Statistisch gesehen wird demnach jeder Betrieb etwa alle zwei Jahre kontrolliert. Foto: dapd

Lebensmittelkontrolleure kommen mit Tests kaum nach – Jeder Betrieb wird alle zwei Jahre kontrolliert.

Stuttgart - Das Ordnungsamt hat jetzt die Bilanz 2011 seiner Kontrollen in Gaststätten, Märkten und Metzgereien vorgelegt. 60 mussten wegen unhaltbarer Zustände schließen. Spitzenkoch Vincent Klink hält die geplante Nennung der Betriebe im Internet in Extremfällen für in Ordnung, hat aber Alternativen parat.

Erst vor drei Tagen rückten gegen 10 Uhr vormittags zwei Lebensmittelkontrolleure des städtischen Amts für öffentliche Ordnung im Restaurant Wielandshöhe an der Alten Weinsteige an. „Sie kommen immer im ungünstigsten Moment. Wir hatten 30 Anmeldungen fürs Mittagessen und waren mitten in den Vorbereitungen“, sagt Inhaber Vincent Klink. Aber eigentlich findet er die Überraschungsbesuche ganz in Ordnung. „Egal ob Dönerbude oder Edelrestaurant, eine Küche muss so sein, dass die Kontrolleure jederzeit kommen können.“

Eigentlich hätten mehr als doppelt so viele Betriebe kontrolliert werden müssen

Von 11.777 lebensmittelverarbeitenden Betrieben in Stuttgart haben die Kontrolleure vergangenes Jahr 5327 Betriebe überprüft. Statistisch gesehen wird demnach jeder Betrieb etwa alle zwei Jahre kontrolliert. „Nach der Risikobeurteilung hätten wir mit insgesamt 11.200 planmäßigen Routinekontrollen mehr als doppelt so viele Betriebe überprüfen müssen“, gibt Thomas Stegmanns zu. Er ist Leiter der Abteilung Lebensmittelüberwachung beim Ordnungsamt. Das Soll ist für seine kleine Truppe, die statt aus 18 mittlerweile aus nur noch 14 Leuten besteht, nicht zu schaffen. Unbesetzt sind vier Stellen, weil Lebensmittelkontrolleure sehr gesucht seien und die meisten wegen der geringeren Lebenshaltungskosten lieber im ländlichen Raum arbeiteten.

In der Wielandshöhe haben die Kontrolleure trotz ihrer Überlastung bereits zum zweiten Mall innerhalb eines Jahres vorbeigeschaut. „Das lag daran, weil sie vor einem halben Jahr einige Kleinigkeiten zu beanstanden hatten“, sagt Klink. Er hatte von den Kontrolleuren die Auflage bekommen, das Büfett zu erneuern, weil der Lack kleine Schäden aufwies. Außerdem musste die Kühlanlage gerichtet werden, damit das Wasser perfekt abläuft.

Auf abschreckende Wirkung des neuen Verbraucherinformationsgesetz setzen

Solche Nachkontrollen wurden vergangenes Jahr zusätzlich zu den planmäßigen Kontrollen 3700-mal fällig. Allerdings geht es dabei häufig nicht um Lappalien wie abgeplatzten Lack, sondern um gravierende Mängel. „Eine asiatische Gaststätte mussten wir sechsmal hintereinander kontrollieren, weil wir dort jedes Mal lebende oder tote Kakerlaken entdeckt haben und sich unter dem Herd der Abfall häufte. Das bindet Personal“, sagt Stegmanns und setzt auf die abschreckende Wirkung des neuen Verbraucherinformationsgesetzes:

Danach sollen lebensmittelverarbeitende Betriebe, bei denen die Missstände ein Bußgeld von mindestens 350 Euro nach sich ziehen,von kommendem September an unter Nennung des Betriebs und Betreibers, der Bußgeldhöhe sowie der reklamierten Zustände für jedermann sichtbar ins Internet gestellt werden. Dass diese Maßnahme für die meisten Betriebe das Aus bedeuten dürfte, ist Stegmanns klar. „Aber vielleicht kommt es dann gar nicht mehr zu extremen Fällen“, hofft er.

„Ich rieche doch, was mich erwartet, wenn ich eine Gaststätte betrete“

Mit 230 Bußgeldbescheiden wurden 2011 sieben mehr als im Vorjahr verschickt. Die Gesamthöhe lag mit 74.500 Euro 8000 Euro höher als im Vorjahr. Die Schließungen sind zurückgegangen. Statt 66 Betriebe (2010) wurden 60 Betriebe vorübergehend oder ganz dichtgemacht. 2011 wurden 250 Betriebe mehr als 2010 kontrolliert

„In extremen Fällen geht es wohl nicht anders als die Missstände im Internet zu veröffentlichen“, sagt Vincent Klink. Er befürchtet aber, dass der Kunde so aus der Verantwortung entlassen wird. „Ich rieche doch, was mich erwartet, wenn ich eine Gaststätte betrete“, plädiert er dafür, sich auf die eigene Nase als den besten Kontrolleur zu verlassen. Durch zu viel Reglementierung werde dem Verbraucher die Verantwortung dafür abgenommen, sich selbst zu schützen. Für eine Alternative hält Klink es, die schwarzen Schafe der Branche eine Woche intensiv zu schulen. „Jeder Handwerker muss eine Ausbildung haben. Doch eine Gaststätte kann jeder ohne Vorkenntnisse eröffnen. Das kann nicht gutgehen.“