Straße frei und aufs Gas treten, so nutzen Raser seit Jahren die Straßen in Baden-Württemberg für ihre persönlichen Rennen. Allen Strafen zum Trotz: Der Hang zum Duell auf der Straße ist ungebremst.
Härtere Strafen, Gerichtsurteile und all die Fotos von zerbeulten Blechkarossen scheinen wirkungslos: Der Hang zum illegalen Rennen auf baden-württembergischen Straßen ist ungebremst - und er nimmt in bloßen Zahlen sogar wieder zu. Allein in den ersten sechs Monaten des zurückliegenden Jahres ist die Zahl der verbotenen Vollgas-Duelle um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Landesweit wurden auf den Straßen insgesamt 207 illegale Autorennen von der Polizei registriert, wie das Innenministerium auf Anfrage mitteilt. Dabei war die Zahl der illegalen Rennen 2022 eigentlich erstmals gesunken, seit der Vorwurf auch strafrechtlich verfolgt wird.
Aus Sicht der Landesbehörde hängt der erneute Anstieg vor allem zusammen mit einer schärferen juristischen Verfolgung von Rasern. Denn wer vor der Polizei flüchtet und dabei aufs Gaspedal tritt, der wird laut Innenministerium inzwischen konsequent wegen eines sogenannten Einzelrennens angezeigt. Die Vorschrift gelte auch für Fälle, in denen nur ein einziges Auto beteiligt sei und in denen grob gegen die Regeln verstoßen und rücksichtslos gefahren werde, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage. „Der Renncharakter geht dabei auch nicht verloren, wenn das Bestreben möglichst schnell voranzukommen darin besteht, verfolgende Polizeifahrzeuge abzuhängen“, sagte er.
Erst zehn Tage später gefasst
So dürfte auch ein damals 37-Jähriger in der Statistik auftauchen, der im vergangenen Januar für Schlagzeilen sorgte, als er im Raum Stuttgart zunächst mit Vollgas der Polizei entwischte und erst zehn Tage später gefasst werden konnte. Der Mann aus dem Kreis Biberach hatte mit seinem Sportwagen an einem Stauende auf der Autobahn 81 gewendet, war in die falsche Richtung zurückgerast und schließlich weiter auf die A8 Richtung München abgebogen - mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde und ohne Führerschein, wie sich herausstellte. Die Polizei verlor ihn zwischenzeitlich aus den Augen. Bei Mühlhausen im Täle (Kreis Göppingen) stellte der Raser das Auto in einem Wohngebiet ab und floh zu Fuß.
Schlagzeilen machte das sogenannte Einzelrennen eines Motorradfahrers, der im August in Mannheim mächtig aufdrehte. Mitten in einer Tempo-50-Zone gab er laut Polizei an einer Ampel Vollgas, sobald diese auf Grün umschaltete. Mehrmals beschleunigte er auf bis zu 140 Stundenkilometer. Sein Pech: An der Ampel stand der Mann neben Polizisten in einem Zivilfahrzeug. Die Beamten verfolgten den Motorradfahrer mit seiner getunten Maschine.
Illegale Autorennen gelten seit 2017 als Straftat. Seitdem kann schon die Teilnahme mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden.
Nicht immer sind es Sportwagen
Bei den meisten Rennen geht es nach früheren Angaben neben den Fluchten vor der Polizei und „Rennen gegen sich selbst“, sogenannten Einzelrennen, um nichtorganisierte Veranstaltungen. Vielmehr treten die Fahrer spontan gegeneinander an. Und nicht immer muss es sich um Sportwagen handeln: So sorgte das verbotene Rennen zweier Kleintransporter eines Online-Versandhandels auf der Autobahn 5 zwischen Weil am Rhein (Kreis Lörrach) und dem Autobahndreieck Neuenburg am Rhein (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) im November für Aufsehen.
Auch sogenannte Rennen gegen sich selbst, also Einzelrennen, beschäftigen zunehmend Polizei und Justiz. Dabei geht es nicht um Lappalien, es drohen teils auch langjährige Haftstrafen. Vor dem Heilbronner Landgericht ist zum Beispiel ein 21 Jahre alter Mann angeklagt, der im vergangenen Februar mit seinem Auto und deutlich überhöhtem Tempo durch die Heilbronner Innenstadt gerast und ein anderes Auto gerammt haben soll. In den Trümmern des Fahrzeugs kam ein 42 Jahre alter Familienvater ums Leben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem jungen Mann Totschlag und ein illegales Autorennen vor. Das Gericht prüft aber auch eine mögliche Verurteilung wegen Mordes.
Am Steuer der Autos sitzen bei illegalen Rennen nach Angaben des Ministeriums vor allem deutsche Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Besonders beliebt ist bei Rasern die Autobahn 8. Immer wieder bremsen Autofahrer dort den Verkehr aus, um sich Platz zu verschaffen und die freie Strecke für ein Rennen zu nutzen.
Auf der A81 registrierte die Polizei bislang sogar mehr Rennen als auf jeder anderen Bundesautobahn. Mit einem Tempolimit wird dort versucht, die Raser auf dem besonders betroffenen Abschnitt zwischen Engen und Geisingen auszubremsen. Die meist hochpreisigen und aufgemotzten Sport- und Luxuskarossen haben oft Schweizer Kennzeichen, weil die Fahrer wegen der hohen Strafen für zu schnelles Fahren und Autorennen im Nachbarland zum Rasen nach Deutschland ausweichen.
Was laut Polizei abschreckt
Die Polizei versucht auch weiterhin mit einem Bündel von Kontrollen, Videoüberwachung und Strafen gegen die Raser vorzugehen. Außerdem werden die oft hochtourigen Sportwagen beschlagnahmt. „Das trifft die Beschuldigten oft am meisten und schreckt ab“, sagte ein Ministeriumssprecher.