Franziska Brantner und Thomas Zawalski haben über "Grüne Wege aus der Krise" diskutiert.Foto: Screenshot Foto: Schwarzwälder Bote

Coronavirus-Pandemie: Welche Forderungen Bündnis ’90/Die Grünen für die Zeit danach haben

"Grüne Wege aus der Krise" – der Titel der Video-Diskussion mit Thomas Zawalski und Franziska Brantner war vielversprechend und die Diskussion erwies sich als Ideen-Pool. Es wurde deutlich: Die Corona-Krise sehen viele auch als Chance.

Zollernalbkreis. Dass Deutschland eine der schwersten Wirtschaftskrisen seit 1929 mit vier bis sieben Prozent Minus beim Bruttoinlandsprodukt bevorsteht, daraus haben die Heidelberger Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner und der Balinger Thomas Zawalski, Vorsitzender des Wirtschaftsbeirates der Grünen im Zollernalb-Kreis, Mitglied des Kreisvorstands, der Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft, Finanzen und Soziales sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen und des Länderrates, kein Hehl gemacht in der Video-Diskussion "Grüne Wege aus der Krise", die der Kreisverband von Bündnis ’90/Die Grünen im Zollernalbkreis organisiert hatte. Beide hoffen auf Beschleunigung bei der ökonomischen und ökologischen Erneuerung der Industrie und der Wirtschaft nach den Beschränkungen durch die Coronavirus-Pandemie.

Wichtig ist Zawalski eine Entlastung der Kommunen angesichts des hohen Investitionsbedarfs, auch in ökologisch verträgliche Verkehrsinfrastruktur, und eine Stärkung des Gesundheitssystems durch "deutliche Aufwertung der Pflege, bessere Arbeitsbedingungen und personelle Stärkung". Brantner stellte klar, dass sich Europa in der Produktion wichtiger Arzneimittel-Wirkstoffe von Indien und China unabhängig machen sollte, dabei aber nicht die "Axt an den europäischen Binnenmarkt" legen dürfe. Wenn der kaputt gehe, werde es nachher um so teurer.

"Wir sollten nicht alles selbst produzieren", sagte sie etwa mit Blick auf die Vision von der Schwäbischen Alb als wiederauferstehendes "Nähzentrum Europas", aber Strukturen so schaffen, "dass man bei Bedarf die Produktion schnell wieder hochfahren kann". Lagerhaltung, etwa bei Masken, sei ebenso wichtig, betonte Zawalski.

Haushaltssperren der Kommunen verschärften die Rezession, mahnte Brantner und nannte vier Kriterien für künftige Maßnahmen: Sie müssten zeitlich passend und begrenzt sowie gezielt wirken und die ökologische Transformation der Wirtschaft unterstützen, was etwa durch Steuersenkungen, die vor allem Wohlhabenderen nutzten, nicht der Fall sei.

Franziska Brantner: "Eine Überschuldung anderer Staaten trifft auch Deutschland"

Finanzielle Solidarität mit Ländern, die mit höheren Schulden als Deutschland in die Krise gegangen seien, etwa Italien, befürwortet Brantner und betonte, dass Italien stets Nettozahler in die EU gewesen sei und bei vielen ein falsches Bild von Italien kursiere. Staatliche Hilfen für Länder, die Steueroasen böten, lehnt Brantner entschieden ab, mahnte aber auch, dass die Überschuldung anderer europäischer Staaten Deutschland ebenso treffe.

Dass die Staaten Sektoren wie Gastronomie und Tourismus länger unterstützen müssten als andere, stellte Brantner deutlich heraus. "Sonst sind die weg." Auch der Sektor Kultur falle aus der Förderung in manchen Ländern komplett heraus.

Mit Blick auf die parallel laufende Klimakrise betonte Zawalski die Notwendigkeit der Verzahnung, zumal laut Brantner jene Bereiche, die nicht ökologisch transformiert würden, "hinterher sehr schwierig zu finanzieren" seien. Kreislaufwirtschaft, CO2-Bepreisung – all das durchzusetzen werde noch ein harter Kampf, so Brantner.

Zawalskis Frage, ob die Konsumtätigkeit der Menschen sich hin zu mehr Qualität steuern lasse, beantwortete die Bundestagsabgeordnete mit einem klaren: "Das müssen wir!" Der Handel müsse sozialer und ökologischer werden. Das helfe dem Händler vor Ort ebenso wie der Näherin in Bangladesch, und das müsse sich auch in den Import-Regeln niederschlagen: "Es kommt darauf an, wie man Wachstum definiert – Verschmutzung zerstört Wachstum."

Mit Blick auf Kurzarbeiter-Geld in der Krise setzten sich die Grünen dafür ein, dass damit auch mehr Aus- und Fortbildung unterstützt werden müsse, sagte Brantner im Hinblick auf die Veränderung der Arbeitswelt in Zeiten der Digitalisierung, die durch die Corona-Krise einen "Riesen-Sprung" mache.

Erwin Feucht warf schließlich noch die Frage nach den neun Milliarden Euro für die Subventionierung der Lufthansa und der Forderung der Bundesregierung nach entsprechender staatlicher Mitsprache im Konzern auf. Brantner stellte klar, dass der Staat nicht schlechter gestellt sein dürfe als andere Aktionäre, und nannte Holland und Frankreich als Beispiel für das Knüpfen ökologischer Bedingungen an Unterstützung von Fluglinien. Inlandsflüge seien "Wahnsinn", betonte sie. Für Kurzstrecken müsse es Beschränkungen geben, das Fliegen insgesamt ökologischer – und teurer – werden.