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Mittendrin: Redakteur versucht sich im Wrestling -­ und hat danach Muskelkater.

Bad Wildbad - Show oder doch richtiger Sport? Diese Frage stellte sich unser Reporter schon, als er in seiner Jugend das erste Mal auf den hinteren Kanälen des Privatfernsehens mit Wrestling in Berührung gekommen ist. Jetzt hat er sich die Sportart bei Outlaw Wrestling Germany (OWG)" in Bad Wildbad näher angeschaut – und fleißig mittrainiert.

Ich gebe es zu, ein bisschen mulmig ist mir ja schon zumute, als ich – nach kurzer Suche – die Taekwon-Do-Halle in Bad Wildbad betrete. Dabei frage ich mich ernsthaft, ob ich überhaupt schon einmal die Sporttasche mit zur Arbeit genommen habe.

Ein Blick in die Halle zeigt mir schnell, dass ich richtig bin. Im hinteren Eck steht ein Wrestling-Ring. In der kleinen Sporthalle bleibe ich natürlich nicht lange unentdeckt und grinsend kommt ein durchtrainierter Mann auf mich zu, der sich als Trainer entpuppt. Daniel – wir Wrestler duzen uns selbstverständlich untereinander – zeigt mir die Umkleidekabine und erklärt mir, was er so alles mit mir vorhat. Klingt schmerzhaft.

Los geht’s mit Aufwärmen. Das ist mir als altem Handballer durchaus ein Begriff und die ersten Runden durch die Halle laufen auch noch problemlos. Danach stehen aber spezielle Übungen auf dem Programm. Zum Beispiel mit dem Kopf auf dem Boden etwas nach vorne gehen. "Das ist wichtig, um die Nackenmuskulatur zu dehnen", erklärt Trainer Daniel Gauss, der den Kampfnamen Ripper trägt.

Dann geht es endlich ans Eingemachte. Bevor ich aber den Ring betrete, erklärt mir Daniel, wie dieser aufgebaut ist: Unten mit Seilen abgespannt, oben dicke Bretter, die leider nur mit einer verdächtig dünnen Matte abgedeckt sind. Dann steige ich endlich in den Ring. Besser gesagt, rolle ich ziemlich unelegant unter dem ersten Ringseil durch, was bei einigen meiner neuen Wrestling-Kollegen ein leichtes Schmunzeln hervorruft.

"Als erstes muss man das Fallen üben, den ›Bump‹", sagt Daniel. Drei Grundarten gibt es dabei zu erlernen: den "Back-Bump", also der Fall auf den Rücken. Dann gibt es noch den "Front-Bump", bei dem man sich nach vorne fallen lässt und den "Flip-Bump", eine Mischung aus Handstand und Purzelbaum, bei dem man sich aber dann auf den Rücken fallen lässt, anstatt. Das alles klingt schmerzhaft und Trainer Daniel ruft einen seiner Wrestler in den Ring, um einen "Bock" zu machen. Als "Randy the Lumberjack" dann auf Händen und Knien vor mir auf dem Boden sitzt, sagt Daniel zu mir: "So, jetzt setzt du dich darauf und lässt dich nach hinten auf den Rücken fallen." Und ich so: "Äh, nö!" Nachdem er es mir vorgemacht hat, versuche ich dann halt doch mein Glück. Wichtig dabei: Kopf auf die Brust und beim Aufprall gleichzeitig die Arme gestreckt und mit den Handflächen nach unten auf den Boden hauen, um das Gewicht so auf eine größere Fläche zu verteilen und so den Aufprall – und damit die Schmerzen – zu mildern. Das klappt nach einigen Versuchen schon recht gut und war gar nicht so schlimm, wie zunächst befürchtet.

Sonst schmerzt es an den "edlen Teilen"

Aber das ist ja auch erst der Anfang. Als nächstes üben wir das Fallen nach vorne auf die gestreckten Unterarme. Dabei ganz wichtig: Beim Nach-Vorne-Fallen das linke Bein anwinkeln und nach außen stellen – sonst schmerzt es an den "edlen Teilen".

Da das von den Knien und vom "Bock" alles ganz gut funktioniert hat, geht’s jetzt ans Eingemachte – "Bumps" aus dem Stand und aus der Bewegung. Beim "Back-Bump" heißt das dann, nach vorne laufen, dann das linke Bein mit Schwung nach oben reißen und sich dabei nach hinten fallen lassen. Und dabei dran denken, die Arme nach außen auf den Boden zu schlagen. Nachdem es vier oder fünf Mal gut geklappt hat, passiert es dann beim letzten Versuch: Beim Fall nach hinten verdrehe ich mich und ich komme zuerst mit dem rechten Arm und dann der Schulter auf. Ich wusste doch, dass der Abend schmerzhaft wird. Und was an diesem Abend noch nicht so sehr auffällt, wird mich die nächsten Tage noch öfter beschäftigen. Naja, zum Glück bin ich Linkshänder.

