. Juni: Das war zwei Tage vor Eröffnung der Ausstellung "Revolte!", drei Tage, bevor Markus Müller mit dem Drachen begann.

Die Info, dass die Schwelhalle nun unter Denkmalschutz steht, erreicht den Eigentümer allerdings erst per Schreiben, datiert auf den 28. Juni. 28. Juni: Zu diesem Zeitpunkt hatte WON ABC das Drachen-Bild bereits fertiggestellt. Man könnte also sagen: Wäre der Brief schneller rausgegangen oder wären der Eigentümer oder Frank Türke angerufen worden – dann hätte es den ganzen Schlamassel jetzt nicht gegeben.

Die weit überwiegende Reaktion etwa in sozialen Netzwerken darauf, dass der Drache auf der Fassade der Schwelhalle nach Meinung des Landesdenkmalamts eine "Verschandelung", ja ein "pietätloser Akt" angesichts des historischen Aussagewerts des Gebäudes und eine "erhebliche Beeinträchtigung" des Erscheinungsbilds sei, ist: Kopfschütteln. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich kein Denkmalschützer um das Gebäude geschert. Nun, da es wiederbelebt werde, seien sie plötzlich da, heißt es etwa. Die allermeisten Kommentatoren finden den Drachen klasse, und wenn sie Motiv nicht mögen, so doch grundsätzlich, dass die Fassade neu gestaltet wurde.

Wie geht’s nun weiter mit dem Drachen? Darüber herrscht zwischen der Stadtverwaltung und dem Denkmalamt Uneinigkeit. Die Denkmalschützer wollen, Zitat: "dass das Graffity wieder abgenommen und der Vorzustand wiederhergestellt wird". Die Balinger Stadtverwaltung will dagegen eine "vorübergehende Duldung" des Kunstwerks erreichen. Wird man sich nicht einig, muss Vertreter des Tübinger Regierungspräsidiums entscheiden.