Das Landgericht Hechingen neben der dazugehörigen Justizvollzugsanstalt: Der Angeklagte muss nun wegen vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung für lange Zeit ins Gefängnis. Foto: Maier

Im dritten und letzten Prozesstag werden Gutachten vorgestellt und Urteil gesprochen. "Fünf vor Mord".

Balingen/Hechingen - Weil er seine Ehefrau mit einem Messer bedroht und lebensgefährlich gewürgt hat, steht in Hechingen ein Mann vor Gericht. Im dritten und letzten Prozesstag wurden die Gutachten vorgestellt und das Urteil gesprochen. Der Richter findet am Schluss deutliche Worte.

Der dritte Prozesstag beginnt mit der Vernehmung weiterer Polizeibeamter und einem Kollegen des Angeklagten. Sie bringen allerdings keine neuen Erkenntnisse mehr zu Tage. Umso bedeutsamer ist die anschließende Vereinbarung, welche die Verteidigung mit der Nebenklagevertreterin schließen möchte. Es geht um die Zahlung von Schmerzensgeld. Eigentlich eine zivilrechtliche Sache, die aber auch im strafrechtlichen Verfahren untergebracht werden kann – sofern sich beide Seiten einig sind. Es wird eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 10 000 Euro vereinbart. Diese wird dem Angeklagten bei der Urteilsverkündung später positiv ausgelegt werden. Auch wenn es, so betont der Richter, fragwürdig ist, ob er je in der Lage sein wird, den Betrag an seine geschädigte Ehefrau zu zahlen.

"Ich werde nach dir keine Frau mehr lieben"

Als nächstes wird ein ausführlicher Brief des Angeklagten verlesen, den er seiner Frau vor wenigen Monaten aus der Haft geschrieben hat. In dem Schreiben entschuldigt er sich mehrmals und sagt: "Wegen meiner Schlaflosigkeit war ich nicht mehr bei Sinnen." Weiter heißt es: "Wenn du mich hättest gehen lassen, wäre das alles nicht passiert." Mittlerweile könne er aber wieder klar denken und meint: "Auch wenn du denkst, ich sei gefühllos; ich bin ein Vater und habe ein weiches Herz." Während der Verlesung weint der Angeklagte zeitweise leise vor sich hin. Der Brief endet mit: "Ich werde nach dir keine Frau mehr lieben."

Anschließend werden die rechtsmedizinischen und psychiatrischen Gutachten vorgestellt. Die Expertin für Rechtsmedizin erläutert akribisch die zugefügten Verletzungen der Frau. Sie habe in ihrer Laufbahn bereits viele solcher Fälle bearbeitet, aber die Tatsache, dass sich die Frau eingenässt und eingekotet habe, deute darauf hin, dass die Bewusstlosigkeit sehr schwer gewesen sein muss. Dies sei "äußerst selten" und deute darauf hin, dass der Angeklagte sehr heftig zugedrückt haben muss. Von einer Tötungsabsicht muss daher ausgegangen werden.

Des Weiteren stellt sie fest, dass wenn die Blutzufuhr zum Gehirn für drei bis fünf Minuten unterbrochen wird, es zu irreparablen Schädigungen kommt. Ob dies bei der Frau der Fall gewesen ist, würde sich erst mit der Zeit zeigen. Ihr Resümee: "Es bestand konkrete Gefahr für das Leben der Frau."

Mittelgradige depressive Episode

Der psychiatrische Gutachter bringt anschließend eine mögliche Schuldunfähigkeit des Angeklagten ins Spiel: "Psychologisch wirkte er bei beiden Gutachten depressiv." Er habe eine emotionale Instabilität, eine niedrige Belastbarkeit und eine latente Aggressionsbereitschaft aufgewiesen. "Darüber hinaus ist es möglich, dass er an einen erweiterten Suizid gedacht haben könnte." Schlussendlich diagnostiziert er dem Angeklagten eine "Mittelgradige depressive Episode" nach ICD-10. Er könne eine Schuldunfähigkeit nicht ausschließen, aber auch nicht bejahen.

Die Plädoyers am Nachmittag sind von Seiten der Staatsanwältin und der Vertreterin der Nebenklage äußert eindringlich. Die Staatsanwältin spricht von einer "gefühlskalten und brutalen Tat". Mehrfach zitiert sie Chatpassagen des Angeklagten an seine Frau. Dass er sie töten werde und es ihm egal sei, dass er anschließend ins Gefängnis gehen muss. Die Bedrohung mit dem Messer habe nicht gereicht, er habe seine Frau eindeutig umbringen wollen. "Letzten Endes war es fünf vor Mord", stellt die Staatsanwältin fest. Sie plädiert für eine Gesamtgefängnisstrafe von fünf Jahren und neun Monaten.

Verteidiger fordert drei Jahre Haft

Der Verteidiger spricht in seinem Plädoyer dagegen von "keiner einseitigen Sache" und einer Beziehungstat. Sein Mandant habe die Ehe beenden wollen, seine Frau habe ihn allerdings dabei gehindert, indem sie seine Koffer wieder auspackte, als er sie verlassen wollte. Als er von der Affäre erfahren habe, sei "seine Welt kaputt und seine Ehre verloren gewesen". Er fordert eine dreijährige Gefängnisstrafe.

Nach einstündiger Beratung spricht der Vorsitzende Hannes Breucker das Urteil: Der Angeklagte wird wegen vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. "Sie haben die Höchststrafe schon bekommen: Sie haben ihre Frau und ihre Familie verloren." Im Gefängnis habe er "noch lange die Möglichkeit" seine Taten zu reflektieren. "Was gibt es schlimmeres, als die eigene Frau in ihrem Schlafzimmer fast zu Tode zu erwürgen. Das ist entsetzlich." Breucker fügt außerdem hinzu: "Wir befinden uns hier in Deutschland im Zeitalter der Gleichberechtigung und es und es gibt hier keinen Platz für irgendwelche Ehrenbegriffe, bei denen man glaubt, man könne seine Frau zur Rechenschaft ziehen, weil sie einen verlassen will."