So, jetzt aber genug gefallen. Daniel hat ein Einsehen mit mir und zeigt die nächste Übung – den "Seillauf". So heißt die Übung, mit der sich Wrestler mit dem Rücken in die Seile fallen lassen und mit Schwung wieder herausgefedert werden. Auch hier ist natürlich die Technik wichtig, mit den Händen an die richtigen Stellen zu greifen. Und es geht darum, dass die Bewegung in Fleisch und Blut übergeht und man seinen Rhythmus findet. Erst ganz langsam, um den Ablauf zu üben und dann immer schneller, bis ich im – für meine Verhältnisse – schnellen Tempo von Ringseil zu Ringseil laufe und dann doch tatsächlich in einen guten Rhythmus komme: mit Schwung Richtung Seil, Drehung nach links, in die Ringseile greifen, federn lassen und mit Schwung wieder heraus. Das gibt sogar Lob vom Trainer, wobei ich mich dabei immer frage, ob er nicht einfach nur nett sein möchte.

Sinn und Zweck der ganzen Übungen an diesem schweißtreibenden Trainingsabend ist es, einen Ablauf so einzustudieren, dass er in einem schönen "Wrestling-Move" endet – der "Clothesline". Dabei rennt der Wrestler leicht versetzt zu seinem Gegner frontal auf diesen zu, streckt seinen Arm seitlich aus und reißt ihn mit einem Treffer am Hals nieder. "Stell dir einen Kopf auf meiner linken Schulter vor und schlag da mit der Faust hin", erklärt Daniel. Klappt ganz gut. Zuerst aus dem Stehen und dann mit Schwung aus dem "Seillauf" – und es fühlt sich richtig mächtig an, wenn ich mit meiner "Clothesline" den durchtrainierten Daniel auf den Ringboden schicke.

Das gibt wieder ein Lob vom Trainer und grinsend fügt er an: "So, und jetzt umgekehrt." "Äh, nö!" Aber natürlich lässt Daniel nicht locker und ich füge mich in mein Schicksal und lasse mich absprachegemäß auf den Ringboden hauen.

Apropos Absprache: Wie ist denn das jetzt eigentlich genau beim Wrestling? Daniel bestätigt, dass die Kämpfe soweit abgesprochen sind, dass der Gewinner schon vorher feststeht. Aber der Ablauf der Kämpfe könne nicht abgesprochen sein, denn oftmals kenne man seinen Gegner ja auch gar nicht. Daniel tritt als "Ripper" bei vielen Wrestling-Veranstaltungen in Deutschland und der Schweiz auf und trifft da auf immer unterschiedliche Gegner. Deshalb sind die Abläufe wichtig und müssen bei jedem Kämpfer sitzen. Für jeden Griff im "Chain Wrestling" – was man im Boxen wohl den "Infight" nennen würde, gibt es einen Gegengriff. Das üben wir auch. Und ich übe, den Griff im richtigen Moment locker zu lassen, damit sich der Gegner befreien kann und seine eigenen Aktionen setzen kann. Denn Wrestling funktioniert nur im Miteinander. Wie das geht, zeigen die erfahrenen Kämpfer zum Schluss des Trainings. Wenn etwa der "Gute" (Face), Randy, gegen den "Bösen", "Mad Dog Rhymes", antritt, ist richtige Show angesagt und es wirkt fast so echt wie in der amerikanischen Showkampfliga WWE, von der Daniel im Übrigen nicht (mehr) allzu viel hält. Und wer gewinnt? Das weiß nicht mal Trainer Daniel. Am Ende siegt dieses Mal der "Gute".

Und warum macht man diese Showsportart? Neben der körperlichen Fitness nennt "Mad Dog" einen weiteren Aspekt: "Ich arbeite in einem sozialen Beruf." Und beim Wrestling könne er in einen anderen Charakter schlüpfen, eine Rolle – den Bösen – spielen.

Am Ende des wirklich anstrengenden Trainings bleibt für mich natürlich die Frage an den Coach, wie ich mich denn angestellt hätte. Und wieder gibt es Lob, dieses Mal hoffentlich nur halb gespielt. "Viele bräuchten eine halbe Stunde, bis sie sich den ›Back-Bump‹ aus dem Laufen trauen", sagt Daniel. Hätte ich das mal vorher gewusst. Ich dürfe gerne jederzeit wiederkommen, lädt mich der Trainer ein. Das überlege ich mir aber noch. "Erst mal abwarten, wie es mir morgen geht", sage ich, nur halb im Scherz.

Der nächste Morgen ist übrigens schlimm. Die Schulter schmerzt und ich habe den, wie es vermutlich meine junge Kollegin ausdrücken würde, "Muskelkater des Todes".

Doch von dem Trainingsabend bleibt deutlich mehr als nur der Muskelkater. Ich habe viele nette Menschen und einen tollen Sport kennengelernt, der riesig Spaß macht, auch wenn – oder gerade weil – das Ende zumindest den Sportlern bekannt ist.