Gegen Rassismus – für ein gutes Miteinander: Aicha Soro, Selvi Sacin, Anaelle Koschnike-Nguewo, Solange Fischer-Bernardino und Juandalynn R. Abernathy haben sich zusammen getan, um das Schweigen zu beenden. Foto: Thiercy

Fremdenhass im Alltag ist noch immer allgegenwärtig. Fünf Frauen mit Motto: "Es gibt nur eine Rasse: Mensch".

Balingen - Der Junge wird von der Lehrerin in die letzte Reihe verbannt. Seine Mutter ist Afro-Amerikanerin. Das Mädchen mit guten Noten bekommt eine Hauptschulempfehlung. Sie hat türkische Wurzeln. Vermieter legen auf, wenn sie am Telefon einen ausländischen Namen hören. Unvorstellbar? Nein. Unvorstellbar ist, dass derlei heutzutage geschieht. Hier. In Balingen. Rassismus ist Alltag. Dagegen wollen fünf Frauen angehen, mit Begegnungen und unter dem Motto: "Es gibt nur eine Rasse: Mensch."

"Was der Bauer nicht kennt, davor hat er Angst", wandelt Anaelle Koschnike-Nguewo das Sprichwort ab. Sie war es auch, die die Idee zur Initiative hatte. 2013, während ihrer Elternzeit, hat die Ingenieurin damit begonnen, Vorträge über ihr Geburtsland Kamerun und die afrikanische Kultur zu halten.

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Selvi Sacin, wie Solange Fischer-Bernardino, Aicha Soro und Juandalynn Abernathy Teil der Gruppe, ermutigten sie damals. Im Juni 2020 war den fünf Frauen dann klar: Sie wollen und müssen das Thema Rassismus ansprechen, die Menschen sensibilisieren, im Dialog bleiben und keine Opferrolle annehmen.

Rassismus nicht bewusst

"Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie rassistische Gedanken haben." Wenn das Kind nicht mehr zum Geburtstag eingeladen wird, nicht mehr mitspielen darf und die Mutter fragt: "Machen die das, weil wir Ausländer sind?", dann ist das schmerzhaft, erzählt eine der Frauen. Was bleibt, wenn das Gespräch mit den anderen Eltern nichts bringt? "Das eigene Kind stärken, ihm zeigen, wie gewollt und geliebt von Gott es ist."

Es gibt aber auch positive: Erlebnisse. Die Lehrerin ging dazwischen, als der Sohn einer der Frauen von zwei Mitschülern verspottet wurde. "Sie sagte den Jungs, sie sollen sich doch mal vorstellen, wie das wäre, wenn sie die einzigen Weißen unter Schwarzen wären." Die Botschaft kam an: Heute sind die drei die besten Kumpels.

Die Sängerin Juandalynn Abernathy erinnert sich an ihre erste Zeit in Balingen. "Ich war die einzige schwarze Frau hier und wenn ich mit meinem Sohn unterwegs war, haben die Leute mich für das Kindermädchen gehalten." Und dann treten ihr die Tränen in die Augen wenn sie von einer Situation berichtet, in der ein kleines Mädchen nicht ins Bällebad durfte, weil dort ein dunkelhaariger Bub spielte. Niemand habe etwas gesagt.

"Schweigen wie Virus"

"Dieses Schweigen ist wie ein Virus." Rassismus ist ein weltweites Problem, das weiß Solange Fischer-Bernardino. Einer der Gründe warum sie in Brasilien nicht mehr leben wollte: Trotz höherer Qualifikation gegenüber hellhäutigen Kollegen wurde sie jahrelang nie als Managerin gesehen.

Den Frauen ist durchaus bewusst, dass sie Rassismus nicht aus der Welt schaffen können. Aber sie wollen im Kleinen und vor Ort etwas bewirken. Sie arbeiten mit der Kirche zusammen, wollen Plattformen für den Austausch anbieten, auf dem Markplatz direkt auf die Menschen zugehen und informieren.

Anaelle Koschnike-Nguewo prangert die einseitige Berichterstattung in vielen Medien an. "Afrika ist nicht nur Wüste und Armut, wir haben eine pralle Kultur des Miteinanders."

"Wir müssen uns integrieren - aber man muss uns auch lassen", sagt Selvi Sacin. Das ganze Geld für Integrationsmaßnahmen sei "rausgeschmissen, wenn die Leute nicht mitziehen". Aicha Soro fügt hinzu: "Man muss die Herzen berühren, um etwas zu verändern. Dreimal im Jahr ein Gottesdienst reicht da nicht."

Wissen gegen Angst

Musik ist solch ein Mittel, um die Menschen zu erreichen. Juandalynn Abernathy plant ein Musical, wegen Corona erst 2022. Die Frauen schreiben Gedichte, möchten Lesungen halten, Diskussionsrunden, in Schulen oder in die LEA gehen - das alles mit dem Gedanken: "Komm doch auf mich zu, ich komme auch auf dich zu. Lasst uns uns kennenlernen. Ich möchte dir so sehr erzählen, wer ich bin, was mich bewegt, wonach ich mich sehne und möchte das gleiche auch von dir hören."

Die Fünf sind überzeugt: "So werden wir gemeinsam feststellen, dass Ignoranz Angst erzeugt und Wissen Angst bekämpft. Wir werden feststellen, dass wir nicht so unterschiedlich sind und dass uns viel verbindet."